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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Der zweite Pariser Arach.

nicht sehen, wie groß die Welt ist, und wieviel Raum zivilisirten Ansiedlern
noch offen liegt/'

Ob England ganz so unbesorgt und neidlos auf die französische Kolonial-
politik blickt, wie hier versichert wird, wollen wir unerörtert lassen. Ein Frage¬
zeichen daneben wird erlaubt sein. Dagegen kann von Deutschland mit aller
Bestimmtheit behauptet werden, daß es ohne irgendwelche Mißgunst jene Politik
sich weiter entwickeln und die größten Dimensionen annehmen sehen würde --
ohne Mißgunst, ja mit aufrichtigem Wohlgefallen.




Der zweite pariser Krach.
2. "

er finanzielle Einfluß Rothschilds in Frankreich, der unter Na
poleo" einwurzelte, unter der Restauration wuchs und sich aus¬
breitete, unter Louis Philipp zur Blüte tum und jetzt Früchte
trägt, war damals schon oft ein politischer, obgleich die Reklame,
welche Rothschild immer aufs ungeheuerlichste zu benutzen ver¬
stände" hat -- man darf nicht vergessen, daß es nicht bloß Zeitungsreklame giebt -- ,
immer einen finanziellen Hintergrund hatte, da den Faiseurs der Börse die Politik
immer nur als Hilfsmittel der Gewinumacherei gegolten hat und gilt. Rothschild
betonte oft, daß er der wahre Elihuburrit sei. Er vertrage sich mit allen Par¬
teien und Regierungen. Dies behauptete z> B. die "Allgemeine Zeitung," die
den Einflüssen Rothschilds immer zugänglich war, schon vor vierzig Jahren:
"Das Haus Rothschild gehört keiner politischen Partei an; die Rothschild? sind
die Freunde des Königtums,*) der Gesetzlichkeit (?!) und des Friedens, und als
solche konnten sie ihren überwiegenden finanziellen Einfluß unter den hertrogenen
Ministerien eines Decazes, Villsle, Martignac und Polignac wie unter der Re¬
gierung des Königs Louis Philipp bewahren." Rothschild fand sogar für gut,
im Jahre 1840, gelegentlich des Thiersschen Rheingcschreies, sür sich als Friedens¬
träger Reklame machen zu lassen. Es kam dann zum Zeitnngskampfe zwischen
beiden, und als die Politik Thiers' scheiterte, wurde dies thatsächlich von vielen
Seiten dem übermächtigen Einflüsse Rothschilds zugeschrieben. Schon damals
sah man die politische Hauptstütze der Macht Rothschilds und des zunehmenden



*) Sie waren seitdem die "Freunde" der Republik, des Kaisertums und wieder der
Republik. Gott behüte jeden Staat vor solchen Freunden!
Der zweite Pariser Arach.

nicht sehen, wie groß die Welt ist, und wieviel Raum zivilisirten Ansiedlern
noch offen liegt/'

Ob England ganz so unbesorgt und neidlos auf die französische Kolonial-
politik blickt, wie hier versichert wird, wollen wir unerörtert lassen. Ein Frage¬
zeichen daneben wird erlaubt sein. Dagegen kann von Deutschland mit aller
Bestimmtheit behauptet werden, daß es ohne irgendwelche Mißgunst jene Politik
sich weiter entwickeln und die größten Dimensionen annehmen sehen würde —
ohne Mißgunst, ja mit aufrichtigem Wohlgefallen.




Der zweite pariser Krach.
2. "

er finanzielle Einfluß Rothschilds in Frankreich, der unter Na
poleo» einwurzelte, unter der Restauration wuchs und sich aus¬
breitete, unter Louis Philipp zur Blüte tum und jetzt Früchte
trägt, war damals schon oft ein politischer, obgleich die Reklame,
welche Rothschild immer aufs ungeheuerlichste zu benutzen ver¬
stände» hat — man darf nicht vergessen, daß es nicht bloß Zeitungsreklame giebt — ,
immer einen finanziellen Hintergrund hatte, da den Faiseurs der Börse die Politik
immer nur als Hilfsmittel der Gewinumacherei gegolten hat und gilt. Rothschild
betonte oft, daß er der wahre Elihuburrit sei. Er vertrage sich mit allen Par¬
teien und Regierungen. Dies behauptete z> B. die „Allgemeine Zeitung," die
den Einflüssen Rothschilds immer zugänglich war, schon vor vierzig Jahren:
„Das Haus Rothschild gehört keiner politischen Partei an; die Rothschild? sind
die Freunde des Königtums,*) der Gesetzlichkeit (?!) und des Friedens, und als
solche konnten sie ihren überwiegenden finanziellen Einfluß unter den hertrogenen
Ministerien eines Decazes, Villsle, Martignac und Polignac wie unter der Re¬
gierung des Königs Louis Philipp bewahren." Rothschild fand sogar für gut,
im Jahre 1840, gelegentlich des Thiersschen Rheingcschreies, sür sich als Friedens¬
träger Reklame machen zu lassen. Es kam dann zum Zeitnngskampfe zwischen
beiden, und als die Politik Thiers' scheiterte, wurde dies thatsächlich von vielen
Seiten dem übermächtigen Einflüsse Rothschilds zugeschrieben. Schon damals
sah man die politische Hauptstütze der Macht Rothschilds und des zunehmenden



*) Sie waren seitdem die „Freunde" der Republik, des Kaisertums und wieder der
Republik. Gott behüte jeden Staat vor solchen Freunden!
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[0296] Der zweite Pariser Arach. nicht sehen, wie groß die Welt ist, und wieviel Raum zivilisirten Ansiedlern noch offen liegt/' Ob England ganz so unbesorgt und neidlos auf die französische Kolonial- politik blickt, wie hier versichert wird, wollen wir unerörtert lassen. Ein Frage¬ zeichen daneben wird erlaubt sein. Dagegen kann von Deutschland mit aller Bestimmtheit behauptet werden, daß es ohne irgendwelche Mißgunst jene Politik sich weiter entwickeln und die größten Dimensionen annehmen sehen würde — ohne Mißgunst, ja mit aufrichtigem Wohlgefallen. Der zweite pariser Krach. 2. " er finanzielle Einfluß Rothschilds in Frankreich, der unter Na poleo» einwurzelte, unter der Restauration wuchs und sich aus¬ breitete, unter Louis Philipp zur Blüte tum und jetzt Früchte trägt, war damals schon oft ein politischer, obgleich die Reklame, welche Rothschild immer aufs ungeheuerlichste zu benutzen ver¬ stände» hat — man darf nicht vergessen, daß es nicht bloß Zeitungsreklame giebt — , immer einen finanziellen Hintergrund hatte, da den Faiseurs der Börse die Politik immer nur als Hilfsmittel der Gewinumacherei gegolten hat und gilt. Rothschild betonte oft, daß er der wahre Elihuburrit sei. Er vertrage sich mit allen Par¬ teien und Regierungen. Dies behauptete z> B. die „Allgemeine Zeitung," die den Einflüssen Rothschilds immer zugänglich war, schon vor vierzig Jahren: „Das Haus Rothschild gehört keiner politischen Partei an; die Rothschild? sind die Freunde des Königtums,*) der Gesetzlichkeit (?!) und des Friedens, und als solche konnten sie ihren überwiegenden finanziellen Einfluß unter den hertrogenen Ministerien eines Decazes, Villsle, Martignac und Polignac wie unter der Re¬ gierung des Königs Louis Philipp bewahren." Rothschild fand sogar für gut, im Jahre 1840, gelegentlich des Thiersschen Rheingcschreies, sür sich als Friedens¬ träger Reklame machen zu lassen. Es kam dann zum Zeitnngskampfe zwischen beiden, und als die Politik Thiers' scheiterte, wurde dies thatsächlich von vielen Seiten dem übermächtigen Einflüsse Rothschilds zugeschrieben. Schon damals sah man die politische Hauptstütze der Macht Rothschilds und des zunehmenden *) Sie waren seitdem die „Freunde" der Republik, des Kaisertums und wieder der Republik. Gott behüte jeden Staat vor solchen Freunden!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/296>, abgerufen am 22.07.2024.