Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.Herrn Meyers Kinder. ein Freund Meyer hat eine zahlreiche Familie, sieben Söhne und Du solltest den Jungen in die Landwirtschaft oder in die Kavallerie oder Das zweite Kind meines Freundes ist ein Mädchen. Es ist ein stilles, Die sechzehnjährige Schwester ist das gerade Gegenteil von ihr, und Frau Herrn Meyers Kinder. ein Freund Meyer hat eine zahlreiche Familie, sieben Söhne und Du solltest den Jungen in die Landwirtschaft oder in die Kavallerie oder Das zweite Kind meines Freundes ist ein Mädchen. Es ist ein stilles, Die sechzehnjährige Schwester ist das gerade Gegenteil von ihr, und Frau <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0412" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/86533"/> </div> <div n="1"> <head> Herrn Meyers Kinder.</head><lb/> <p xml:id="ID_1676"> ein Freund Meyer hat eine zahlreiche Familie, sieben Söhne und<lb/> fünf Töchter, und oft sehe ich dem Treiben der muntern Welt<lb/> in seinem Hause mit Vergnügen zu. Der älteste Sohn ist schon<lb/> achtzehn Jahre alt. Er besucht die Prima des Gymnasiums, wird<lb/> nächstens zur Universität gehen und soll Jura studiren. So hat<lb/> es sein Vater bestimmt, denn der Sohn selbst würde, wenn man ihm freie Wahl<lb/> ließe, wohl einen andern Beruf wählen. Er hat eine wahre Passion sür alles,<lb/> was mit der Landwirtschaft zusammenhängt, und er verbringt seine Mußestunden<lb/> am liebsten auf dem Hofe des gegenüber wohnenden Ökonomen, wo er Freund¬<lb/> schaft mit Herr und Knecht unterhalt. Jeder Düngerwagen und jeder Ernte¬<lb/> wagen interessirt ihn, am meisten aber sind es die Pferde, welche seine Neigung<lb/> gefesselt haben. Ich erinnere mich, daß er schon als dreijähriges Kind mitten<lb/> im kläglichsten Geschrei innehielt und zu lache» anfing, wenn ein Pferd inner¬<lb/> halb seines Gesichtskreises erschien; mit sechs Jahren kannte er alle Pferde der<lb/> kleinen Heimatstadt und konnte deren Besitzer aufzählen, und jetzt als Jüngling<lb/> ist er — wie ich als ein Geheimnis erfahren habe — der Stallmeister des<lb/> befreundeten Ökonomen. Hat dieser ein unbändiges Tier, so vertraut er es<lb/> dem achtzehnjährigen Sohne des Herrn Meyer an, und dieser bringt es zur<lb/> Raison.</p><lb/> <p xml:id="ID_1677"> Du solltest den Jungen in die Landwirtschaft oder in die Kavallerie oder<lb/> in den Marstall bringen, sagte ich zu meinem Freunde. Nein, nein, erwiederte<lb/> er kopfschüttelnd, und setzte mir auseinander, daß erst die Universität etwas<lb/> Rechtes ans der Jugend mache und den Weg zu Ehren bahne. Als König<lb/> Philipp, sagte ich darauf, es mit angesehen hatte, wie Alexander den Bucephalus<lb/> zähmte, umarmte er den Sohn und rief: Macedonien ist für dich zu klein. Herr<lb/> Meyer lachte aber und blieb bei seiner Meinung.</p><lb/> <p xml:id="ID_1678"> Das zweite Kind meines Freundes ist ein Mädchen. Es ist ein stilles,<lb/> sanftes Wesen, dem, wie es scheint, das Lernen etwas schwer fällt. Die<lb/> Mutter klagt wenigstens, daß Französisch und Englisch ihm niemals in den Kopf<lb/> wollen. Dagegen hat das Mädchen eine merkwürdige Begabung für die Musik.<lb/> Es sang schon mit vier Jahren seine kleinen Lieder durchaus richtig, und jetzt<lb/> ist die siebzehnjährige Jungfrau das Entzücken und der Stolz der Pvlyhymnia.</p><lb/> <p xml:id="ID_1679" next="#ID_1680"> Die sechzehnjährige Schwester ist das gerade Gegenteil von ihr, und Frau<lb/> Meyer sagte mir oft, es sei ihr völlig unbegreiflich, wie die beiden Mädchen,<lb/> die doch dasselbe Institut besucht und überhaupt ganz dieselbe Erziehung ge¬<lb/> nossen hätten, so durchaus verschieden sein konnten. Denn diese bringt keine</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0412]
Herrn Meyers Kinder.
ein Freund Meyer hat eine zahlreiche Familie, sieben Söhne und
fünf Töchter, und oft sehe ich dem Treiben der muntern Welt
in seinem Hause mit Vergnügen zu. Der älteste Sohn ist schon
achtzehn Jahre alt. Er besucht die Prima des Gymnasiums, wird
nächstens zur Universität gehen und soll Jura studiren. So hat
es sein Vater bestimmt, denn der Sohn selbst würde, wenn man ihm freie Wahl
ließe, wohl einen andern Beruf wählen. Er hat eine wahre Passion sür alles,
was mit der Landwirtschaft zusammenhängt, und er verbringt seine Mußestunden
am liebsten auf dem Hofe des gegenüber wohnenden Ökonomen, wo er Freund¬
schaft mit Herr und Knecht unterhalt. Jeder Düngerwagen und jeder Ernte¬
wagen interessirt ihn, am meisten aber sind es die Pferde, welche seine Neigung
gefesselt haben. Ich erinnere mich, daß er schon als dreijähriges Kind mitten
im kläglichsten Geschrei innehielt und zu lache» anfing, wenn ein Pferd inner¬
halb seines Gesichtskreises erschien; mit sechs Jahren kannte er alle Pferde der
kleinen Heimatstadt und konnte deren Besitzer aufzählen, und jetzt als Jüngling
ist er — wie ich als ein Geheimnis erfahren habe — der Stallmeister des
befreundeten Ökonomen. Hat dieser ein unbändiges Tier, so vertraut er es
dem achtzehnjährigen Sohne des Herrn Meyer an, und dieser bringt es zur
Raison.
Du solltest den Jungen in die Landwirtschaft oder in die Kavallerie oder
in den Marstall bringen, sagte ich zu meinem Freunde. Nein, nein, erwiederte
er kopfschüttelnd, und setzte mir auseinander, daß erst die Universität etwas
Rechtes ans der Jugend mache und den Weg zu Ehren bahne. Als König
Philipp, sagte ich darauf, es mit angesehen hatte, wie Alexander den Bucephalus
zähmte, umarmte er den Sohn und rief: Macedonien ist für dich zu klein. Herr
Meyer lachte aber und blieb bei seiner Meinung.
Das zweite Kind meines Freundes ist ein Mädchen. Es ist ein stilles,
sanftes Wesen, dem, wie es scheint, das Lernen etwas schwer fällt. Die
Mutter klagt wenigstens, daß Französisch und Englisch ihm niemals in den Kopf
wollen. Dagegen hat das Mädchen eine merkwürdige Begabung für die Musik.
Es sang schon mit vier Jahren seine kleinen Lieder durchaus richtig, und jetzt
ist die siebzehnjährige Jungfrau das Entzücken und der Stolz der Pvlyhymnia.
Die sechzehnjährige Schwester ist das gerade Gegenteil von ihr, und Frau
Meyer sagte mir oft, es sei ihr völlig unbegreiflich, wie die beiden Mädchen,
die doch dasselbe Institut besucht und überhaupt ganz dieselbe Erziehung ge¬
nossen hätten, so durchaus verschieden sein konnten. Denn diese bringt keine
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