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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Der parlamentarische Konflikt in Frankreich.

leder einmal richten sich die Blicke der politischen Welt in Frank¬
reich und bis zu einem gewissen Grade auch jenseits der Grenzen
desselben auf das Pariser Oberhaus, und es ist, als ob die
Tage wieder gekommen wären, wo vor zwei Jahren der berufene
Artikel 7 und der Gesetzentwurf in Betreff des Lifteuskrntiniums
jene parlamentarische Körperschaft beschäftigten und schließlich von ihr verworfen
wurden. Abermals ist der französische Senat mit der Lösung einer heikeln
Frage beschäftigt, und die natürliche Folge dieser Lage der Dinge ist, daß die
öffentliche Meinung im Lande sich in zwei Lager spaltet, in deren einem man
den Senat als eine veraltete, nur hinderliche Einrichtung betrachtet, während
das andre die würdigen dreihundert Herren dieser Kammer als mögliche Retter
der bürgerlichen Gesellschaft vor dem Radikalismus preist.

Am 4. Februar wurde das gegen die Prinzen der früher regierenden
Dynastien gerichtete Proskriptionsgesetz dem Senate, wie es von den Deputirten
beschlossen worden war, vorgelegt, und obwohl der Justizminister dasselbe nicht
als dringlich bezeichnete, entschied man sich sofort, einen besondern Ausschuß zur
Vorbereitung zu wählen. Die Freunde der Maßregeln gegen die Prinzen waren
für Aufschub der Sache, unterlagen aber einer Verbindung des rechten und des
linken Zentrums. Die genannten beiden Gruppen oder Fraktionen berieten
dann getrennt über die Gesetzvorlage. In der Versammlung des linken Zen¬
trums kam es zu einer sehr lebhaften Erörterung, und namentlich Leon Sah
sprach sich mit großer Entschiedenheit gegen die Maßregeln aus. Die Deputirten-
kammer hat nach seiner Ansicht durch Beschluß derselben ihre Befugnis über¬
schritten, die sich nur auf Schaffung allgemeiner Gesetze und auf Resolutionen
erstrecke. Er sei, fuhr er fort, bereit, einer Resolution beizutreten, welche die


Grenzboten I. 18L3. 49


Der parlamentarische Konflikt in Frankreich.

leder einmal richten sich die Blicke der politischen Welt in Frank¬
reich und bis zu einem gewissen Grade auch jenseits der Grenzen
desselben auf das Pariser Oberhaus, und es ist, als ob die
Tage wieder gekommen wären, wo vor zwei Jahren der berufene
Artikel 7 und der Gesetzentwurf in Betreff des Lifteuskrntiniums
jene parlamentarische Körperschaft beschäftigten und schließlich von ihr verworfen
wurden. Abermals ist der französische Senat mit der Lösung einer heikeln
Frage beschäftigt, und die natürliche Folge dieser Lage der Dinge ist, daß die
öffentliche Meinung im Lande sich in zwei Lager spaltet, in deren einem man
den Senat als eine veraltete, nur hinderliche Einrichtung betrachtet, während
das andre die würdigen dreihundert Herren dieser Kammer als mögliche Retter
der bürgerlichen Gesellschaft vor dem Radikalismus preist.

Am 4. Februar wurde das gegen die Prinzen der früher regierenden
Dynastien gerichtete Proskriptionsgesetz dem Senate, wie es von den Deputirten
beschlossen worden war, vorgelegt, und obwohl der Justizminister dasselbe nicht
als dringlich bezeichnete, entschied man sich sofort, einen besondern Ausschuß zur
Vorbereitung zu wählen. Die Freunde der Maßregeln gegen die Prinzen waren
für Aufschub der Sache, unterlagen aber einer Verbindung des rechten und des
linken Zentrums. Die genannten beiden Gruppen oder Fraktionen berieten
dann getrennt über die Gesetzvorlage. In der Versammlung des linken Zen¬
trums kam es zu einer sehr lebhaften Erörterung, und namentlich Leon Sah
sprach sich mit großer Entschiedenheit gegen die Maßregeln aus. Die Deputirten-
kammer hat nach seiner Ansicht durch Beschluß derselben ihre Befugnis über¬
schritten, die sich nur auf Schaffung allgemeiner Gesetze und auf Resolutionen
erstrecke. Er sei, fuhr er fort, bereit, einer Resolution beizutreten, welche die


Grenzboten I. 18L3. 49
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[0393] [Abbildung] Der parlamentarische Konflikt in Frankreich. leder einmal richten sich die Blicke der politischen Welt in Frank¬ reich und bis zu einem gewissen Grade auch jenseits der Grenzen desselben auf das Pariser Oberhaus, und es ist, als ob die Tage wieder gekommen wären, wo vor zwei Jahren der berufene Artikel 7 und der Gesetzentwurf in Betreff des Lifteuskrntiniums jene parlamentarische Körperschaft beschäftigten und schließlich von ihr verworfen wurden. Abermals ist der französische Senat mit der Lösung einer heikeln Frage beschäftigt, und die natürliche Folge dieser Lage der Dinge ist, daß die öffentliche Meinung im Lande sich in zwei Lager spaltet, in deren einem man den Senat als eine veraltete, nur hinderliche Einrichtung betrachtet, während das andre die würdigen dreihundert Herren dieser Kammer als mögliche Retter der bürgerlichen Gesellschaft vor dem Radikalismus preist. Am 4. Februar wurde das gegen die Prinzen der früher regierenden Dynastien gerichtete Proskriptionsgesetz dem Senate, wie es von den Deputirten beschlossen worden war, vorgelegt, und obwohl der Justizminister dasselbe nicht als dringlich bezeichnete, entschied man sich sofort, einen besondern Ausschuß zur Vorbereitung zu wählen. Die Freunde der Maßregeln gegen die Prinzen waren für Aufschub der Sache, unterlagen aber einer Verbindung des rechten und des linken Zentrums. Die genannten beiden Gruppen oder Fraktionen berieten dann getrennt über die Gesetzvorlage. In der Versammlung des linken Zen¬ trums kam es zu einer sehr lebhaften Erörterung, und namentlich Leon Sah sprach sich mit großer Entschiedenheit gegen die Maßregeln aus. Die Deputirten- kammer hat nach seiner Ansicht durch Beschluß derselben ihre Befugnis über¬ schritten, die sich nur auf Schaffung allgemeiner Gesetze und auf Resolutionen erstrecke. Er sei, fuhr er fort, bereit, einer Resolution beizutreten, welche die Grenzboten I. 18L3. 49

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/393>, abgerufen am 22.07.2024.