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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Börse und Publikum.

teidigung immer noch Kairo zu bewältigen, eine Stadt von dreimalhunderttausend
Einwohnern, fast durchaus aus Stein erbaut und wie zu einem Barrikadenkampfe
geschaffen. Wolseley wäre dann stark geschwächt, viele Meilen weit von seiner
Operationsbasis, dem Suezkanal, entfernt und im Norden, Westen und Süden
von den Trümmern der ägyptischen Armee umgeben, die ihm wenigstens die
Verproviantirung und Verstärkung seiner Leute beträchtlich erschwere" könnten.

Bei alledem wird freilich vorausgesetzt, daß Arabi genügenden moralischen
Mut besitzt, um auch nach einer ersten größeren Niederlage -- die, während
wir dies schreiben, schon erfolgt sein kann -- noch den Kopf oben zu behalten
und weiter Widerstand zu leisten, und daß er sich für diesen Fall vorgesehen
hat. Auch müßte sein Heer durch die Erstürmung der Schanzen von Tel El
Kebir sich nicht demoralisiren lassen und die Einwohner der Hauptstadt ihm
treu bleiben. Treffen diese Voraussetzungen zu, so wird England mit den jetzt
zur Niederwerfung Ägyptens abgesandten Truppen nicht ausreichen, soudern noch
mindestens zehntausend Mann nachschicken müssen, und das wird nicht leicht sein.
Daß es zuletzt die Oberhand behalten wird, soll dadurch nicht in Zweifel ge¬
zogen werden.




Börse und Publikum.
i.

an wird es kaum noch als zufällige Erscheinung betrachten wollen,
daß mit der Ausdehnung, welche in unsrer Zeit die Börse gewonnen
hat, und mit der Zunahme ihres Einflusses auf alle wirtschaft¬
lichen Verhältnisse gerade in den ihr zunächst stehenden Kreisen
die Mißachtung fremden Eigentums bis zur völligen Negation
desselben angewachsen ist. Es haben sich in den der Börse nahestehenden Kreisen
förmliche "Üsaneen" in dieser Richtung ausgebildet -- Üsancen, welche sich
hauptsächlich in die Mängel unsrer bürgerlichen und Handelsgesetzgebung ein¬
genistet haben, nicht selten in der präzisesten Form auftreten und gelegentlich,
obgleich sie ganz offenbar wenigstens dem Geist des Rechts und der Gesetze wider¬
sprechen, sogar von den Richtern respektirr werden.

Hiermit Hand in Hand geht ein seltsames Zutrauen des Publikums zu den
Organen der Börse (den Begriff im weitesten Sinne genommen), das höchst
merkwürdig absticht gegen den Zug des allgemeinen Mißtrauens, der sonst die
gesellschaftlichen Verhältnisse trennt und zum Teil schou geradezu verwirrt hat.
Während man dem besten Freunde, dem als völlig zntrauenswürdig erkannten


Börse und Publikum.

teidigung immer noch Kairo zu bewältigen, eine Stadt von dreimalhunderttausend
Einwohnern, fast durchaus aus Stein erbaut und wie zu einem Barrikadenkampfe
geschaffen. Wolseley wäre dann stark geschwächt, viele Meilen weit von seiner
Operationsbasis, dem Suezkanal, entfernt und im Norden, Westen und Süden
von den Trümmern der ägyptischen Armee umgeben, die ihm wenigstens die
Verproviantirung und Verstärkung seiner Leute beträchtlich erschwere« könnten.

Bei alledem wird freilich vorausgesetzt, daß Arabi genügenden moralischen
Mut besitzt, um auch nach einer ersten größeren Niederlage — die, während
wir dies schreiben, schon erfolgt sein kann — noch den Kopf oben zu behalten
und weiter Widerstand zu leisten, und daß er sich für diesen Fall vorgesehen
hat. Auch müßte sein Heer durch die Erstürmung der Schanzen von Tel El
Kebir sich nicht demoralisiren lassen und die Einwohner der Hauptstadt ihm
treu bleiben. Treffen diese Voraussetzungen zu, so wird England mit den jetzt
zur Niederwerfung Ägyptens abgesandten Truppen nicht ausreichen, soudern noch
mindestens zehntausend Mann nachschicken müssen, und das wird nicht leicht sein.
Daß es zuletzt die Oberhand behalten wird, soll dadurch nicht in Zweifel ge¬
zogen werden.




Börse und Publikum.
i.

an wird es kaum noch als zufällige Erscheinung betrachten wollen,
daß mit der Ausdehnung, welche in unsrer Zeit die Börse gewonnen
hat, und mit der Zunahme ihres Einflusses auf alle wirtschaft¬
lichen Verhältnisse gerade in den ihr zunächst stehenden Kreisen
die Mißachtung fremden Eigentums bis zur völligen Negation
desselben angewachsen ist. Es haben sich in den der Börse nahestehenden Kreisen
förmliche „Üsaneen" in dieser Richtung ausgebildet — Üsancen, welche sich
hauptsächlich in die Mängel unsrer bürgerlichen und Handelsgesetzgebung ein¬
genistet haben, nicht selten in der präzisesten Form auftreten und gelegentlich,
obgleich sie ganz offenbar wenigstens dem Geist des Rechts und der Gesetze wider¬
sprechen, sogar von den Richtern respektirr werden.

Hiermit Hand in Hand geht ein seltsames Zutrauen des Publikums zu den
Organen der Börse (den Begriff im weitesten Sinne genommen), das höchst
merkwürdig absticht gegen den Zug des allgemeinen Mißtrauens, der sonst die
gesellschaftlichen Verhältnisse trennt und zum Teil schou geradezu verwirrt hat.
Während man dem besten Freunde, dem als völlig zntrauenswürdig erkannten


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[0543] Börse und Publikum. teidigung immer noch Kairo zu bewältigen, eine Stadt von dreimalhunderttausend Einwohnern, fast durchaus aus Stein erbaut und wie zu einem Barrikadenkampfe geschaffen. Wolseley wäre dann stark geschwächt, viele Meilen weit von seiner Operationsbasis, dem Suezkanal, entfernt und im Norden, Westen und Süden von den Trümmern der ägyptischen Armee umgeben, die ihm wenigstens die Verproviantirung und Verstärkung seiner Leute beträchtlich erschwere« könnten. Bei alledem wird freilich vorausgesetzt, daß Arabi genügenden moralischen Mut besitzt, um auch nach einer ersten größeren Niederlage — die, während wir dies schreiben, schon erfolgt sein kann — noch den Kopf oben zu behalten und weiter Widerstand zu leisten, und daß er sich für diesen Fall vorgesehen hat. Auch müßte sein Heer durch die Erstürmung der Schanzen von Tel El Kebir sich nicht demoralisiren lassen und die Einwohner der Hauptstadt ihm treu bleiben. Treffen diese Voraussetzungen zu, so wird England mit den jetzt zur Niederwerfung Ägyptens abgesandten Truppen nicht ausreichen, soudern noch mindestens zehntausend Mann nachschicken müssen, und das wird nicht leicht sein. Daß es zuletzt die Oberhand behalten wird, soll dadurch nicht in Zweifel ge¬ zogen werden. Börse und Publikum. i. an wird es kaum noch als zufällige Erscheinung betrachten wollen, daß mit der Ausdehnung, welche in unsrer Zeit die Börse gewonnen hat, und mit der Zunahme ihres Einflusses auf alle wirtschaft¬ lichen Verhältnisse gerade in den ihr zunächst stehenden Kreisen die Mißachtung fremden Eigentums bis zur völligen Negation desselben angewachsen ist. Es haben sich in den der Börse nahestehenden Kreisen förmliche „Üsaneen" in dieser Richtung ausgebildet — Üsancen, welche sich hauptsächlich in die Mängel unsrer bürgerlichen und Handelsgesetzgebung ein¬ genistet haben, nicht selten in der präzisesten Form auftreten und gelegentlich, obgleich sie ganz offenbar wenigstens dem Geist des Rechts und der Gesetze wider¬ sprechen, sogar von den Richtern respektirr werden. Hiermit Hand in Hand geht ein seltsames Zutrauen des Publikums zu den Organen der Börse (den Begriff im weitesten Sinne genommen), das höchst merkwürdig absticht gegen den Zug des allgemeinen Mißtrauens, der sonst die gesellschaftlichen Verhältnisse trennt und zum Teil schou geradezu verwirrt hat. Während man dem besten Freunde, dem als völlig zntrauenswürdig erkannten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/543>, abgerufen am 29.06.2024.