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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Richard ivagners Parsifal.

Insofern hat die Lage nichts beunruhigendes. Aber Gambetta ist der Krieg,
die Franzosen sind, wenigstens in den Städten, veränderlich, oft schon (mal,
denke an die Beherrschung des Landes durch die verhältnismäßig nicht zahl¬
reichen Jakobiner) sind sie durch geringe Minoritäten bestimmt worden, die rührig
und rücksichtslos waren, und Gambetta und seine Getreuen sind ebenso rührig
und rücksichtslos. Seitdem Gambetta die gefälschte Depesche über das Protektor¬
verhältnis des Fürsten Bismarck zu Freycinet in der Deputirtenkammer ver¬
breiten ließ, haben seine Organe fast jeden Tag die deutsche Politik und die
Deutschen in gehässiger Weise besprochen. Die Lügen Berks und das absurde
Toben der chauvinistischen Presse über die deutschen Turner waren nnr Fort¬
setzung dieses Spieles. Dnelere lind Genossen mögen nicht die Avantgarde des
wieder emporrückenden Gambetta sei", wie früher das Ministerium Fcrrh, sondern
die Nachhut auf seinem Rückzüge; die Möglichkeit, daß es ihm einmal gelingt,
wieder Premier, ja Präsident der Republik zu werden, ist damit nicht ausge¬
schlossen, und so werden wir so lange vor Frankreich ans der Hut sein müssen,
als Gambetta überhaupt noch eine Rolle spielt und eine Partei für sich hat.
Für diesen Fall halten wir unser Pulver trocken, immer aber mit dem Wunsche,
nicht in die Lage versetzt zu werden, es verschießen zu müssen.




Richard Wagners jDarsifal.
von Hermann Aretzschmar.

us Theater, welches Richard Wagner in Vayrenth hat erbauen
lassen, hat am 20. Juli nach sechsjährigem Verschlüsse zum
zweitenmale seine Pforten aufgethan. Ein neues Werk Richard
Wagners, sein "Parsifal," wurde ausgeführt und deu Mount
August hindurch -- dreimal in der Woche -- kamen immer neue
Zweitausend aus aller Herren Ländern, um die neueste Schöpfung Wagners an
der Quelle kennen zu lernen.

Als im Jahre 1376 das Wagner-Theater in Vayrenth fertig geworden
und eröffnet, als das erste Festspiel "Der Ring des Nibelungen" glänzend ver¬
laufen war, gingen die Pläne und Hoffnungen Wagners und seiner begeisterten
Anhänger ins weite und große. Jedes Jahr sollten in Zukunft die Festspiele
in Bahreuth wiederholt und neben den Werken Wagners auch die Opern unsrer
Klassiker in mustergiltiger Weise dargestellt werden. Man beabsichtigte in Bah¬
reuth eine "Stilbildungsschule" zu gründen und trug sich -- alles in allem --


Richard ivagners Parsifal.

Insofern hat die Lage nichts beunruhigendes. Aber Gambetta ist der Krieg,
die Franzosen sind, wenigstens in den Städten, veränderlich, oft schon (mal,
denke an die Beherrschung des Landes durch die verhältnismäßig nicht zahl¬
reichen Jakobiner) sind sie durch geringe Minoritäten bestimmt worden, die rührig
und rücksichtslos waren, und Gambetta und seine Getreuen sind ebenso rührig
und rücksichtslos. Seitdem Gambetta die gefälschte Depesche über das Protektor¬
verhältnis des Fürsten Bismarck zu Freycinet in der Deputirtenkammer ver¬
breiten ließ, haben seine Organe fast jeden Tag die deutsche Politik und die
Deutschen in gehässiger Weise besprochen. Die Lügen Berks und das absurde
Toben der chauvinistischen Presse über die deutschen Turner waren nnr Fort¬
setzung dieses Spieles. Dnelere lind Genossen mögen nicht die Avantgarde des
wieder emporrückenden Gambetta sei», wie früher das Ministerium Fcrrh, sondern
die Nachhut auf seinem Rückzüge; die Möglichkeit, daß es ihm einmal gelingt,
wieder Premier, ja Präsident der Republik zu werden, ist damit nicht ausge¬
schlossen, und so werden wir so lange vor Frankreich ans der Hut sein müssen,
als Gambetta überhaupt noch eine Rolle spielt und eine Partei für sich hat.
Für diesen Fall halten wir unser Pulver trocken, immer aber mit dem Wunsche,
nicht in die Lage versetzt zu werden, es verschießen zu müssen.




Richard Wagners jDarsifal.
von Hermann Aretzschmar.

us Theater, welches Richard Wagner in Vayrenth hat erbauen
lassen, hat am 20. Juli nach sechsjährigem Verschlüsse zum
zweitenmale seine Pforten aufgethan. Ein neues Werk Richard
Wagners, sein „Parsifal," wurde ausgeführt und deu Mount
August hindurch — dreimal in der Woche — kamen immer neue
Zweitausend aus aller Herren Ländern, um die neueste Schöpfung Wagners an
der Quelle kennen zu lernen.

Als im Jahre 1376 das Wagner-Theater in Vayrenth fertig geworden
und eröffnet, als das erste Festspiel „Der Ring des Nibelungen" glänzend ver¬
laufen war, gingen die Pläne und Hoffnungen Wagners und seiner begeisterten
Anhänger ins weite und große. Jedes Jahr sollten in Zukunft die Festspiele
in Bahreuth wiederholt und neben den Werken Wagners auch die Opern unsrer
Klassiker in mustergiltiger Weise dargestellt werden. Man beabsichtigte in Bah¬
reuth eine „Stilbildungsschule" zu gründen und trug sich — alles in allem —


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[0493] Richard ivagners Parsifal. Insofern hat die Lage nichts beunruhigendes. Aber Gambetta ist der Krieg, die Franzosen sind, wenigstens in den Städten, veränderlich, oft schon (mal, denke an die Beherrschung des Landes durch die verhältnismäßig nicht zahl¬ reichen Jakobiner) sind sie durch geringe Minoritäten bestimmt worden, die rührig und rücksichtslos waren, und Gambetta und seine Getreuen sind ebenso rührig und rücksichtslos. Seitdem Gambetta die gefälschte Depesche über das Protektor¬ verhältnis des Fürsten Bismarck zu Freycinet in der Deputirtenkammer ver¬ breiten ließ, haben seine Organe fast jeden Tag die deutsche Politik und die Deutschen in gehässiger Weise besprochen. Die Lügen Berks und das absurde Toben der chauvinistischen Presse über die deutschen Turner waren nnr Fort¬ setzung dieses Spieles. Dnelere lind Genossen mögen nicht die Avantgarde des wieder emporrückenden Gambetta sei», wie früher das Ministerium Fcrrh, sondern die Nachhut auf seinem Rückzüge; die Möglichkeit, daß es ihm einmal gelingt, wieder Premier, ja Präsident der Republik zu werden, ist damit nicht ausge¬ schlossen, und so werden wir so lange vor Frankreich ans der Hut sein müssen, als Gambetta überhaupt noch eine Rolle spielt und eine Partei für sich hat. Für diesen Fall halten wir unser Pulver trocken, immer aber mit dem Wunsche, nicht in die Lage versetzt zu werden, es verschießen zu müssen. Richard Wagners jDarsifal. von Hermann Aretzschmar. us Theater, welches Richard Wagner in Vayrenth hat erbauen lassen, hat am 20. Juli nach sechsjährigem Verschlüsse zum zweitenmale seine Pforten aufgethan. Ein neues Werk Richard Wagners, sein „Parsifal," wurde ausgeführt und deu Mount August hindurch — dreimal in der Woche — kamen immer neue Zweitausend aus aller Herren Ländern, um die neueste Schöpfung Wagners an der Quelle kennen zu lernen. Als im Jahre 1376 das Wagner-Theater in Vayrenth fertig geworden und eröffnet, als das erste Festspiel „Der Ring des Nibelungen" glänzend ver¬ laufen war, gingen die Pläne und Hoffnungen Wagners und seiner begeisterten Anhänger ins weite und große. Jedes Jahr sollten in Zukunft die Festspiele in Bahreuth wiederholt und neben den Werken Wagners auch die Opern unsrer Klassiker in mustergiltiger Weise dargestellt werden. Man beabsichtigte in Bah¬ reuth eine „Stilbildungsschule" zu gründen und trug sich — alles in allem —

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/493>, abgerufen am 29.06.2024.