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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Der Re^er.

feindliches Mißtrauen, noch mich jene absolutistisch-konservativen Doktrinen, denen
sie, vermöge einer gewissen gegensätzlichen Wahlverwandtschaft, den einseitigen
Radikalismus vieler ihrer eignen Doktrinen zu verdanken gehabt hat, sind heute
noch vorhanden; während sie, die Entartung, doch heute noch, wie vor fünfzig
Jahren, das mißtrauische Schreckbild der "Reaktion" und daneben das schwindel¬
hafte Trugbild des "souveränen Vvlkswillens" im Banner führt und sich, gegen¬
über dem "Absolutismus der Regierung," mit gankelhaftem Pathos auf die
Offenbarung und unbedingte Geltung eines Willens beruft, deu sie, wider Natur
und Geschichte, deu Wählern erst selbst eingeredet hat.

Der entartete antinationale Kvnservativismns ist es gewesen, der Deutsch¬
land fünfzig Jahre laug um die Früchte seines ersten großen Freiheitskrieges
betrogen; hüten wir uns, daß uns nicht heute ein entarteter antinationaler
Liberalismus anch um die Früchte unsers zweiten großen Freiheits- und Ein¬
heitskrieges betrüge, und daß er nicht vielleicht, wenn auch mir unwillkürlich,
jeuer jenseit der Vogesen noch immer lauernden Erwartung entgegenkomme,
"Frankreich werde zu seiner Revanche gar keines besondern Krieges bedürfen,
sondern könne dieselbe getrost dem Eifer der jungdeutschen I^idortv (Z^rinmuMv
selbst überlassen."


F. L. Meyer.


Der Regen.
von Fritz Anders.
1^. Wasser und lvcirine.

l
e Erde besitzt in ihrem Wusser ein ausgezeichnetes Schönheits¬
mittel. Was wir irgend landschaftliche Schönheit nennen, kommt
ohne Mitwirkung von Wasser gar nicht zustande. Mau denke
an die Alpenseen mit ihrer köstlichen blaugrünen Tiefe, und frage
sich, was der Rigi wert wäre, wenn er an dem trocknen Bette
des Vierwaldstätter Sees stünde. Man denke an das unermeßliche Meer, wie
Woge auf Woge heranzieht, immer dasselbe Schauspiel und doch jede Stunde
ein anderes Bild. Man denke an den in grüner Verborgenheit murmelnden
Waldbach oder an den Rheinstrom mit Schiff und Burg, an einen thaufrischen
Sommermorgen oder an die Gletscherwelt unsrer Bergriesen in ihrer majestä¬
tischen Unnahbarkeit -- überall ist das Wasser der Künstler. Man vergesst
anch nicht die "Segler der Lüfte"; das ftets wechselnde Antlitz des Himmels,
die duftige Bläue der Berge, Morgen- und Abendrot und selbst das Blau des


Der Re^er.

feindliches Mißtrauen, noch mich jene absolutistisch-konservativen Doktrinen, denen
sie, vermöge einer gewissen gegensätzlichen Wahlverwandtschaft, den einseitigen
Radikalismus vieler ihrer eignen Doktrinen zu verdanken gehabt hat, sind heute
noch vorhanden; während sie, die Entartung, doch heute noch, wie vor fünfzig
Jahren, das mißtrauische Schreckbild der „Reaktion" und daneben das schwindel¬
hafte Trugbild des „souveränen Vvlkswillens" im Banner führt und sich, gegen¬
über dem „Absolutismus der Regierung," mit gankelhaftem Pathos auf die
Offenbarung und unbedingte Geltung eines Willens beruft, deu sie, wider Natur
und Geschichte, deu Wählern erst selbst eingeredet hat.

Der entartete antinationale Kvnservativismns ist es gewesen, der Deutsch¬
land fünfzig Jahre laug um die Früchte seines ersten großen Freiheitskrieges
betrogen; hüten wir uns, daß uns nicht heute ein entarteter antinationaler
Liberalismus anch um die Früchte unsers zweiten großen Freiheits- und Ein¬
heitskrieges betrüge, und daß er nicht vielleicht, wenn auch mir unwillkürlich,
jeuer jenseit der Vogesen noch immer lauernden Erwartung entgegenkomme,
„Frankreich werde zu seiner Revanche gar keines besondern Krieges bedürfen,
sondern könne dieselbe getrost dem Eifer der jungdeutschen I^idortv (Z^rinmuMv
selbst überlassen."


F. L. Meyer.


Der Regen.
von Fritz Anders.
1^. Wasser und lvcirine.

l
e Erde besitzt in ihrem Wusser ein ausgezeichnetes Schönheits¬
mittel. Was wir irgend landschaftliche Schönheit nennen, kommt
ohne Mitwirkung von Wasser gar nicht zustande. Mau denke
an die Alpenseen mit ihrer köstlichen blaugrünen Tiefe, und frage
sich, was der Rigi wert wäre, wenn er an dem trocknen Bette
des Vierwaldstätter Sees stünde. Man denke an das unermeßliche Meer, wie
Woge auf Woge heranzieht, immer dasselbe Schauspiel und doch jede Stunde
ein anderes Bild. Man denke an den in grüner Verborgenheit murmelnden
Waldbach oder an den Rheinstrom mit Schiff und Burg, an einen thaufrischen
Sommermorgen oder an die Gletscherwelt unsrer Bergriesen in ihrer majestä¬
tischen Unnahbarkeit — überall ist das Wasser der Künstler. Man vergesst
anch nicht die „Segler der Lüfte"; das ftets wechselnde Antlitz des Himmels,
die duftige Bläue der Berge, Morgen- und Abendrot und selbst das Blau des


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[0462] Der Re^er. feindliches Mißtrauen, noch mich jene absolutistisch-konservativen Doktrinen, denen sie, vermöge einer gewissen gegensätzlichen Wahlverwandtschaft, den einseitigen Radikalismus vieler ihrer eignen Doktrinen zu verdanken gehabt hat, sind heute noch vorhanden; während sie, die Entartung, doch heute noch, wie vor fünfzig Jahren, das mißtrauische Schreckbild der „Reaktion" und daneben das schwindel¬ hafte Trugbild des „souveränen Vvlkswillens" im Banner führt und sich, gegen¬ über dem „Absolutismus der Regierung," mit gankelhaftem Pathos auf die Offenbarung und unbedingte Geltung eines Willens beruft, deu sie, wider Natur und Geschichte, deu Wählern erst selbst eingeredet hat. Der entartete antinationale Kvnservativismns ist es gewesen, der Deutsch¬ land fünfzig Jahre laug um die Früchte seines ersten großen Freiheitskrieges betrogen; hüten wir uns, daß uns nicht heute ein entarteter antinationaler Liberalismus anch um die Früchte unsers zweiten großen Freiheits- und Ein¬ heitskrieges betrüge, und daß er nicht vielleicht, wenn auch mir unwillkürlich, jeuer jenseit der Vogesen noch immer lauernden Erwartung entgegenkomme, „Frankreich werde zu seiner Revanche gar keines besondern Krieges bedürfen, sondern könne dieselbe getrost dem Eifer der jungdeutschen I^idortv (Z^rinmuMv selbst überlassen." F. L. Meyer. Der Regen. von Fritz Anders. 1^. Wasser und lvcirine. l e Erde besitzt in ihrem Wusser ein ausgezeichnetes Schönheits¬ mittel. Was wir irgend landschaftliche Schönheit nennen, kommt ohne Mitwirkung von Wasser gar nicht zustande. Mau denke an die Alpenseen mit ihrer köstlichen blaugrünen Tiefe, und frage sich, was der Rigi wert wäre, wenn er an dem trocknen Bette des Vierwaldstätter Sees stünde. Man denke an das unermeßliche Meer, wie Woge auf Woge heranzieht, immer dasselbe Schauspiel und doch jede Stunde ein anderes Bild. Man denke an den in grüner Verborgenheit murmelnden Waldbach oder an den Rheinstrom mit Schiff und Burg, an einen thaufrischen Sommermorgen oder an die Gletscherwelt unsrer Bergriesen in ihrer majestä¬ tischen Unnahbarkeit — überall ist das Wasser der Künstler. Man vergesst anch nicht die „Segler der Lüfte"; das ftets wechselnde Antlitz des Himmels, die duftige Bläue der Berge, Morgen- und Abendrot und selbst das Blau des

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/462>, abgerufen am 28.09.2024.