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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Die deutsche Flotte.

Daß andre es ihm nachzumachen suchen, ist begreiflich; und erreicht ihn
auch keiner in grotesken Wendungen und in jenen Kraftleistungen, welche im
Theaterjargou "Kulissenreißerei" genannt werden, so stören sie doch das übrigens
so löbliche "Ensemble." Maßhalten, ihr Herren! Dieses Lächerlichmachen eines
Großenhainer Gastwirts, auf dessen Kosten mit dem Feldmarschall angebunden
wurde, dies Forschen nach persönlichen Interessen, so oft eine gemeinnützige
Maßregel vorgeschlagen wird, dies Geschrei: "Ihr treibt Wahlpolitik!" womit
doch zugegeben wird, daß die Wähler die angefeindeten Ansichten teilen -- alles
das geht über den Spaß, verdirbt euer eignes Konzept. Denn die Menge
unterscheidet nicht. Sie sagt nicht: "Fort mit den sogenannten Volksvertretern,
welche sich geberden, als sei das Volk um ihretwillen dn!" sondern: "Wozu der
ganze Vertretungslnxus? Damit die Staatsmaschine in ihrem geregelten Gange
gehemmt, damit sonndsoviele Ries Papier vollgeredet werden? Das ist uns die
Mühe des Wählers und die Kosten nicht wert. Fort damit!"

Drum sagen wir, es ist an der Zeit, die Masken zu lüften. Der Zweck,
den Parlamentarismus unpopulär zu machen, ist vollauf erreicht. Wird das
Tendenzschanspiel noch länger fortgesetzt, so könnte es einen die wohlwollenden
Spieler selbst höchlichst überraschenden Ausgang nehmen.




Die deutsche Flotte.

s gab eine Zeit, wo der deutsche Kaufmann in dem Getriebe des
Welthandels an erster Stelle stand. Die Handelsbeziehungen des
in seiner Blütezeit mehr als siebzig Städte umfassenden Städte¬
bundes der Hanse waren weit verzweigt, und die zahlreichen Ver¬
kehrslinien deutscher Geschäftigkeit reichten vom äußersten Norden
bis nach Italien, vom Atlantischen Ozean bis weit nach dem Innern Rußlands
hinein und umspannten in gleicher Weise die bekannten Meere. Mit dem weit¬
schauenden Blicke des großen Handelsherrn verbanden die Hanseaten auch ein
hohes Maß kriegerischer Tüchtigkeit. Da keine Staatsflagge ihren Handel schützte,
so verwandelten sich die mit reichen Gütern beladenen Kauffahrer häufig genug
zu eignem Schutze in wohlbewehrte Kriegsschiffe, welche mit Energie und Ge¬
schick dem Feinde zu trotzen verstanden; ja in seiner Gemeinschaft fühlte der
Hansebund sich wiederholt stark genug, selbst Königen mit Erfolg die Spitze
zu bieten.


Die deutsche Flotte.

Daß andre es ihm nachzumachen suchen, ist begreiflich; und erreicht ihn
auch keiner in grotesken Wendungen und in jenen Kraftleistungen, welche im
Theaterjargou „Kulissenreißerei" genannt werden, so stören sie doch das übrigens
so löbliche „Ensemble." Maßhalten, ihr Herren! Dieses Lächerlichmachen eines
Großenhainer Gastwirts, auf dessen Kosten mit dem Feldmarschall angebunden
wurde, dies Forschen nach persönlichen Interessen, so oft eine gemeinnützige
Maßregel vorgeschlagen wird, dies Geschrei: „Ihr treibt Wahlpolitik!" womit
doch zugegeben wird, daß die Wähler die angefeindeten Ansichten teilen — alles
das geht über den Spaß, verdirbt euer eignes Konzept. Denn die Menge
unterscheidet nicht. Sie sagt nicht: „Fort mit den sogenannten Volksvertretern,
welche sich geberden, als sei das Volk um ihretwillen dn!" sondern: „Wozu der
ganze Vertretungslnxus? Damit die Staatsmaschine in ihrem geregelten Gange
gehemmt, damit sonndsoviele Ries Papier vollgeredet werden? Das ist uns die
Mühe des Wählers und die Kosten nicht wert. Fort damit!"

Drum sagen wir, es ist an der Zeit, die Masken zu lüften. Der Zweck,
den Parlamentarismus unpopulär zu machen, ist vollauf erreicht. Wird das
Tendenzschanspiel noch länger fortgesetzt, so könnte es einen die wohlwollenden
Spieler selbst höchlichst überraschenden Ausgang nehmen.




Die deutsche Flotte.

s gab eine Zeit, wo der deutsche Kaufmann in dem Getriebe des
Welthandels an erster Stelle stand. Die Handelsbeziehungen des
in seiner Blütezeit mehr als siebzig Städte umfassenden Städte¬
bundes der Hanse waren weit verzweigt, und die zahlreichen Ver¬
kehrslinien deutscher Geschäftigkeit reichten vom äußersten Norden
bis nach Italien, vom Atlantischen Ozean bis weit nach dem Innern Rußlands
hinein und umspannten in gleicher Weise die bekannten Meere. Mit dem weit¬
schauenden Blicke des großen Handelsherrn verbanden die Hanseaten auch ein
hohes Maß kriegerischer Tüchtigkeit. Da keine Staatsflagge ihren Handel schützte,
so verwandelten sich die mit reichen Gütern beladenen Kauffahrer häufig genug
zu eignem Schutze in wohlbewehrte Kriegsschiffe, welche mit Energie und Ge¬
schick dem Feinde zu trotzen verstanden; ja in seiner Gemeinschaft fühlte der
Hansebund sich wiederholt stark genug, selbst Königen mit Erfolg die Spitze
zu bieten.


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[0453] Die deutsche Flotte. Daß andre es ihm nachzumachen suchen, ist begreiflich; und erreicht ihn auch keiner in grotesken Wendungen und in jenen Kraftleistungen, welche im Theaterjargou „Kulissenreißerei" genannt werden, so stören sie doch das übrigens so löbliche „Ensemble." Maßhalten, ihr Herren! Dieses Lächerlichmachen eines Großenhainer Gastwirts, auf dessen Kosten mit dem Feldmarschall angebunden wurde, dies Forschen nach persönlichen Interessen, so oft eine gemeinnützige Maßregel vorgeschlagen wird, dies Geschrei: „Ihr treibt Wahlpolitik!" womit doch zugegeben wird, daß die Wähler die angefeindeten Ansichten teilen — alles das geht über den Spaß, verdirbt euer eignes Konzept. Denn die Menge unterscheidet nicht. Sie sagt nicht: „Fort mit den sogenannten Volksvertretern, welche sich geberden, als sei das Volk um ihretwillen dn!" sondern: „Wozu der ganze Vertretungslnxus? Damit die Staatsmaschine in ihrem geregelten Gange gehemmt, damit sonndsoviele Ries Papier vollgeredet werden? Das ist uns die Mühe des Wählers und die Kosten nicht wert. Fort damit!" Drum sagen wir, es ist an der Zeit, die Masken zu lüften. Der Zweck, den Parlamentarismus unpopulär zu machen, ist vollauf erreicht. Wird das Tendenzschanspiel noch länger fortgesetzt, so könnte es einen die wohlwollenden Spieler selbst höchlichst überraschenden Ausgang nehmen. Die deutsche Flotte. s gab eine Zeit, wo der deutsche Kaufmann in dem Getriebe des Welthandels an erster Stelle stand. Die Handelsbeziehungen des in seiner Blütezeit mehr als siebzig Städte umfassenden Städte¬ bundes der Hanse waren weit verzweigt, und die zahlreichen Ver¬ kehrslinien deutscher Geschäftigkeit reichten vom äußersten Norden bis nach Italien, vom Atlantischen Ozean bis weit nach dem Innern Rußlands hinein und umspannten in gleicher Weise die bekannten Meere. Mit dem weit¬ schauenden Blicke des großen Handelsherrn verbanden die Hanseaten auch ein hohes Maß kriegerischer Tüchtigkeit. Da keine Staatsflagge ihren Handel schützte, so verwandelten sich die mit reichen Gütern beladenen Kauffahrer häufig genug zu eignem Schutze in wohlbewehrte Kriegsschiffe, welche mit Energie und Ge¬ schick dem Feinde zu trotzen verstanden; ja in seiner Gemeinschaft fühlte der Hansebund sich wiederholt stark genug, selbst Königen mit Erfolg die Spitze zu bieten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/453>, abgerufen am 22.07.2024.