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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Gmnbettistische Oelleitäten.

is vor kurzem hätte man in Deutschland meinen können, die Fran¬
zosen seien uns gutem Wege, sich über die Ereignisse, deren Hanpt-
gedächtnistng wir am 2. September wiederum gefeiert haben, zu
beruhigen, die Niederlage, die ihr Ehrgeiz und Eroberungstrieb
1870 erlitten, mehr als Lehre denn als Unbill zu empfinden
und uns trotz Elsaß-Lothringen getreue Nachbarn zu werden. In den letzten
Wochen aber haben verschiedene Ereignisse stattgefunden, die an dieser Meinung
irrezumachen geeignet waren, indem sie zeigten, daß es in Frankreich wenigstens
e.me Partei giebt, die das Bedürfnis der großen Mehrzahl der Bevölkerung nach
Ruhe und Frieden nicht fühlt und ihren Durst nach Revanche bei jeder Ge¬
legenheit keine werden läßt und andern mitzuteilen sucht. Wir würden ihrer
Demonstration, da sie in der Minderheit ist, hier nicht Erwähnung thun, wenn
sie nicht in Sphären hineinreichte, die noch vor wenigen Monaten die Minister¬
stellen in Paris innehalten und diese Stellen unter Umständen wiedergewinnen
Minen, ja wenn wir nicht annehmen müßten, die Partei empfinge ans diesen
Sphären ihre Impulse und Weisungen.

Am 6. Angust hielt Paul Berl, Anfang d. I. Unterrichtsminister unter
^umbella, im Trveadero eine Rede, in welcher er auf eine Proklamation des
Prinzen Friedrich Karl aus dem Jahre 1870 Bezug nahm, die zur Vertilgung
Frankreichs und des französischen Volkes aufgefordert haben sollte. Der Zweck
^var klar: der Haß gegen die deutschen Barbaren sollte warm gehalten und frisch
geheizt werden. Die Proklamation aber war eine Erfindung, von der man sich
"ur fragte, ob man mehr über ihre Plumpheit oder über ihre Unverschämtheit
5U staunen habe, und die sich im Munde eines Staatsmannes, der zu dem
"großen Ministerium" gehört hatte, ganz besonders unerfreulich ausruhen.'


Greuzlwwi III, 188S, (i>


Gmnbettistische Oelleitäten.

is vor kurzem hätte man in Deutschland meinen können, die Fran¬
zosen seien uns gutem Wege, sich über die Ereignisse, deren Hanpt-
gedächtnistng wir am 2. September wiederum gefeiert haben, zu
beruhigen, die Niederlage, die ihr Ehrgeiz und Eroberungstrieb
1870 erlitten, mehr als Lehre denn als Unbill zu empfinden
und uns trotz Elsaß-Lothringen getreue Nachbarn zu werden. In den letzten
Wochen aber haben verschiedene Ereignisse stattgefunden, die an dieser Meinung
irrezumachen geeignet waren, indem sie zeigten, daß es in Frankreich wenigstens
e.me Partei giebt, die das Bedürfnis der großen Mehrzahl der Bevölkerung nach
Ruhe und Frieden nicht fühlt und ihren Durst nach Revanche bei jeder Ge¬
legenheit keine werden läßt und andern mitzuteilen sucht. Wir würden ihrer
Demonstration, da sie in der Minderheit ist, hier nicht Erwähnung thun, wenn
sie nicht in Sphären hineinreichte, die noch vor wenigen Monaten die Minister¬
stellen in Paris innehalten und diese Stellen unter Umständen wiedergewinnen
Minen, ja wenn wir nicht annehmen müßten, die Partei empfinge ans diesen
Sphären ihre Impulse und Weisungen.

Am 6. Angust hielt Paul Berl, Anfang d. I. Unterrichtsminister unter
^umbella, im Trveadero eine Rede, in welcher er auf eine Proklamation des
Prinzen Friedrich Karl aus dem Jahre 1870 Bezug nahm, die zur Vertilgung
Frankreichs und des französischen Volkes aufgefordert haben sollte. Der Zweck
^var klar: der Haß gegen die deutschen Barbaren sollte warm gehalten und frisch
geheizt werden. Die Proklamation aber war eine Erfindung, von der man sich
"ur fragte, ob man mehr über ihre Plumpheit oder über ihre Unverschämtheit
5U staunen habe, und die sich im Munde eines Staatsmannes, der zu dem
"großen Ministerium" gehört hatte, ganz besonders unerfreulich ausruhen.'


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[0489] [Abbildung] Gmnbettistische Oelleitäten. is vor kurzem hätte man in Deutschland meinen können, die Fran¬ zosen seien uns gutem Wege, sich über die Ereignisse, deren Hanpt- gedächtnistng wir am 2. September wiederum gefeiert haben, zu beruhigen, die Niederlage, die ihr Ehrgeiz und Eroberungstrieb 1870 erlitten, mehr als Lehre denn als Unbill zu empfinden und uns trotz Elsaß-Lothringen getreue Nachbarn zu werden. In den letzten Wochen aber haben verschiedene Ereignisse stattgefunden, die an dieser Meinung irrezumachen geeignet waren, indem sie zeigten, daß es in Frankreich wenigstens e.me Partei giebt, die das Bedürfnis der großen Mehrzahl der Bevölkerung nach Ruhe und Frieden nicht fühlt und ihren Durst nach Revanche bei jeder Ge¬ legenheit keine werden läßt und andern mitzuteilen sucht. Wir würden ihrer Demonstration, da sie in der Minderheit ist, hier nicht Erwähnung thun, wenn sie nicht in Sphären hineinreichte, die noch vor wenigen Monaten die Minister¬ stellen in Paris innehalten und diese Stellen unter Umständen wiedergewinnen Minen, ja wenn wir nicht annehmen müßten, die Partei empfinge ans diesen Sphären ihre Impulse und Weisungen. Am 6. Angust hielt Paul Berl, Anfang d. I. Unterrichtsminister unter ^umbella, im Trveadero eine Rede, in welcher er auf eine Proklamation des Prinzen Friedrich Karl aus dem Jahre 1870 Bezug nahm, die zur Vertilgung Frankreichs und des französischen Volkes aufgefordert haben sollte. Der Zweck ^var klar: der Haß gegen die deutschen Barbaren sollte warm gehalten und frisch geheizt werden. Die Proklamation aber war eine Erfindung, von der man sich "ur fragte, ob man mehr über ihre Plumpheit oder über ihre Unverschämtheit 5U staunen habe, und die sich im Munde eines Staatsmannes, der zu dem "großen Ministerium" gehört hatte, ganz besonders unerfreulich ausruhen.' Greuzlwwi III, 188S, (i>

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/489>, abgerufen am 29.06.2024.