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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Zur Beleuchtung der Gefaugnisfrage.

an irgend ein Meisterwerk der antiken Kunst und läßt ihn dasselbe in der Er¬
innerung nochmals genießen. Manchmal ist dieser Kleinstädter so glücklich, von
einem der schönsten Werke der griechischen Bildhauer eine Nachbildung in Bronze
zu besitzen: einen tanzenden Satyr, einen kämpfenden Athleten, einen Gott, eine
Göttin, einen Zitherspieler u. a, in") Er kennt ihren Wert, hat Verständnis
sür ihre Schönheit, Auf einem Sockel in seinem Atrium oder Peristyl hat er
sie aufgestellt, und sein Auge grüßt sie jedesmal, wenn er eintritt oder wenn
er ausgeht. Glückliche Menschen, diese reichen Pompejaner! Sie verstanden es,
ihr Leben durch jeden Schmuck des Daseins zu verschönern und es durch den
Genuß aller Künste zu heben.




Zur Beleuchtung der Gefängnisfrage.
(Schluß.)

as irische Gefängnissystem ist bei uns hauptsächlich durch die,
Schriften Holtzendorffs und des holländische" Ministers van der
Brüggheu bekannt geworden, auch ist zu Vechta im Oldenburgischen
und zu Lenzbnrg im Aargau mit einem modifizirten irischen System
bereits ein praktischer Versuch gemacht worden. Dieses System
besteht seiner äußerlichen Durchführung nach aus folgenden vier Stadien: 1. Die
Einzelhaft von neun Monaten, welche bei gutem Verhalten um einen Monat
gekürzt werden kann. Man hält diese Zeit für die ausreichende zur Erzielung
der heilsamen Wirkung der Jsolirung. 2. Gemeinschaftliche Zwangsarbeit in
einer zur Lauge der Freiheitsstrafe im Verhältnis stehenden Dauer. Die Ge¬
fangenen haben in ihr fünf Klassen zu durchlaufen. Mit jeder höheren Klasse
sind außer besondern Abzeichen durch Klappen und Ringe auch verschiedne äußere
Vorteile in Betreff der Verköstigung und eines den Sträflingen später auszu¬
zahlenden kleinen Geldbetrages verbunden. Bei gutem Verhalten werden die
Sträflinge aus einer niedern in eine höhere Abteilung versetzt und erhalten
sodann sogenannte Zufricdenheitsmarken, die einmal im Monat ausgeteilt werdeu



*) Aus Pompeji und Herculaneum, d. h. aus zwei Stüdteu zweiten Ranges, stammen
die schönen Bronzen des Museums von Neapel, welche die Bewunderung der Fremden er¬
regen. Bei den Bürgern unsrer Prrwiuzialstädte würde man kaum etwas ähnliches finden.
Dazu kommt, daß das Schönste, waS es in Pompeji gab, uoch gar nicht einmal dort ge¬
blieben ist. Wir wissen, daß die Bewohner nach der Katastrophe Ausgrabungen gemacht,
und von dem, was sie wiederfanden, das Kostbarste sortgeschafft haben. Wir besitzen also
heute nur, was man damals uicht wiederfand oder was man mitzunehmen verschmähte.
Zur Beleuchtung der Gefaugnisfrage.

an irgend ein Meisterwerk der antiken Kunst und läßt ihn dasselbe in der Er¬
innerung nochmals genießen. Manchmal ist dieser Kleinstädter so glücklich, von
einem der schönsten Werke der griechischen Bildhauer eine Nachbildung in Bronze
zu besitzen: einen tanzenden Satyr, einen kämpfenden Athleten, einen Gott, eine
Göttin, einen Zitherspieler u. a, in") Er kennt ihren Wert, hat Verständnis
sür ihre Schönheit, Auf einem Sockel in seinem Atrium oder Peristyl hat er
sie aufgestellt, und sein Auge grüßt sie jedesmal, wenn er eintritt oder wenn
er ausgeht. Glückliche Menschen, diese reichen Pompejaner! Sie verstanden es,
ihr Leben durch jeden Schmuck des Daseins zu verschönern und es durch den
Genuß aller Künste zu heben.




Zur Beleuchtung der Gefängnisfrage.
(Schluß.)

as irische Gefängnissystem ist bei uns hauptsächlich durch die,
Schriften Holtzendorffs und des holländische» Ministers van der
Brüggheu bekannt geworden, auch ist zu Vechta im Oldenburgischen
und zu Lenzbnrg im Aargau mit einem modifizirten irischen System
bereits ein praktischer Versuch gemacht worden. Dieses System
besteht seiner äußerlichen Durchführung nach aus folgenden vier Stadien: 1. Die
Einzelhaft von neun Monaten, welche bei gutem Verhalten um einen Monat
gekürzt werden kann. Man hält diese Zeit für die ausreichende zur Erzielung
der heilsamen Wirkung der Jsolirung. 2. Gemeinschaftliche Zwangsarbeit in
einer zur Lauge der Freiheitsstrafe im Verhältnis stehenden Dauer. Die Ge¬
fangenen haben in ihr fünf Klassen zu durchlaufen. Mit jeder höheren Klasse
sind außer besondern Abzeichen durch Klappen und Ringe auch verschiedne äußere
Vorteile in Betreff der Verköstigung und eines den Sträflingen später auszu¬
zahlenden kleinen Geldbetrages verbunden. Bei gutem Verhalten werden die
Sträflinge aus einer niedern in eine höhere Abteilung versetzt und erhalten
sodann sogenannte Zufricdenheitsmarken, die einmal im Monat ausgeteilt werdeu



*) Aus Pompeji und Herculaneum, d. h. aus zwei Stüdteu zweiten Ranges, stammen
die schönen Bronzen des Museums von Neapel, welche die Bewunderung der Fremden er¬
regen. Bei den Bürgern unsrer Prrwiuzialstädte würde man kaum etwas ähnliches finden.
Dazu kommt, daß das Schönste, waS es in Pompeji gab, uoch gar nicht einmal dort ge¬
blieben ist. Wir wissen, daß die Bewohner nach der Katastrophe Ausgrabungen gemacht,
und von dem, was sie wiederfanden, das Kostbarste sortgeschafft haben. Wir besitzen also
heute nur, was man damals uicht wiederfand oder was man mitzunehmen verschmähte.
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[0258] Zur Beleuchtung der Gefaugnisfrage. an irgend ein Meisterwerk der antiken Kunst und läßt ihn dasselbe in der Er¬ innerung nochmals genießen. Manchmal ist dieser Kleinstädter so glücklich, von einem der schönsten Werke der griechischen Bildhauer eine Nachbildung in Bronze zu besitzen: einen tanzenden Satyr, einen kämpfenden Athleten, einen Gott, eine Göttin, einen Zitherspieler u. a, in") Er kennt ihren Wert, hat Verständnis sür ihre Schönheit, Auf einem Sockel in seinem Atrium oder Peristyl hat er sie aufgestellt, und sein Auge grüßt sie jedesmal, wenn er eintritt oder wenn er ausgeht. Glückliche Menschen, diese reichen Pompejaner! Sie verstanden es, ihr Leben durch jeden Schmuck des Daseins zu verschönern und es durch den Genuß aller Künste zu heben. Zur Beleuchtung der Gefängnisfrage. (Schluß.) as irische Gefängnissystem ist bei uns hauptsächlich durch die, Schriften Holtzendorffs und des holländische» Ministers van der Brüggheu bekannt geworden, auch ist zu Vechta im Oldenburgischen und zu Lenzbnrg im Aargau mit einem modifizirten irischen System bereits ein praktischer Versuch gemacht worden. Dieses System besteht seiner äußerlichen Durchführung nach aus folgenden vier Stadien: 1. Die Einzelhaft von neun Monaten, welche bei gutem Verhalten um einen Monat gekürzt werden kann. Man hält diese Zeit für die ausreichende zur Erzielung der heilsamen Wirkung der Jsolirung. 2. Gemeinschaftliche Zwangsarbeit in einer zur Lauge der Freiheitsstrafe im Verhältnis stehenden Dauer. Die Ge¬ fangenen haben in ihr fünf Klassen zu durchlaufen. Mit jeder höheren Klasse sind außer besondern Abzeichen durch Klappen und Ringe auch verschiedne äußere Vorteile in Betreff der Verköstigung und eines den Sträflingen später auszu¬ zahlenden kleinen Geldbetrages verbunden. Bei gutem Verhalten werden die Sträflinge aus einer niedern in eine höhere Abteilung versetzt und erhalten sodann sogenannte Zufricdenheitsmarken, die einmal im Monat ausgeteilt werdeu *) Aus Pompeji und Herculaneum, d. h. aus zwei Stüdteu zweiten Ranges, stammen die schönen Bronzen des Museums von Neapel, welche die Bewunderung der Fremden er¬ regen. Bei den Bürgern unsrer Prrwiuzialstädte würde man kaum etwas ähnliches finden. Dazu kommt, daß das Schönste, waS es in Pompeji gab, uoch gar nicht einmal dort ge¬ blieben ist. Wir wissen, daß die Bewohner nach der Katastrophe Ausgrabungen gemacht, und von dem, was sie wiederfanden, das Kostbarste sortgeschafft haben. Wir besitzen also heute nur, was man damals uicht wiederfand oder was man mitzunehmen verschmähte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/258>, abgerufen am 28.09.2024.