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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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in Jahre 1732 erschien Schillers Erstlingswerk mit dem aufstei¬
genden Löwe" und dem Motto In t..ynrnno8! ans dein Titelblatte.
Daß die Fvrtschrittshcrreu sich diese schöne Gelegenheit zur Ver-
anstaltung einer Jnbilänmsfeier haben entgehen lassen, ist auf¬
fallend. Jener Löwe, welcher bekanntlich zu der Gattung gehört,
die immer deklamirt und daher keine Zeit behält, den Feind zu zerreißen
(vergleiche den "Löwen vom Hrmrtivr IMn"), -- die Devise, -- Zitate ans den
Räubern, das Hütte einen glänzenden oratorischen Speisezettel gegeben, zum
Schluß "Ein freies Leben" von gemischtem Chor gesungen: die gehobene Stim¬
mung würde nicht ausgeblieben sein. Doch ist das Jahr noch nicht zu Ende,
gestattet ihnen also, das Versüumte nachzuholen. Inzwischen wollen wir uns
erlauben, an jene historische Reminiszenz einige Betrachtungen von unserm Stand¬
punkte aus zu knüpfen.

Der Spruch würde ohne Frage besser zu "Kabale und Liebe" gepaßt haben.
Denn dieses Drama ist wirklich ein, freilich etwas verzerrender, Spiegel der
jammervollen kleinstaatlichen Zustände, welche erstickend aus dem Volke lasteten,
das Reich zum Spotte der übrige" Welt und dann zur Beute der Frauzosen
machten. Und so starken Ausdruck der Dichter seiner Empörung über die Affen
der beideu Lndwige, über ihre gewissenlosen Ratgeber, die Korruption, die Ka-
binetsjustiz, die Verschachernng der Landeskinder n. s. w. giebt: den am meisten
charakteristischen Zug bringt er in das Bild dnrch seine eigene Ehrfurcht vor
dem stolzen Engelland, vor der Tochter des freiesten Landes, die zu verschmähen
eine Heldenthat des "deutschen Jünglings" ist. Wer an einen wahren Fort¬
schritt glaubt und für ihn wirkt, der könnte in der That die Erinnerung an das
In tynnino"! festlich begehen, und die Tagesschwäher, welche hente noch gern


GreuztwN'ii 111. 1L82,


In t^l^nnos!

in Jahre 1732 erschien Schillers Erstlingswerk mit dem aufstei¬
genden Löwe» und dem Motto In t..ynrnno8! ans dein Titelblatte.
Daß die Fvrtschrittshcrreu sich diese schöne Gelegenheit zur Ver-
anstaltung einer Jnbilänmsfeier haben entgehen lassen, ist auf¬
fallend. Jener Löwe, welcher bekanntlich zu der Gattung gehört,
die immer deklamirt und daher keine Zeit behält, den Feind zu zerreißen
(vergleiche den „Löwen vom Hrmrtivr IMn"), — die Devise, — Zitate ans den
Räubern, das Hütte einen glänzenden oratorischen Speisezettel gegeben, zum
Schluß „Ein freies Leben" von gemischtem Chor gesungen: die gehobene Stim¬
mung würde nicht ausgeblieben sein. Doch ist das Jahr noch nicht zu Ende,
gestattet ihnen also, das Versüumte nachzuholen. Inzwischen wollen wir uns
erlauben, an jene historische Reminiszenz einige Betrachtungen von unserm Stand¬
punkte aus zu knüpfen.

Der Spruch würde ohne Frage besser zu „Kabale und Liebe" gepaßt haben.
Denn dieses Drama ist wirklich ein, freilich etwas verzerrender, Spiegel der
jammervollen kleinstaatlichen Zustände, welche erstickend aus dem Volke lasteten,
das Reich zum Spotte der übrige« Welt und dann zur Beute der Frauzosen
machten. Und so starken Ausdruck der Dichter seiner Empörung über die Affen
der beideu Lndwige, über ihre gewissenlosen Ratgeber, die Korruption, die Ka-
binetsjustiz, die Verschachernng der Landeskinder n. s. w. giebt: den am meisten
charakteristischen Zug bringt er in das Bild dnrch seine eigene Ehrfurcht vor
dem stolzen Engelland, vor der Tochter des freiesten Landes, die zu verschmähen
eine Heldenthat des „deutschen Jünglings" ist. Wer an einen wahren Fort¬
schritt glaubt und für ihn wirkt, der könnte in der That die Erinnerung an das
In tynnino»! festlich begehen, und die Tagesschwäher, welche hente noch gern


GreuztwN'ii 111. 1L82,
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/441>, abgerufen am 29.06.2024.