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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Die Grafen von Altenschwerdt,

denken nicht mehr an ihre Aufgabe, durch ein ritterliches Leben das Vorbild
wahrer Tugenden und damit der feste Halt des Staates zu sein, sondern sie
wollen Karriere machen. Viele wollen sogar ein angenehmes Leben führen, hei¬
raten reiche Frauen aus der Plebs und geben sich durch die Uniform ein Relief,
das ihnen die eigne unbedeutende Persönlichkeit nicht verleihen kann. Durch
solche Leute werden die Offizierkorps nicht gehoben und wird die Kameradschaft
nicht verbessert. Der Rang und nun gar das Geld sollten in der Armee keine
Rolle spielen. Die Offiziere sollten sich alle gleich sein und nur in dienstlicher
Tüchtigkeit miteinander wetteifern, das ist Kameradschaft, Wo aber Adliche
und Bürgerliche in einem Korps stehen, wo an den Offizierstischen Wein ge¬
trunken und gut gegessen wird, wo einzelne ein Haus machen, weil sie reich
geheiratet haben, wo die Herren einander den Rang ablaufen möchten, um sich
bei den Vorgesetzten beliebt zu machen und in die Höhe zu kommen, da kann
keine Kameradschaft gedeihen. Unser allergnädigster Herr schläft in einem eisernen
Feldbett, mit seinem Mantel zugedeckt, und ist, obwohl er sich den achtziger
nähert, vom frühen Morgen bis in die späte Nacht an der Arbeit für das
Wohl des Staates, Das sollten sich alle Offiziere zum Vorbild nehmen und
nachahmen, aber die meisten begnügen sich damit, es zu bewundern.

Ich meine doch, Sie gehen da etwas zu weit, lieber Baron, sagte der
Graf, Die Zeiten haben sich geändert, und die bürgerlichen Stunde haben an
Bildung solche Fortschritte gemacht, daß sie nicht mehr von den Osfiziersstellen
ausgeschlossen werden können, Haben doch die großen Kriege, welche wir sieg¬
reich gegen Österreich und Frankreich geführt haben, deutlich gezeigt, daß die
edeln Eigenschaften des Mutes und der Treue wie der Intelligenz ebensowohl
bei den bürgerlichen wie bei den adlichen Offizieren gefunden werden, und daß
eine echte Kameradschaft auch in den gemischten Korps sich glänzend gezeigt hat.

Das will ich nicht leugnen. Aber trotzdem liegt eine große Gefahr darin,
daß massenhaft Leute aus den erwerbenden Standen sowohl in die Linie als
in die Reserven als Offiziere aufgenommen werden, und daß die alte preußische
Armee durch Allianz mit den mittel- und süddeutschen Kontingenten ihre scharfen
Konturen einbüßt. Gerade diese Bildung, von der Sie sprechen, Exzellenz, ist
das allergefährlichste, denn es heißt nichts andres, als das Schreibervolk, das
seit der französischen Revolution schon im ganzen Lande überwuchert, auch noch
in die Armee einbürgern und damit den einzigen bis jetzt zuverlässigen Halt
des Staates unterminiren. Lassen Sie einmal bewegte Zeiten kommen, wie das
verfluchte Jahr achtundvierzig, wo die Professoren regieren wollten, dann werden
wir sehen, was alle diese gebildeten Leute, Offiziere und Einjährige aus den
bürgerlichen Klassen, diese Tiefenbacher, in der Armee für einen Wert
haben. Sie sind alle mit den sogenannten liberalen Ideen großgesäugt, die wie
Mäuse und Holzwürmer und Mauerschwamm am Fundamente des Staates
nagen, wühlen und zehren. Diese Milch ist in ihr Blut übergegangen, und es


Die Grafen von Altenschwerdt,

denken nicht mehr an ihre Aufgabe, durch ein ritterliches Leben das Vorbild
wahrer Tugenden und damit der feste Halt des Staates zu sein, sondern sie
wollen Karriere machen. Viele wollen sogar ein angenehmes Leben führen, hei¬
raten reiche Frauen aus der Plebs und geben sich durch die Uniform ein Relief,
das ihnen die eigne unbedeutende Persönlichkeit nicht verleihen kann. Durch
solche Leute werden die Offizierkorps nicht gehoben und wird die Kameradschaft
nicht verbessert. Der Rang und nun gar das Geld sollten in der Armee keine
Rolle spielen. Die Offiziere sollten sich alle gleich sein und nur in dienstlicher
Tüchtigkeit miteinander wetteifern, das ist Kameradschaft, Wo aber Adliche
und Bürgerliche in einem Korps stehen, wo an den Offizierstischen Wein ge¬
trunken und gut gegessen wird, wo einzelne ein Haus machen, weil sie reich
geheiratet haben, wo die Herren einander den Rang ablaufen möchten, um sich
bei den Vorgesetzten beliebt zu machen und in die Höhe zu kommen, da kann
keine Kameradschaft gedeihen. Unser allergnädigster Herr schläft in einem eisernen
Feldbett, mit seinem Mantel zugedeckt, und ist, obwohl er sich den achtziger
nähert, vom frühen Morgen bis in die späte Nacht an der Arbeit für das
Wohl des Staates, Das sollten sich alle Offiziere zum Vorbild nehmen und
nachahmen, aber die meisten begnügen sich damit, es zu bewundern.

Ich meine doch, Sie gehen da etwas zu weit, lieber Baron, sagte der
Graf, Die Zeiten haben sich geändert, und die bürgerlichen Stunde haben an
Bildung solche Fortschritte gemacht, daß sie nicht mehr von den Osfiziersstellen
ausgeschlossen werden können, Haben doch die großen Kriege, welche wir sieg¬
reich gegen Österreich und Frankreich geführt haben, deutlich gezeigt, daß die
edeln Eigenschaften des Mutes und der Treue wie der Intelligenz ebensowohl
bei den bürgerlichen wie bei den adlichen Offizieren gefunden werden, und daß
eine echte Kameradschaft auch in den gemischten Korps sich glänzend gezeigt hat.

Das will ich nicht leugnen. Aber trotzdem liegt eine große Gefahr darin,
daß massenhaft Leute aus den erwerbenden Standen sowohl in die Linie als
in die Reserven als Offiziere aufgenommen werden, und daß die alte preußische
Armee durch Allianz mit den mittel- und süddeutschen Kontingenten ihre scharfen
Konturen einbüßt. Gerade diese Bildung, von der Sie sprechen, Exzellenz, ist
das allergefährlichste, denn es heißt nichts andres, als das Schreibervolk, das
seit der französischen Revolution schon im ganzen Lande überwuchert, auch noch
in die Armee einbürgern und damit den einzigen bis jetzt zuverlässigen Halt
des Staates unterminiren. Lassen Sie einmal bewegte Zeiten kommen, wie das
verfluchte Jahr achtundvierzig, wo die Professoren regieren wollten, dann werden
wir sehen, was alle diese gebildeten Leute, Offiziere und Einjährige aus den
bürgerlichen Klassen, diese Tiefenbacher, in der Armee für einen Wert
haben. Sie sind alle mit den sogenannten liberalen Ideen großgesäugt, die wie
Mäuse und Holzwürmer und Mauerschwamm am Fundamente des Staates
nagen, wühlen und zehren. Diese Milch ist in ihr Blut übergegangen, und es


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[0173] Die Grafen von Altenschwerdt, denken nicht mehr an ihre Aufgabe, durch ein ritterliches Leben das Vorbild wahrer Tugenden und damit der feste Halt des Staates zu sein, sondern sie wollen Karriere machen. Viele wollen sogar ein angenehmes Leben führen, hei¬ raten reiche Frauen aus der Plebs und geben sich durch die Uniform ein Relief, das ihnen die eigne unbedeutende Persönlichkeit nicht verleihen kann. Durch solche Leute werden die Offizierkorps nicht gehoben und wird die Kameradschaft nicht verbessert. Der Rang und nun gar das Geld sollten in der Armee keine Rolle spielen. Die Offiziere sollten sich alle gleich sein und nur in dienstlicher Tüchtigkeit miteinander wetteifern, das ist Kameradschaft, Wo aber Adliche und Bürgerliche in einem Korps stehen, wo an den Offizierstischen Wein ge¬ trunken und gut gegessen wird, wo einzelne ein Haus machen, weil sie reich geheiratet haben, wo die Herren einander den Rang ablaufen möchten, um sich bei den Vorgesetzten beliebt zu machen und in die Höhe zu kommen, da kann keine Kameradschaft gedeihen. Unser allergnädigster Herr schläft in einem eisernen Feldbett, mit seinem Mantel zugedeckt, und ist, obwohl er sich den achtziger nähert, vom frühen Morgen bis in die späte Nacht an der Arbeit für das Wohl des Staates, Das sollten sich alle Offiziere zum Vorbild nehmen und nachahmen, aber die meisten begnügen sich damit, es zu bewundern. Ich meine doch, Sie gehen da etwas zu weit, lieber Baron, sagte der Graf, Die Zeiten haben sich geändert, und die bürgerlichen Stunde haben an Bildung solche Fortschritte gemacht, daß sie nicht mehr von den Osfiziersstellen ausgeschlossen werden können, Haben doch die großen Kriege, welche wir sieg¬ reich gegen Österreich und Frankreich geführt haben, deutlich gezeigt, daß die edeln Eigenschaften des Mutes und der Treue wie der Intelligenz ebensowohl bei den bürgerlichen wie bei den adlichen Offizieren gefunden werden, und daß eine echte Kameradschaft auch in den gemischten Korps sich glänzend gezeigt hat. Das will ich nicht leugnen. Aber trotzdem liegt eine große Gefahr darin, daß massenhaft Leute aus den erwerbenden Standen sowohl in die Linie als in die Reserven als Offiziere aufgenommen werden, und daß die alte preußische Armee durch Allianz mit den mittel- und süddeutschen Kontingenten ihre scharfen Konturen einbüßt. Gerade diese Bildung, von der Sie sprechen, Exzellenz, ist das allergefährlichste, denn es heißt nichts andres, als das Schreibervolk, das seit der französischen Revolution schon im ganzen Lande überwuchert, auch noch in die Armee einbürgern und damit den einzigen bis jetzt zuverlässigen Halt des Staates unterminiren. Lassen Sie einmal bewegte Zeiten kommen, wie das verfluchte Jahr achtundvierzig, wo die Professoren regieren wollten, dann werden wir sehen, was alle diese gebildeten Leute, Offiziere und Einjährige aus den bürgerlichen Klassen, diese Tiefenbacher, in der Armee für einen Wert haben. Sie sind alle mit den sogenannten liberalen Ideen großgesäugt, die wie Mäuse und Holzwürmer und Mauerschwamm am Fundamente des Staates nagen, wühlen und zehren. Diese Milch ist in ihr Blut übergegangen, und es

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/173>, abgerufen am 23.07.2024.