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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Die Konferenzgerüchte und der ägyptische Krieg.

cum in der letzten Woche das Gerücht durch französische Blätter
ging, man (einige sagten, Deutschland) gehe mit dem Plane um,
demnächst einen Kongreß zur Regelung der ägyptischen Angelegen¬
heit anzuregen, so war das nur, soweit die Berliner Politik damit
in Verbindung gebracht wurde, eine Ente, sonst aber ein Fühler.
Die Ente hatte wohl deu Zweck, Deutschland als stets zur Einmischung geneigt,
stets nach der Führerschaft in Europa strebend darzustellen, der Fühler aber ist
sicher uicht von Berlin, wohl aber möglicherweise von italienischer, vielleicht auch
von russischer Seite ausgegangen. Aber Italien und Rußland sind noch nicht
Europa, und nur haben Ursache, zu glauben, daß Deutschland und Österreich die
Sache in einem andern Lichte sehen, als jenes Gerücht vermuten läßt. Sie
werden weder jetzt einen derartigen Kongreß anregen, noch später, nachdem der
Krieg Englands gegen Arabi und seine Anhänger beendet sein wird.

Die Gründe dieser Enthaltung liegen auf der Hemd. Deutschland und das
mit ihm Verbündete Österreich-Ungarii haben um der schließlichen Gestaltung der
Dinge am Nil ein weit geringeres Interesse als Rußland, Italien, Frankreich
und die Pforte, und dieses Interesse wird von England, welche Stellung es auch
um Suezknual als Preis für seine Anstrengungen beanspruchen wird, voraus-
sichtlich nicht beeinträchtigt werden. Mit der bei den mitteleuropäischen Mächten
befreundeten Pforte hat England sich endlich verständigt. Wenn andre Mächte
sich bedroht und gefährdet sehen, so mögen sie auf diplomatischem oder auf
unteren Wege Vorkehrungen gegen Schaden treffen. Wir haben nicht die Auf¬
gabe, für sie zu handeln und ihnen die Kastanien aus dein Feuer zu holen.
Und wir fühlen nicht das mindeste Bedürfnis, in Enropa deu Hegemon zu spielen,
unverlangt Rat zu erteilen oder gar zudringlich unsere Meinung und unsern


Grenzboten til. 1882. et?


Die Konferenzgerüchte und der ägyptische Krieg.

cum in der letzten Woche das Gerücht durch französische Blätter
ging, man (einige sagten, Deutschland) gehe mit dem Plane um,
demnächst einen Kongreß zur Regelung der ägyptischen Angelegen¬
heit anzuregen, so war das nur, soweit die Berliner Politik damit
in Verbindung gebracht wurde, eine Ente, sonst aber ein Fühler.
Die Ente hatte wohl deu Zweck, Deutschland als stets zur Einmischung geneigt,
stets nach der Führerschaft in Europa strebend darzustellen, der Fühler aber ist
sicher uicht von Berlin, wohl aber möglicherweise von italienischer, vielleicht auch
von russischer Seite ausgegangen. Aber Italien und Rußland sind noch nicht
Europa, und nur haben Ursache, zu glauben, daß Deutschland und Österreich die
Sache in einem andern Lichte sehen, als jenes Gerücht vermuten läßt. Sie
werden weder jetzt einen derartigen Kongreß anregen, noch später, nachdem der
Krieg Englands gegen Arabi und seine Anhänger beendet sein wird.

Die Gründe dieser Enthaltung liegen auf der Hemd. Deutschland und das
mit ihm Verbündete Österreich-Ungarii haben um der schließlichen Gestaltung der
Dinge am Nil ein weit geringeres Interesse als Rußland, Italien, Frankreich
und die Pforte, und dieses Interesse wird von England, welche Stellung es auch
um Suezknual als Preis für seine Anstrengungen beanspruchen wird, voraus-
sichtlich nicht beeinträchtigt werden. Mit der bei den mitteleuropäischen Mächten
befreundeten Pforte hat England sich endlich verständigt. Wenn andre Mächte
sich bedroht und gefährdet sehen, so mögen sie auf diplomatischem oder auf
unteren Wege Vorkehrungen gegen Schaden treffen. Wir haben nicht die Auf¬
gabe, für sie zu handeln und ihnen die Kastanien aus dein Feuer zu holen.
Und wir fühlen nicht das mindeste Bedürfnis, in Enropa deu Hegemon zu spielen,
unverlangt Rat zu erteilen oder gar zudringlich unsere Meinung und unsern


Grenzboten til. 1882. et?
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[0537] [Abbildung] Die Konferenzgerüchte und der ägyptische Krieg. cum in der letzten Woche das Gerücht durch französische Blätter ging, man (einige sagten, Deutschland) gehe mit dem Plane um, demnächst einen Kongreß zur Regelung der ägyptischen Angelegen¬ heit anzuregen, so war das nur, soweit die Berliner Politik damit in Verbindung gebracht wurde, eine Ente, sonst aber ein Fühler. Die Ente hatte wohl deu Zweck, Deutschland als stets zur Einmischung geneigt, stets nach der Führerschaft in Europa strebend darzustellen, der Fühler aber ist sicher uicht von Berlin, wohl aber möglicherweise von italienischer, vielleicht auch von russischer Seite ausgegangen. Aber Italien und Rußland sind noch nicht Europa, und nur haben Ursache, zu glauben, daß Deutschland und Österreich die Sache in einem andern Lichte sehen, als jenes Gerücht vermuten läßt. Sie werden weder jetzt einen derartigen Kongreß anregen, noch später, nachdem der Krieg Englands gegen Arabi und seine Anhänger beendet sein wird. Die Gründe dieser Enthaltung liegen auf der Hemd. Deutschland und das mit ihm Verbündete Österreich-Ungarii haben um der schließlichen Gestaltung der Dinge am Nil ein weit geringeres Interesse als Rußland, Italien, Frankreich und die Pforte, und dieses Interesse wird von England, welche Stellung es auch um Suezknual als Preis für seine Anstrengungen beanspruchen wird, voraus- sichtlich nicht beeinträchtigt werden. Mit der bei den mitteleuropäischen Mächten befreundeten Pforte hat England sich endlich verständigt. Wenn andre Mächte sich bedroht und gefährdet sehen, so mögen sie auf diplomatischem oder auf unteren Wege Vorkehrungen gegen Schaden treffen. Wir haben nicht die Auf¬ gabe, für sie zu handeln und ihnen die Kastanien aus dein Feuer zu holen. Und wir fühlen nicht das mindeste Bedürfnis, in Enropa deu Hegemon zu spielen, unverlangt Rat zu erteilen oder gar zudringlich unsere Meinung und unsern Grenzboten til. 1882. et?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/537>, abgerufen am 29.06.2024.