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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Literatur.

mit ihr ab oder führte sie sie vielmehr in düsterem Schweigen ab, während Herr
Anderson Hnmphreys Gesellschaft leistete.
'

Ich hielt es fürs beste, August die ganze Zeit über, wahrend ich dem
Leser diese Dinge auseinandersetzte, damit er das folgende verstehe, in der Thüre
zu Juliens Stube stehen zu lassen. In der Wirklichkeit aber machte August
nicht Halt, sondern schritt hinaus auf den Gang und in schwere Verlegenheit.

(Fortsetzung folgt.)




Literatur.
Der Optimismus des Sokrates bei .Penopho" und Plcitvn gegen Klier den pessi¬
mistischen Stimmen in der älteren griechischen Literatur von Dr. Gustav Benseler.
(Chemnitz, 1882.)

Diese in bescheidenster Form auftretende Beigabe zum diesjährigen Oster-
Progrcnnme des königlichen Gymnasiums z" Chemnitz ist eine wahre Fundgrube
eingehendster Belehrung über den Geist des althellenischer Lebens. Sie bestätigt
durch reiche Belege den Ausspruch Boeckhs, daß die Hellenen im Glänze der Kunst
und in der Blüte, der Freiheit unglücklicher waren, als die meisten glauben. Alle
Richtungen, die in unsern Zeiten dnrch Unzufriedenheit und Widerspruch gegen die
bestehenden Verhältnisse hervorgerufen sind, finden sich bei Dichtern und Philo¬
sophen der alten Zeit in reichem Maße vertreten. Die Abkehr von der Gegen-
wart, die romantische schwärmerische Vorliebe für eine phantastisch konstruirte Ver¬
gangenheit bis zur pessimistischen Verachtung alles Bestehenden war den Hellenen
so wohl bekannt wie uus, ja vielleicht in noch höherem Maße. Denn ihre Versuche,
sich von den Plagen und der Verzweiflung über das Elend des menschlichen Lebens
zu befreien dnrch Weisheit und Vertiefung in Philosophie, tragen alle noch den
Stempel der Unreife. Selbst Sokrates und Platon streifen in dem Bemühen, der
zerfahrenen, durch falsche Gelehrsamkeit und Halbbildung pessimistisch und skeptisch
gesinnten Menschheit innern Halt und ethische Kraft wiederzugeben, doch nur an
dieselben Fragen Hera", die erst das Christentum endgiltig gelöst hat. Namentlich
durch die Auffassung der Sklaverei und der Geringschätzung der Weiber bleiben
mich sie trotz der besten Bestrebungen weit hinter der Lehre Jesu zurück, die dann
freilich erst in noch elenderen Zeitverhnltnisseu ihren Ursprung nahm, als Platon
sie erleben konnte.


Aus Hellas. Fünf antike Erzählungen von Peter Mariager. .Leipzig, Bernhard Schlickes
Verlag (B. Mischer), 1882.

Die fünf "archäologischen" Erzählungen, welche der Lesewelt hier dargeboten
werden, sind nicht deutsche, sondern dänische Schöpfungen und unter Beihilfe des
Verfassers aus dem Dänischen übersetzt. Der Verfasser, hoffentlich ein im Anfange
seiner Laufbahn befindlicher Schriftsteller, hat dem Zuge der Zeit zur Verwendung
aller nur denkbaren wissenschaftlichen Studien für belletristische Zwecke nicht wider¬
stehen können. Über die Juszenesetzuug einer Reihe vou Forschungen zur griechischen
Geschichte und Kulturgeschichte äußert er selbst: "Die Kinder des Altertums, die
wir belauschen wollen, sind weder die Helden noch die Heroen -- diese überlassen
wir dem eigentlichen Epos; was wir erkunden wollen, das ist die bunte Menge,
Welche zwischen den Sänlenbauten des Marktes, in den Bogengängen und auf den


Literatur.

mit ihr ab oder führte sie sie vielmehr in düsterem Schweigen ab, während Herr
Anderson Hnmphreys Gesellschaft leistete.
'

Ich hielt es fürs beste, August die ganze Zeit über, wahrend ich dem
Leser diese Dinge auseinandersetzte, damit er das folgende verstehe, in der Thüre
zu Juliens Stube stehen zu lassen. In der Wirklichkeit aber machte August
nicht Halt, sondern schritt hinaus auf den Gang und in schwere Verlegenheit.

(Fortsetzung folgt.)




Literatur.
Der Optimismus des Sokrates bei .Penopho» und Plcitvn gegen Klier den pessi¬
mistischen Stimmen in der älteren griechischen Literatur von Dr. Gustav Benseler.
(Chemnitz, 1882.)

Diese in bescheidenster Form auftretende Beigabe zum diesjährigen Oster-
Progrcnnme des königlichen Gymnasiums z» Chemnitz ist eine wahre Fundgrube
eingehendster Belehrung über den Geist des althellenischer Lebens. Sie bestätigt
durch reiche Belege den Ausspruch Boeckhs, daß die Hellenen im Glänze der Kunst
und in der Blüte, der Freiheit unglücklicher waren, als die meisten glauben. Alle
Richtungen, die in unsern Zeiten dnrch Unzufriedenheit und Widerspruch gegen die
bestehenden Verhältnisse hervorgerufen sind, finden sich bei Dichtern und Philo¬
sophen der alten Zeit in reichem Maße vertreten. Die Abkehr von der Gegen-
wart, die romantische schwärmerische Vorliebe für eine phantastisch konstruirte Ver¬
gangenheit bis zur pessimistischen Verachtung alles Bestehenden war den Hellenen
so wohl bekannt wie uus, ja vielleicht in noch höherem Maße. Denn ihre Versuche,
sich von den Plagen und der Verzweiflung über das Elend des menschlichen Lebens
zu befreien dnrch Weisheit und Vertiefung in Philosophie, tragen alle noch den
Stempel der Unreife. Selbst Sokrates und Platon streifen in dem Bemühen, der
zerfahrenen, durch falsche Gelehrsamkeit und Halbbildung pessimistisch und skeptisch
gesinnten Menschheit innern Halt und ethische Kraft wiederzugeben, doch nur an
dieselben Fragen Hera», die erst das Christentum endgiltig gelöst hat. Namentlich
durch die Auffassung der Sklaverei und der Geringschätzung der Weiber bleiben
mich sie trotz der besten Bestrebungen weit hinter der Lehre Jesu zurück, die dann
freilich erst in noch elenderen Zeitverhnltnisseu ihren Ursprung nahm, als Platon
sie erleben konnte.


Aus Hellas. Fünf antike Erzählungen von Peter Mariager. .Leipzig, Bernhard Schlickes
Verlag (B. Mischer), 1882.

Die fünf „archäologischen" Erzählungen, welche der Lesewelt hier dargeboten
werden, sind nicht deutsche, sondern dänische Schöpfungen und unter Beihilfe des
Verfassers aus dem Dänischen übersetzt. Der Verfasser, hoffentlich ein im Anfange
seiner Laufbahn befindlicher Schriftsteller, hat dem Zuge der Zeit zur Verwendung
aller nur denkbaren wissenschaftlichen Studien für belletristische Zwecke nicht wider¬
stehen können. Über die Juszenesetzuug einer Reihe vou Forschungen zur griechischen
Geschichte und Kulturgeschichte äußert er selbst: „Die Kinder des Altertums, die
wir belauschen wollen, sind weder die Helden noch die Heroen — diese überlassen
wir dem eigentlichen Epos; was wir erkunden wollen, das ist die bunte Menge,
Welche zwischen den Sänlenbauten des Marktes, in den Bogengängen und auf den


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[0487] Literatur. mit ihr ab oder führte sie sie vielmehr in düsterem Schweigen ab, während Herr Anderson Hnmphreys Gesellschaft leistete. ' Ich hielt es fürs beste, August die ganze Zeit über, wahrend ich dem Leser diese Dinge auseinandersetzte, damit er das folgende verstehe, in der Thüre zu Juliens Stube stehen zu lassen. In der Wirklichkeit aber machte August nicht Halt, sondern schritt hinaus auf den Gang und in schwere Verlegenheit. (Fortsetzung folgt.) Literatur. Der Optimismus des Sokrates bei .Penopho» und Plcitvn gegen Klier den pessi¬ mistischen Stimmen in der älteren griechischen Literatur von Dr. Gustav Benseler. (Chemnitz, 1882.) Diese in bescheidenster Form auftretende Beigabe zum diesjährigen Oster- Progrcnnme des königlichen Gymnasiums z» Chemnitz ist eine wahre Fundgrube eingehendster Belehrung über den Geist des althellenischer Lebens. Sie bestätigt durch reiche Belege den Ausspruch Boeckhs, daß die Hellenen im Glänze der Kunst und in der Blüte, der Freiheit unglücklicher waren, als die meisten glauben. Alle Richtungen, die in unsern Zeiten dnrch Unzufriedenheit und Widerspruch gegen die bestehenden Verhältnisse hervorgerufen sind, finden sich bei Dichtern und Philo¬ sophen der alten Zeit in reichem Maße vertreten. Die Abkehr von der Gegen- wart, die romantische schwärmerische Vorliebe für eine phantastisch konstruirte Ver¬ gangenheit bis zur pessimistischen Verachtung alles Bestehenden war den Hellenen so wohl bekannt wie uus, ja vielleicht in noch höherem Maße. Denn ihre Versuche, sich von den Plagen und der Verzweiflung über das Elend des menschlichen Lebens zu befreien dnrch Weisheit und Vertiefung in Philosophie, tragen alle noch den Stempel der Unreife. Selbst Sokrates und Platon streifen in dem Bemühen, der zerfahrenen, durch falsche Gelehrsamkeit und Halbbildung pessimistisch und skeptisch gesinnten Menschheit innern Halt und ethische Kraft wiederzugeben, doch nur an dieselben Fragen Hera», die erst das Christentum endgiltig gelöst hat. Namentlich durch die Auffassung der Sklaverei und der Geringschätzung der Weiber bleiben mich sie trotz der besten Bestrebungen weit hinter der Lehre Jesu zurück, die dann freilich erst in noch elenderen Zeitverhnltnisseu ihren Ursprung nahm, als Platon sie erleben konnte. Aus Hellas. Fünf antike Erzählungen von Peter Mariager. .Leipzig, Bernhard Schlickes Verlag (B. Mischer), 1882. Die fünf „archäologischen" Erzählungen, welche der Lesewelt hier dargeboten werden, sind nicht deutsche, sondern dänische Schöpfungen und unter Beihilfe des Verfassers aus dem Dänischen übersetzt. Der Verfasser, hoffentlich ein im Anfange seiner Laufbahn befindlicher Schriftsteller, hat dem Zuge der Zeit zur Verwendung aller nur denkbaren wissenschaftlichen Studien für belletristische Zwecke nicht wider¬ stehen können. Über die Juszenesetzuug einer Reihe vou Forschungen zur griechischen Geschichte und Kulturgeschichte äußert er selbst: „Die Kinder des Altertums, die wir belauschen wollen, sind weder die Helden noch die Heroen — diese überlassen wir dem eigentlichen Epos; was wir erkunden wollen, das ist die bunte Menge, Welche zwischen den Sänlenbauten des Marktes, in den Bogengängen und auf den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/487>, abgerufen am 29.06.2024.