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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Das rote Kreuz in Deutschland.

treibung. Sie sind von schrecklicher Wirkung, aber keineswegs unwiderstehlich.
So gewaltig die neuen Waffen der Feinde der Ordnung sind, es giebt etwas
mächtigeres als sie, die alten Kräfte der sozialen Vereinigung, die wir in dem
einen Worte Staat zusammenfassen. Wäre es nicht so, dann würde man an
der bürgerlichen Gesellschaft, ja an der Menschheit verzweifeln müssen. Dieselbe
wäre dann bestimmt, in den Zustand der Barbarei zurückzuversinken, aus dem
sie durch die Bildung von Staaten herausgehoben wurde, und zu dem sie rasch
wieder umkehren würde, wenn es sich zeigte, daß das Individuum, von der
Wissenschaft bewaffnet, stärker als die Gesamtheit wäre. Die Fenier werden
England nicht in andre Bahnen lenken, ob sie daheim oder in Irland angreifen,
sie werden im Gegenteil über kurz oder laug unterliegen. Als sie Cavendish
und Bourke erdolchten, traten unverzüglich zwei andre energische Männer an deren
Stelle, die mit der strengsten Zwangsakte versehen wurden, die seit dem Be¬
stehen der Union ergangen ist, und die "Politik der Explosionen" in England
wird ihnen nichts besseres eintragen als die "Politik des Meuchelmordes" in
Irland.




Das rote Kreuz in Deutschland.

le freiwillige Krankenpflege hat während der letzten Jahrzehnte
in unserm Vaterlande immer mehr Boden gewonnen. Die be¬
treffenden Vereine haben ihre Ziele weiter gesteckt und in immer
steigendem Maße die Neigung zu festem, innerm Zusammenschluß
bekundet und sind so imstande gewesen, in Krieg und Frieden
bereits großes und segensreiches zu leisten. Namentlich in den Zeiten schwerer
Kriegsnot tritt recht augenscheinlich das Verdienst der Männer und Frauen,
der Vereine und Genossenschaften zu Tage, welche bestrebt sind, den Sanitäts¬
behörden des Heeres an die Hand zu gehen in der Pflege verwundeter und
kranker Krieger, in der Sorge um deren Unterbringung und Behandlung und
in dem Streben nach Beschaffung von Linderungsmitteln und Annehmlichkeiten
aller Art, wie sie die knapp bemessenen staatlichen Mittel nicht zu gewähren
imstande sind. Denn wenn auch die modernen Kriege nach dem Prozentsatz der
Gefallenen und Verwundeten nicht so blutig sein mögen wie die Schlachten
früherer Feldzüge, so muß doch die absolute Ziffer der Kampfunfähigen mit den
Massen, welche die allgemeine Wehrpflicht jetzt allenthalben ins Feld führt, sich
fortwährend steigern und dem militärärztlichen Personal die Bewältigung seiner
Aufgabe fast bis zur Unmöglichkeit erschweren. Andrerseits erscheint es nur zu


Das rote Kreuz in Deutschland.

treibung. Sie sind von schrecklicher Wirkung, aber keineswegs unwiderstehlich.
So gewaltig die neuen Waffen der Feinde der Ordnung sind, es giebt etwas
mächtigeres als sie, die alten Kräfte der sozialen Vereinigung, die wir in dem
einen Worte Staat zusammenfassen. Wäre es nicht so, dann würde man an
der bürgerlichen Gesellschaft, ja an der Menschheit verzweifeln müssen. Dieselbe
wäre dann bestimmt, in den Zustand der Barbarei zurückzuversinken, aus dem
sie durch die Bildung von Staaten herausgehoben wurde, und zu dem sie rasch
wieder umkehren würde, wenn es sich zeigte, daß das Individuum, von der
Wissenschaft bewaffnet, stärker als die Gesamtheit wäre. Die Fenier werden
England nicht in andre Bahnen lenken, ob sie daheim oder in Irland angreifen,
sie werden im Gegenteil über kurz oder laug unterliegen. Als sie Cavendish
und Bourke erdolchten, traten unverzüglich zwei andre energische Männer an deren
Stelle, die mit der strengsten Zwangsakte versehen wurden, die seit dem Be¬
stehen der Union ergangen ist, und die „Politik der Explosionen" in England
wird ihnen nichts besseres eintragen als die „Politik des Meuchelmordes" in
Irland.




Das rote Kreuz in Deutschland.

le freiwillige Krankenpflege hat während der letzten Jahrzehnte
in unserm Vaterlande immer mehr Boden gewonnen. Die be¬
treffenden Vereine haben ihre Ziele weiter gesteckt und in immer
steigendem Maße die Neigung zu festem, innerm Zusammenschluß
bekundet und sind so imstande gewesen, in Krieg und Frieden
bereits großes und segensreiches zu leisten. Namentlich in den Zeiten schwerer
Kriegsnot tritt recht augenscheinlich das Verdienst der Männer und Frauen,
der Vereine und Genossenschaften zu Tage, welche bestrebt sind, den Sanitäts¬
behörden des Heeres an die Hand zu gehen in der Pflege verwundeter und
kranker Krieger, in der Sorge um deren Unterbringung und Behandlung und
in dem Streben nach Beschaffung von Linderungsmitteln und Annehmlichkeiten
aller Art, wie sie die knapp bemessenen staatlichen Mittel nicht zu gewähren
imstande sind. Denn wenn auch die modernen Kriege nach dem Prozentsatz der
Gefallenen und Verwundeten nicht so blutig sein mögen wie die Schlachten
früherer Feldzüge, so muß doch die absolute Ziffer der Kampfunfähigen mit den
Massen, welche die allgemeine Wehrpflicht jetzt allenthalben ins Feld führt, sich
fortwährend steigern und dem militärärztlichen Personal die Bewältigung seiner
Aufgabe fast bis zur Unmöglichkeit erschweren. Andrerseits erscheint es nur zu


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/18>, abgerufen am 29.06.2024.