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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Die Fischerin von^Malamocco.
Novelle von Adolf Stern.

(Fortsetzung.)

es ließ mich den rohen Hohn nicht anfechten, der uns manchesmal
ans nnserm Zuge traf, fuhr Margherita fort, aber wenn die
Blicke der Bauerfrauen, die ans den: Felde arbeiteten, mitleidig
auf manche von uns fielen und wenn ich abends im Lager
einzelne von den jungen Pilgern und Pilgerinnen still weinen
sub, da war mirs, als schwänden meine Sinne, als könnte ich selbst nicht
mehr ans meinen Füßen stehen. Und je weiter Nur zogen, umso schwerer
wurden die Mühen, der Weg ward stets rauher und unwirtlicher, an die Stelle
des Überflusses, den mau uns aufgedrängt, trat Maugel, die bewaffneten
Männer, welche uus begleiteten, rissen an sich, was frommer Sinn vor allem
den pilgernden Kindern gespendet. Gottfried, der Hirt, ward mit jedem Tage
bleicher, und seine Lippen öffneten sich selten noch zu tröstlicher Verkündigung,
die jauchzenden Lieder, mit denen unsre Schaaren durch das grüne, sonnenhelle
Land gefahren waren, verstummten, wie wir den himmelhohen Bergen näher und
näher kamen. Jetzt gesellten sich wenige mehr zu uns, Gottfrieds Worte wurden
"irgend mehr verstanden, und der Anblick unsers kleinen Heeres rührte wenige
zu- Andacht und zur Mildthätigkeit. Wohl aber wuchs die Not von Tag zu
Tage, meine Augen mußten unendlichen Jammer sehen, und mehr als einmal
fiel nur Herrn Geros Wort bei: Das kann Gottes Wille nicht sein. Wo eilt
Hospital der barmherzigen Brüder stand, ließen wir die Kranken zurück -- ach,
und wie viele blickten uns sterbend vom Wege her nach, denn unsre Führer
rissen uns vorwärts und verhießen Überfluß und bessre Tage in Wälschland.
Ich war noch immer vor tausenden ärmster Kinder bevorzugt, wenn auch mein
treues Pferd in der schwarzen Flut der Nvlla, des wilden Bergwassers, um¬
gekommen war und ich mit wunden Füßen neben Hedwig pilgerte. Ich mußte


Grenzlwten IV. 18L2. 71


Die Fischerin von^Malamocco.
Novelle von Adolf Stern.

(Fortsetzung.)

es ließ mich den rohen Hohn nicht anfechten, der uns manchesmal
ans nnserm Zuge traf, fuhr Margherita fort, aber wenn die
Blicke der Bauerfrauen, die ans den: Felde arbeiteten, mitleidig
auf manche von uns fielen und wenn ich abends im Lager
einzelne von den jungen Pilgern und Pilgerinnen still weinen
sub, da war mirs, als schwänden meine Sinne, als könnte ich selbst nicht
mehr ans meinen Füßen stehen. Und je weiter Nur zogen, umso schwerer
wurden die Mühen, der Weg ward stets rauher und unwirtlicher, an die Stelle
des Überflusses, den mau uns aufgedrängt, trat Maugel, die bewaffneten
Männer, welche uus begleiteten, rissen an sich, was frommer Sinn vor allem
den pilgernden Kindern gespendet. Gottfried, der Hirt, ward mit jedem Tage
bleicher, und seine Lippen öffneten sich selten noch zu tröstlicher Verkündigung,
die jauchzenden Lieder, mit denen unsre Schaaren durch das grüne, sonnenhelle
Land gefahren waren, verstummten, wie wir den himmelhohen Bergen näher und
näher kamen. Jetzt gesellten sich wenige mehr zu uns, Gottfrieds Worte wurden
»irgend mehr verstanden, und der Anblick unsers kleinen Heeres rührte wenige
zu- Andacht und zur Mildthätigkeit. Wohl aber wuchs die Not von Tag zu
Tage, meine Augen mußten unendlichen Jammer sehen, und mehr als einmal
fiel nur Herrn Geros Wort bei: Das kann Gottes Wille nicht sein. Wo eilt
Hospital der barmherzigen Brüder stand, ließen wir die Kranken zurück — ach,
und wie viele blickten uns sterbend vom Wege her nach, denn unsre Führer
rissen uns vorwärts und verhießen Überfluß und bessre Tage in Wälschland.
Ich war noch immer vor tausenden ärmster Kinder bevorzugt, wenn auch mein
treues Pferd in der schwarzen Flut der Nvlla, des wilden Bergwassers, um¬
gekommen war und ich mit wunden Füßen neben Hedwig pilgerte. Ich mußte


Grenzlwten IV. 18L2. 71
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[0565] [Abbildung] Die Fischerin von^Malamocco. Novelle von Adolf Stern. (Fortsetzung.) es ließ mich den rohen Hohn nicht anfechten, der uns manchesmal ans nnserm Zuge traf, fuhr Margherita fort, aber wenn die Blicke der Bauerfrauen, die ans den: Felde arbeiteten, mitleidig auf manche von uns fielen und wenn ich abends im Lager einzelne von den jungen Pilgern und Pilgerinnen still weinen sub, da war mirs, als schwänden meine Sinne, als könnte ich selbst nicht mehr ans meinen Füßen stehen. Und je weiter Nur zogen, umso schwerer wurden die Mühen, der Weg ward stets rauher und unwirtlicher, an die Stelle des Überflusses, den mau uns aufgedrängt, trat Maugel, die bewaffneten Männer, welche uus begleiteten, rissen an sich, was frommer Sinn vor allem den pilgernden Kindern gespendet. Gottfried, der Hirt, ward mit jedem Tage bleicher, und seine Lippen öffneten sich selten noch zu tröstlicher Verkündigung, die jauchzenden Lieder, mit denen unsre Schaaren durch das grüne, sonnenhelle Land gefahren waren, verstummten, wie wir den himmelhohen Bergen näher und näher kamen. Jetzt gesellten sich wenige mehr zu uns, Gottfrieds Worte wurden »irgend mehr verstanden, und der Anblick unsers kleinen Heeres rührte wenige zu- Andacht und zur Mildthätigkeit. Wohl aber wuchs die Not von Tag zu Tage, meine Augen mußten unendlichen Jammer sehen, und mehr als einmal fiel nur Herrn Geros Wort bei: Das kann Gottes Wille nicht sein. Wo eilt Hospital der barmherzigen Brüder stand, ließen wir die Kranken zurück — ach, und wie viele blickten uns sterbend vom Wege her nach, denn unsre Führer rissen uns vorwärts und verhießen Überfluß und bessre Tage in Wälschland. Ich war noch immer vor tausenden ärmster Kinder bevorzugt, wenn auch mein treues Pferd in der schwarzen Flut der Nvlla, des wilden Bergwassers, um¬ gekommen war und ich mit wunden Füßen neben Hedwig pilgerte. Ich mußte Grenzlwten IV. 18L2. 71

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/565>, abgerufen am 29.06.2024.