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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Die Fremdrvörterseuche.
von Herman Riegel. (Schluß.)
3. Vorschläge zur Abhilfe.

le ist das Elend, dus nun schou Jahrhunderte lang dauert und
das die Jahrhunderte als eine Schmach der deutscheu Nation ver¬
dammen, endlich zu beseitigen? Wie ist ihm beizukommen, nach¬
dem alle Ermahnungen und Bemühungen ohne dauernden Erfolg
gewesen sind? Wie ist ihm abzuhelfen, heute, wo die Frcmd-
wvrtersucht wie eine ansteckende Seuche wieder mit neuer Kraft um sich greift
und allen wohlmeinenden Absichten geradezu zu spotten scheint? Dieses weiß
ich: mit besondern Vereinen und Gesellschaften zur Bekämpfung des Übels, mit
Vorschlägen zu Verdeutschungen und mit Wörterbüchern ist im großen und auf
die Dauer nichts geholfen. Die Erfahrung lehrt es, von der Fruchtbriugendeu
Gesellschaft bis zu Leibniz und Gottsched, von Leibniz und Gottsched bis zu
Campe, und von Campe bis auf deu heutigen Tag. Alle diese Bestrebungen
wenden sich an die Einsicht des einzelnen und hoffen von dessen gutem Wille,,
Berücksichtigung und Erfolg. Es ist ihnen aber mit verschwindenden Ausnahmen
nirgends entsprochen worden.

Noch aus der allerneuesten Zeit kann ich hierfür einen Beleg beibringe,,.
Im Juni 1880 wandte sich die Redaktion des "Magazins für die Literatur
des Auslandes" mit folgender Aufforderung an ihre Mitarbeiter: "Wir richten
an unsre verehrte,, Mitarbeiter die ergebenste Bitte, sich fortan in ihren ge¬
schätzten Einsendungen nach Möglichkeit aller unnötigen Fremdwörter zu ent¬
halten. Die Gründe hierfür verstehen sich wohl von selbst. Die Redaktion,
welche sich von Schuld in dieser Beziehung selber nicht frei weiß, wird thunlichst
mit gutem Beispiel voranzugehen sich bemühen. Gerade bei der an keine Länder-
grenzcn gebundene,, Verbreitung des "Magazins" erwächst die Verpflichtung, zu
zeigen, daß die deutsche Sprache keine andern oder weniger Aulehen zu machen
nötig hat als jede andre neuere Kultursprache. Zu peinlicher Deutschtümelei
braucht selbstverständlich nicht übergegangen zu werden." Diese lobenswerte
und verständige Ausforderung hatte keinerlei sichtbare Spur eines Erfolges.
Wie ein rechter Hohn auf dieselbe erschien sogar maucher mit ganz "unnötigen"
Fremdwörtern vollgespickte Beitrag. So schrieb z, V. I. I. Honegger in Zürich
über einen neuen Roman von Tissot und Am6ro Russie rongo (1381, Ur. 2)


G"'nzboteu IV. 1882. 67
Die Fremdrvörterseuche.
von Herman Riegel. (Schluß.)
3. Vorschläge zur Abhilfe.

le ist das Elend, dus nun schou Jahrhunderte lang dauert und
das die Jahrhunderte als eine Schmach der deutscheu Nation ver¬
dammen, endlich zu beseitigen? Wie ist ihm beizukommen, nach¬
dem alle Ermahnungen und Bemühungen ohne dauernden Erfolg
gewesen sind? Wie ist ihm abzuhelfen, heute, wo die Frcmd-
wvrtersucht wie eine ansteckende Seuche wieder mit neuer Kraft um sich greift
und allen wohlmeinenden Absichten geradezu zu spotten scheint? Dieses weiß
ich: mit besondern Vereinen und Gesellschaften zur Bekämpfung des Übels, mit
Vorschlägen zu Verdeutschungen und mit Wörterbüchern ist im großen und auf
die Dauer nichts geholfen. Die Erfahrung lehrt es, von der Fruchtbriugendeu
Gesellschaft bis zu Leibniz und Gottsched, von Leibniz und Gottsched bis zu
Campe, und von Campe bis auf deu heutigen Tag. Alle diese Bestrebungen
wenden sich an die Einsicht des einzelnen und hoffen von dessen gutem Wille,,
Berücksichtigung und Erfolg. Es ist ihnen aber mit verschwindenden Ausnahmen
nirgends entsprochen worden.

Noch aus der allerneuesten Zeit kann ich hierfür einen Beleg beibringe,,.
Im Juni 1880 wandte sich die Redaktion des „Magazins für die Literatur
des Auslandes" mit folgender Aufforderung an ihre Mitarbeiter: „Wir richten
an unsre verehrte,, Mitarbeiter die ergebenste Bitte, sich fortan in ihren ge¬
schätzten Einsendungen nach Möglichkeit aller unnötigen Fremdwörter zu ent¬
halten. Die Gründe hierfür verstehen sich wohl von selbst. Die Redaktion,
welche sich von Schuld in dieser Beziehung selber nicht frei weiß, wird thunlichst
mit gutem Beispiel voranzugehen sich bemühen. Gerade bei der an keine Länder-
grenzcn gebundene,, Verbreitung des »Magazins« erwächst die Verpflichtung, zu
zeigen, daß die deutsche Sprache keine andern oder weniger Aulehen zu machen
nötig hat als jede andre neuere Kultursprache. Zu peinlicher Deutschtümelei
braucht selbstverständlich nicht übergegangen zu werden." Diese lobenswerte
und verständige Ausforderung hatte keinerlei sichtbare Spur eines Erfolges.
Wie ein rechter Hohn auf dieselbe erschien sogar maucher mit ganz „unnötigen"
Fremdwörtern vollgespickte Beitrag. So schrieb z, V. I. I. Honegger in Zürich
über einen neuen Roman von Tissot und Am6ro Russie rongo (1381, Ur. 2)


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[0533] Die Fremdrvörterseuche. von Herman Riegel. (Schluß.) 3. Vorschläge zur Abhilfe. le ist das Elend, dus nun schou Jahrhunderte lang dauert und das die Jahrhunderte als eine Schmach der deutscheu Nation ver¬ dammen, endlich zu beseitigen? Wie ist ihm beizukommen, nach¬ dem alle Ermahnungen und Bemühungen ohne dauernden Erfolg gewesen sind? Wie ist ihm abzuhelfen, heute, wo die Frcmd- wvrtersucht wie eine ansteckende Seuche wieder mit neuer Kraft um sich greift und allen wohlmeinenden Absichten geradezu zu spotten scheint? Dieses weiß ich: mit besondern Vereinen und Gesellschaften zur Bekämpfung des Übels, mit Vorschlägen zu Verdeutschungen und mit Wörterbüchern ist im großen und auf die Dauer nichts geholfen. Die Erfahrung lehrt es, von der Fruchtbriugendeu Gesellschaft bis zu Leibniz und Gottsched, von Leibniz und Gottsched bis zu Campe, und von Campe bis auf deu heutigen Tag. Alle diese Bestrebungen wenden sich an die Einsicht des einzelnen und hoffen von dessen gutem Wille,, Berücksichtigung und Erfolg. Es ist ihnen aber mit verschwindenden Ausnahmen nirgends entsprochen worden. Noch aus der allerneuesten Zeit kann ich hierfür einen Beleg beibringe,,. Im Juni 1880 wandte sich die Redaktion des „Magazins für die Literatur des Auslandes" mit folgender Aufforderung an ihre Mitarbeiter: „Wir richten an unsre verehrte,, Mitarbeiter die ergebenste Bitte, sich fortan in ihren ge¬ schätzten Einsendungen nach Möglichkeit aller unnötigen Fremdwörter zu ent¬ halten. Die Gründe hierfür verstehen sich wohl von selbst. Die Redaktion, welche sich von Schuld in dieser Beziehung selber nicht frei weiß, wird thunlichst mit gutem Beispiel voranzugehen sich bemühen. Gerade bei der an keine Länder- grenzcn gebundene,, Verbreitung des »Magazins« erwächst die Verpflichtung, zu zeigen, daß die deutsche Sprache keine andern oder weniger Aulehen zu machen nötig hat als jede andre neuere Kultursprache. Zu peinlicher Deutschtümelei braucht selbstverständlich nicht übergegangen zu werden." Diese lobenswerte und verständige Ausforderung hatte keinerlei sichtbare Spur eines Erfolges. Wie ein rechter Hohn auf dieselbe erschien sogar maucher mit ganz „unnötigen" Fremdwörtern vollgespickte Beitrag. So schrieb z, V. I. I. Honegger in Zürich über einen neuen Roman von Tissot und Am6ro Russie rongo (1381, Ur. 2) G«'nzboteu IV. 1882. 67

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/533>, abgerufen am 29.06.2024.