Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>
Der jüngste Tag.

halte, als ich sollte. Er hat ein so gutes Herz, als ich je eins gesehen habe.
Aber Vrnder Goshorn meinte, ich dürfte ihn nicht heiraten, weil er ein Un¬
gläubiger wäre.

Aber ich bin ja keiner, sagte Jonas. Ich glaube an die Bibel und alles,
was darin steht, und nebenbei um Cynthy Ann und ihre gute methodistische
Religion.

Ich denke, Sie können alle Ihre Bedenken aufgeben und, Herrn Harrismi
heiraten, ihn lieben und glücklich sein, sagte der Vorsitzende Älteste. Fürchten
Sie sich nicht, glücklich zu werden, meine Tochter. Sie werden einmal im Himmel
in guter Gesellschaft glücklich sein, und es kann nichts schaden, wenn Sie sich
schon anf Erden daran gewöhnen.

Ich sagte dir doch, ich würde einen Manu finden, der Salz geung hätte,
seine Religion wohlschmeckend zu erhalten. Und Vater Williams, Sie müssen
uns trauen, sobald Cynthy Ann bereit ist, sagte Jonas außer sich vor Behagen.

Und für einen Augenblick wich der Ausdruck zu stark gespannter Bedenk¬
lichkeit von Cynthy Anns Gesicht, und ein eigentümliches seliges Licht strahlte
aus ihren Angen.

Und die Zeit der Trauung wurde anf der Stelle festgesetzt.

Bruder Hall war ein wenig verwundert, und Bruder Gvshorn machte ein
langes Gesicht und sagte, er wüßte uicht, was aus dem guten Methodismus
^wu altem Schrot und Korn und aus deu Regeln der Kirchenzucht werden sollte,
weim die Vorsitzenden Älteste" in solcher Weise redeten. Darüber ginge die Kirche
5U Grunde.



Vierzigstes Aapitel.
Der verkauf der Farmer.

Die Flucht des Habichts dämpfte den Eifer derer, die nach Zeichen am
Himmel droben und anf der Erde hiennieden ansschanten, nicht lange. Ich habe
unen Schulmeister mit der Gerte in der Hand dastehen und einem halsstarrigen
Knaben eine bestimmte Anzahl von Minuten zum Pariren geben sehen. Der
Knabe, der sich vor keiner noch so scharfen Strafe gebeugt hätte, wurde durch
das furchtbare Warten unterwürfig. Wir haben alle die alte Schullmchgeschrchte
von dem Zuchtmeister gelesen, der auf demselben Wege eine Rotte von Verbrechern
zähmte. Der Millerismus bewirkte ähnliches. Der feste Glaube derer welche
die Botschaft vom jüngsten Tage für wahr hielten, übte eine starke Wirkung
auf andre, und das fnrchtbnre Herannahen der festgesetzten Zelt Tag anf Tag
hatte in manchen Gegenden eine geradezu grauenvolle Wirkung. Ein hervor-
Mgender Geistlicher, der zu dieser Zeit Pastor in Boston war, hat nur erzählt,
daß der Sauerteig des Adventismus damals alle religiösen Genossenschaften
durchdrungen habe und daß er selbst sich des unheimliche,, Gefühls, daß eine
Katastrophe zu erwarten sei, des Eindrucks, daß all dies erwartungsvolle Wesen
der Leute etwas zu bedeuten haben müsse, nicht habe entschlagen können. Wenn
das in Boston der Fall war, so stelle man sich die Wirkung in einer Land¬
gemeinde, wie die von Clark Township war, vor. Andrew, ein Zweifler, obwohl
Schwärmer, war beinahe der einzige, welcher der Ansteckung entging. Jonas
würde, wenn der Tag des Weltuntergangs gekommen wäre, sich mit derselben


Der jüngste Tag.

halte, als ich sollte. Er hat ein so gutes Herz, als ich je eins gesehen habe.
Aber Vrnder Goshorn meinte, ich dürfte ihn nicht heiraten, weil er ein Un¬
gläubiger wäre.

Aber ich bin ja keiner, sagte Jonas. Ich glaube an die Bibel und alles,
was darin steht, und nebenbei um Cynthy Ann und ihre gute methodistische
Religion.

Ich denke, Sie können alle Ihre Bedenken aufgeben und, Herrn Harrismi
heiraten, ihn lieben und glücklich sein, sagte der Vorsitzende Älteste. Fürchten
Sie sich nicht, glücklich zu werden, meine Tochter. Sie werden einmal im Himmel
in guter Gesellschaft glücklich sein, und es kann nichts schaden, wenn Sie sich
schon anf Erden daran gewöhnen.

Ich sagte dir doch, ich würde einen Manu finden, der Salz geung hätte,
seine Religion wohlschmeckend zu erhalten. Und Vater Williams, Sie müssen
uns trauen, sobald Cynthy Ann bereit ist, sagte Jonas außer sich vor Behagen.

Und für einen Augenblick wich der Ausdruck zu stark gespannter Bedenk¬
lichkeit von Cynthy Anns Gesicht, und ein eigentümliches seliges Licht strahlte
aus ihren Angen.

Und die Zeit der Trauung wurde anf der Stelle festgesetzt.

Bruder Hall war ein wenig verwundert, und Bruder Gvshorn machte ein
langes Gesicht und sagte, er wüßte uicht, was aus dem guten Methodismus
^wu altem Schrot und Korn und aus deu Regeln der Kirchenzucht werden sollte,
weim die Vorsitzenden Älteste« in solcher Weise redeten. Darüber ginge die Kirche
5U Grunde.



Vierzigstes Aapitel.
Der verkauf der Farmer.

Die Flucht des Habichts dämpfte den Eifer derer, die nach Zeichen am
Himmel droben und anf der Erde hiennieden ansschanten, nicht lange. Ich habe
unen Schulmeister mit der Gerte in der Hand dastehen und einem halsstarrigen
Knaben eine bestimmte Anzahl von Minuten zum Pariren geben sehen. Der
Knabe, der sich vor keiner noch so scharfen Strafe gebeugt hätte, wurde durch
das furchtbare Warten unterwürfig. Wir haben alle die alte Schullmchgeschrchte
von dem Zuchtmeister gelesen, der auf demselben Wege eine Rotte von Verbrechern
zähmte. Der Millerismus bewirkte ähnliches. Der feste Glaube derer welche
die Botschaft vom jüngsten Tage für wahr hielten, übte eine starke Wirkung
auf andre, und das fnrchtbnre Herannahen der festgesetzten Zelt Tag anf Tag
hatte in manchen Gegenden eine geradezu grauenvolle Wirkung. Ein hervor-
Mgender Geistlicher, der zu dieser Zeit Pastor in Boston war, hat nur erzählt,
daß der Sauerteig des Adventismus damals alle religiösen Genossenschaften
durchdrungen habe und daß er selbst sich des unheimliche,, Gefühls, daß eine
Katastrophe zu erwarten sei, des Eindrucks, daß all dies erwartungsvolle Wesen
der Leute etwas zu bedeuten haben müsse, nicht habe entschlagen können. Wenn
das in Boston der Fall war, so stelle man sich die Wirkung in einer Land¬
gemeinde, wie die von Clark Township war, vor. Andrew, ein Zweifler, obwohl
Schwärmer, war beinahe der einzige, welcher der Ansteckung entging. Jonas
würde, wenn der Tag des Weltuntergangs gekommen wäre, sich mit derselben


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0251" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/194229"/>
            <fw type="header" place="top"> Der jüngste Tag.</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_887" prev="#ID_886"> halte, als ich sollte. Er hat ein so gutes Herz, als ich je eins gesehen habe.<lb/>
Aber Vrnder Goshorn meinte, ich dürfte ihn nicht heiraten, weil er ein Un¬<lb/>
gläubiger wäre.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_888"> Aber ich bin ja keiner, sagte Jonas. Ich glaube an die Bibel und alles,<lb/>
was darin steht, und nebenbei um Cynthy Ann und ihre gute methodistische<lb/>
Religion.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_889"> Ich denke, Sie können alle Ihre Bedenken aufgeben und, Herrn Harrismi<lb/>
heiraten, ihn lieben und glücklich sein, sagte der Vorsitzende Älteste. Fürchten<lb/>
Sie sich nicht, glücklich zu werden, meine Tochter. Sie werden einmal im Himmel<lb/>
in guter Gesellschaft glücklich sein, und es kann nichts schaden, wenn Sie sich<lb/>
schon anf Erden daran gewöhnen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_890"> Ich sagte dir doch, ich würde einen Manu finden, der Salz geung hätte,<lb/>
seine Religion wohlschmeckend zu erhalten. Und Vater Williams, Sie müssen<lb/>
uns trauen, sobald Cynthy Ann bereit ist, sagte Jonas außer sich vor Behagen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_891"> Und für einen Augenblick wich der Ausdruck zu stark gespannter Bedenk¬<lb/>
lichkeit von Cynthy Anns Gesicht, und ein eigentümliches seliges Licht strahlte<lb/>
aus ihren Angen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_892"> Und die Zeit der Trauung wurde anf der Stelle festgesetzt.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_893"> Bruder Hall war ein wenig verwundert, und Bruder Gvshorn machte ein<lb/>
langes Gesicht und sagte, er wüßte uicht, was aus dem guten Methodismus<lb/>
^wu altem Schrot und Korn und aus deu Regeln der Kirchenzucht werden sollte,<lb/>
weim die Vorsitzenden Älteste« in solcher Weise redeten. Darüber ginge die Kirche<lb/>
5U Grunde.</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> Vierzigstes Aapitel.<lb/>
Der verkauf der Farmer.</head><lb/>
            <p xml:id="ID_894" next="#ID_895"> Die Flucht des Habichts dämpfte den Eifer derer, die nach Zeichen am<lb/>
Himmel droben und anf der Erde hiennieden ansschanten, nicht lange. Ich habe<lb/>
unen Schulmeister mit der Gerte in der Hand dastehen und einem halsstarrigen<lb/>
Knaben eine bestimmte Anzahl von Minuten zum Pariren geben sehen. Der<lb/>
Knabe, der sich vor keiner noch so scharfen Strafe gebeugt hätte, wurde durch<lb/>
das furchtbare Warten unterwürfig. Wir haben alle die alte Schullmchgeschrchte<lb/>
von dem Zuchtmeister gelesen, der auf demselben Wege eine Rotte von Verbrechern<lb/>
zähmte. Der Millerismus bewirkte ähnliches. Der feste Glaube derer welche<lb/>
die Botschaft vom jüngsten Tage für wahr hielten, übte eine starke Wirkung<lb/>
auf andre, und das fnrchtbnre Herannahen der festgesetzten Zelt Tag anf Tag<lb/>
hatte in manchen Gegenden eine geradezu grauenvolle Wirkung. Ein hervor-<lb/>
Mgender Geistlicher, der zu dieser Zeit Pastor in Boston war, hat nur erzählt,<lb/>
daß der Sauerteig des Adventismus damals alle religiösen Genossenschaften<lb/>
durchdrungen habe und daß er selbst sich des unheimliche,, Gefühls, daß eine<lb/>
Katastrophe zu erwarten sei, des Eindrucks, daß all dies erwartungsvolle Wesen<lb/>
der Leute etwas zu bedeuten haben müsse, nicht habe entschlagen können. Wenn<lb/>
das in Boston der Fall war, so stelle man sich die Wirkung in einer Land¬<lb/>
gemeinde, wie die von Clark Township war, vor. Andrew, ein Zweifler, obwohl<lb/>
Schwärmer, war beinahe der einzige, welcher der Ansteckung entging. Jonas<lb/>
würde, wenn der Tag des Weltuntergangs gekommen wäre, sich mit derselben</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0251] Der jüngste Tag. halte, als ich sollte. Er hat ein so gutes Herz, als ich je eins gesehen habe. Aber Vrnder Goshorn meinte, ich dürfte ihn nicht heiraten, weil er ein Un¬ gläubiger wäre. Aber ich bin ja keiner, sagte Jonas. Ich glaube an die Bibel und alles, was darin steht, und nebenbei um Cynthy Ann und ihre gute methodistische Religion. Ich denke, Sie können alle Ihre Bedenken aufgeben und, Herrn Harrismi heiraten, ihn lieben und glücklich sein, sagte der Vorsitzende Älteste. Fürchten Sie sich nicht, glücklich zu werden, meine Tochter. Sie werden einmal im Himmel in guter Gesellschaft glücklich sein, und es kann nichts schaden, wenn Sie sich schon anf Erden daran gewöhnen. Ich sagte dir doch, ich würde einen Manu finden, der Salz geung hätte, seine Religion wohlschmeckend zu erhalten. Und Vater Williams, Sie müssen uns trauen, sobald Cynthy Ann bereit ist, sagte Jonas außer sich vor Behagen. Und für einen Augenblick wich der Ausdruck zu stark gespannter Bedenk¬ lichkeit von Cynthy Anns Gesicht, und ein eigentümliches seliges Licht strahlte aus ihren Angen. Und die Zeit der Trauung wurde anf der Stelle festgesetzt. Bruder Hall war ein wenig verwundert, und Bruder Gvshorn machte ein langes Gesicht und sagte, er wüßte uicht, was aus dem guten Methodismus ^wu altem Schrot und Korn und aus deu Regeln der Kirchenzucht werden sollte, weim die Vorsitzenden Älteste« in solcher Weise redeten. Darüber ginge die Kirche 5U Grunde. Vierzigstes Aapitel. Der verkauf der Farmer. Die Flucht des Habichts dämpfte den Eifer derer, die nach Zeichen am Himmel droben und anf der Erde hiennieden ansschanten, nicht lange. Ich habe unen Schulmeister mit der Gerte in der Hand dastehen und einem halsstarrigen Knaben eine bestimmte Anzahl von Minuten zum Pariren geben sehen. Der Knabe, der sich vor keiner noch so scharfen Strafe gebeugt hätte, wurde durch das furchtbare Warten unterwürfig. Wir haben alle die alte Schullmchgeschrchte von dem Zuchtmeister gelesen, der auf demselben Wege eine Rotte von Verbrechern zähmte. Der Millerismus bewirkte ähnliches. Der feste Glaube derer welche die Botschaft vom jüngsten Tage für wahr hielten, übte eine starke Wirkung auf andre, und das fnrchtbnre Herannahen der festgesetzten Zelt Tag anf Tag hatte in manchen Gegenden eine geradezu grauenvolle Wirkung. Ein hervor- Mgender Geistlicher, der zu dieser Zeit Pastor in Boston war, hat nur erzählt, daß der Sauerteig des Adventismus damals alle religiösen Genossenschaften durchdrungen habe und daß er selbst sich des unheimliche,, Gefühls, daß eine Katastrophe zu erwarten sei, des Eindrucks, daß all dies erwartungsvolle Wesen der Leute etwas zu bedeuten haben müsse, nicht habe entschlagen können. Wenn das in Boston der Fall war, so stelle man sich die Wirkung in einer Land¬ gemeinde, wie die von Clark Township war, vor. Andrew, ein Zweifler, obwohl Schwärmer, war beinahe der einzige, welcher der Ansteckung entging. Jonas würde, wenn der Tag des Weltuntergangs gekommen wäre, sich mit derselben

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/251
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/251>, abgerufen am 22.07.2024.