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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Die Grafen von Altenschwerdt.

selbst Ehepaare, die zu ihnen ziehen, hören auf ehelich vereinigt zu sein. Auch
außerdem haben sie noch besondre Grundsätze in sittlicher und religiöser Hinsicht,
Dorothea sah ihn verwundert an.

Und stimmen Sie mit den Ansichten der Shaker überein? fragte sie.

Ich schätze das, was gut bei ihnen ist, erwiederte Eberhardt, aber verkenne
auch nicht ihre Schwächen,

Dorothea glaubte eine gewisse Befangenheit in seinem Wesen zu bemerken,
und sie brach das Gespräch ab, indem sie zur Rückkehr nach dem Schlosse auf¬
forderte und dann von neuem über die Kunst zu sprechen anfing.

So kehrten sie in weitem Bogen zu der Halle zurück, wo inzwischen die
Abendtafel gedeckt worden war.




Sechstes Aapitel.

Dieser junge Herr hat einen etwas fremdländischen Accent in seiner Sprache,
sagte der alte General zu seinem Freunde Baron Sextus, als das Paar die
Halle verlassen hatte, Ist er vielleicht ein Engländer?

Sein Name ist deutsch, und er hat ja bei uns gedient, versetzte dieser.
Aber vermutlich ist er lange im Auslande gewesen. Er hat einen schwarzen
Diener, was mir bei seiner Stellung etwas sonderbar vorkommt.

Er hat ein gutes Benehmen, gleich als ob er von Familie wäre, Ist er
von Eschenburg?

Nein, Bürgerlich, Das ist auch eine bedenkliche Sache, daß man seit
der Reorganisation so viele Bürgerliche in die Armee hat aufnehmen müssen,

Sie haben sich in den Kriegen vorzüglich geführt,

O ja, sagte Baron Sextus, Aber ich weiß doch nicht, ob sie ein Vorteil
für die Armee sind. Der große König wußte, was er that, als er die Offiziers¬
stellen zur eigentlichen Domäne für uns machte. Der Adliche ist etwas durch
sich selbst und kann nie höher steigen, als ihn die Geburt schon gestellt hat.
Die Leute aus bürgerlichem Stande aber wollen avanciren, wollen eine gute
Gage haben und sehen überhaupt auf die Vorteile, die mit dem Ofsizierstnnde
verbunden sind. Unsre Vorfahren in der Armee Friedrichs trugen alle den¬
selben Rock, Leutnants wie Generale, und es gab keine breiten und schmalen
Streifen, keine Epaulettes mit und ohne Bouillons und Kcmtillen, die in der
Neuzeit unter des Königs Offizieren Unterschiede eingeführt haben.

Man wird doch immer derartige Mittel zur Belebung des Ehrgeizes nötig
haben.

Schlimm genug, Exzellenz. Ein Offizier sollte keinen andern Ehrgeiz haben
als den der Zufriedenheit in seiner Brust, wenn er weiß, daß er seine ver¬
dammte Schuldigkeit gethan hat. Die Armee ist zu groß, und die Offizierkorps
sind zu gemischt. Dadurch ist das Strebertum ausgekommen. Die meisten


Die Grafen von Altenschwerdt.

selbst Ehepaare, die zu ihnen ziehen, hören auf ehelich vereinigt zu sein. Auch
außerdem haben sie noch besondre Grundsätze in sittlicher und religiöser Hinsicht,
Dorothea sah ihn verwundert an.

Und stimmen Sie mit den Ansichten der Shaker überein? fragte sie.

Ich schätze das, was gut bei ihnen ist, erwiederte Eberhardt, aber verkenne
auch nicht ihre Schwächen,

Dorothea glaubte eine gewisse Befangenheit in seinem Wesen zu bemerken,
und sie brach das Gespräch ab, indem sie zur Rückkehr nach dem Schlosse auf¬
forderte und dann von neuem über die Kunst zu sprechen anfing.

So kehrten sie in weitem Bogen zu der Halle zurück, wo inzwischen die
Abendtafel gedeckt worden war.




Sechstes Aapitel.

Dieser junge Herr hat einen etwas fremdländischen Accent in seiner Sprache,
sagte der alte General zu seinem Freunde Baron Sextus, als das Paar die
Halle verlassen hatte, Ist er vielleicht ein Engländer?

Sein Name ist deutsch, und er hat ja bei uns gedient, versetzte dieser.
Aber vermutlich ist er lange im Auslande gewesen. Er hat einen schwarzen
Diener, was mir bei seiner Stellung etwas sonderbar vorkommt.

Er hat ein gutes Benehmen, gleich als ob er von Familie wäre, Ist er
von Eschenburg?

Nein, Bürgerlich, Das ist auch eine bedenkliche Sache, daß man seit
der Reorganisation so viele Bürgerliche in die Armee hat aufnehmen müssen,

Sie haben sich in den Kriegen vorzüglich geführt,

O ja, sagte Baron Sextus, Aber ich weiß doch nicht, ob sie ein Vorteil
für die Armee sind. Der große König wußte, was er that, als er die Offiziers¬
stellen zur eigentlichen Domäne für uns machte. Der Adliche ist etwas durch
sich selbst und kann nie höher steigen, als ihn die Geburt schon gestellt hat.
Die Leute aus bürgerlichem Stande aber wollen avanciren, wollen eine gute
Gage haben und sehen überhaupt auf die Vorteile, die mit dem Ofsizierstnnde
verbunden sind. Unsre Vorfahren in der Armee Friedrichs trugen alle den¬
selben Rock, Leutnants wie Generale, und es gab keine breiten und schmalen
Streifen, keine Epaulettes mit und ohne Bouillons und Kcmtillen, die in der
Neuzeit unter des Königs Offizieren Unterschiede eingeführt haben.

Man wird doch immer derartige Mittel zur Belebung des Ehrgeizes nötig
haben.

Schlimm genug, Exzellenz. Ein Offizier sollte keinen andern Ehrgeiz haben
als den der Zufriedenheit in seiner Brust, wenn er weiß, daß er seine ver¬
dammte Schuldigkeit gethan hat. Die Armee ist zu groß, und die Offizierkorps
sind zu gemischt. Dadurch ist das Strebertum ausgekommen. Die meisten


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[0172] Die Grafen von Altenschwerdt. selbst Ehepaare, die zu ihnen ziehen, hören auf ehelich vereinigt zu sein. Auch außerdem haben sie noch besondre Grundsätze in sittlicher und religiöser Hinsicht, Dorothea sah ihn verwundert an. Und stimmen Sie mit den Ansichten der Shaker überein? fragte sie. Ich schätze das, was gut bei ihnen ist, erwiederte Eberhardt, aber verkenne auch nicht ihre Schwächen, Dorothea glaubte eine gewisse Befangenheit in seinem Wesen zu bemerken, und sie brach das Gespräch ab, indem sie zur Rückkehr nach dem Schlosse auf¬ forderte und dann von neuem über die Kunst zu sprechen anfing. So kehrten sie in weitem Bogen zu der Halle zurück, wo inzwischen die Abendtafel gedeckt worden war. Sechstes Aapitel. Dieser junge Herr hat einen etwas fremdländischen Accent in seiner Sprache, sagte der alte General zu seinem Freunde Baron Sextus, als das Paar die Halle verlassen hatte, Ist er vielleicht ein Engländer? Sein Name ist deutsch, und er hat ja bei uns gedient, versetzte dieser. Aber vermutlich ist er lange im Auslande gewesen. Er hat einen schwarzen Diener, was mir bei seiner Stellung etwas sonderbar vorkommt. Er hat ein gutes Benehmen, gleich als ob er von Familie wäre, Ist er von Eschenburg? Nein, Bürgerlich, Das ist auch eine bedenkliche Sache, daß man seit der Reorganisation so viele Bürgerliche in die Armee hat aufnehmen müssen, Sie haben sich in den Kriegen vorzüglich geführt, O ja, sagte Baron Sextus, Aber ich weiß doch nicht, ob sie ein Vorteil für die Armee sind. Der große König wußte, was er that, als er die Offiziers¬ stellen zur eigentlichen Domäne für uns machte. Der Adliche ist etwas durch sich selbst und kann nie höher steigen, als ihn die Geburt schon gestellt hat. Die Leute aus bürgerlichem Stande aber wollen avanciren, wollen eine gute Gage haben und sehen überhaupt auf die Vorteile, die mit dem Ofsizierstnnde verbunden sind. Unsre Vorfahren in der Armee Friedrichs trugen alle den¬ selben Rock, Leutnants wie Generale, und es gab keine breiten und schmalen Streifen, keine Epaulettes mit und ohne Bouillons und Kcmtillen, die in der Neuzeit unter des Königs Offizieren Unterschiede eingeführt haben. Man wird doch immer derartige Mittel zur Belebung des Ehrgeizes nötig haben. Schlimm genug, Exzellenz. Ein Offizier sollte keinen andern Ehrgeiz haben als den der Zufriedenheit in seiner Brust, wenn er weiß, daß er seine ver¬ dammte Schuldigkeit gethan hat. Die Armee ist zu groß, und die Offizierkorps sind zu gemischt. Dadurch ist das Strebertum ausgekommen. Die meisten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/172>, abgerufen am 22.07.2024.