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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Vismarck während des Krimkrieges.
2.

in Februar 1865 hieß es, Frankreich beabsichtige am Oberrhein
eine Armee zusammenzuziehen, um damit, durch Baden, Württem¬
berg und Baiern marschirend, den Österreichern gegen Rußland
an die Seite zu treten. Darauf beziehen sich mehrere Schrift¬
stücke der Poschingerschen Sammlung. Wir wühlen einige charak¬
teristische Stellen zur Mitteilung ans.

Am 11. Februar schreibt Bismarck an Manteuffel: "Die Südwestspitze ist
eine Art Schlußstein des deutschen Gewölbes, dessen Fall von schwerer Bedeu¬
tung werden kaun, und welcher deshalb der Stütze ebenso wert als bedürftig
erscheint. . . Wenn die französischen Absichten, Truppen durch Deutschland zu
führen, praktisch näher träten, so ist meine Ansicht die, daß man ihnen Marsch
und Operationslinien durch Baden, Würtemberg u. s. w. unter keinen Umständen
gestatten kann, lieber das Vajonnet füllen; denn es würde daraus ohne Zweifel
bald die militürische Herrschaft Frankreichs in diesen Ländern, halb mit Liebe,
halb mit Gewalt, sich entwickeln, und der Bund wäre damit schon als Gesammt¬
heit entamirt und paralysirt. Für den "Bund," dieses Glashaus, in dem allein
die Existenzen der meisten deutschen Staaten möglich bleibt, schlagen sie sich
nnter Umständen doch, wenn sich alles reget- und verfassungsmäßig dazu ent¬
wickelt. Die Bundesakte ist das Vret unter ihren Füßen auf der stürmischen
See von Europa, sie klammern sich daran und fürchten nnr, daß Preußen es
selbst ans deu Fügen stoßen könnte. Wir sind daher auf einer mehr oder
weniger neutralen Defensive sehr stark, wenn wir fortfahren, uns formell und
sachlich korrekt auf dem Boden des Bundesrechtes zu halten."


Gronzboten III. 18L2. 49


Vismarck während des Krimkrieges.
2.

in Februar 1865 hieß es, Frankreich beabsichtige am Oberrhein
eine Armee zusammenzuziehen, um damit, durch Baden, Württem¬
berg und Baiern marschirend, den Österreichern gegen Rußland
an die Seite zu treten. Darauf beziehen sich mehrere Schrift¬
stücke der Poschingerschen Sammlung. Wir wühlen einige charak¬
teristische Stellen zur Mitteilung ans.

Am 11. Februar schreibt Bismarck an Manteuffel: „Die Südwestspitze ist
eine Art Schlußstein des deutschen Gewölbes, dessen Fall von schwerer Bedeu¬
tung werden kaun, und welcher deshalb der Stütze ebenso wert als bedürftig
erscheint. . . Wenn die französischen Absichten, Truppen durch Deutschland zu
führen, praktisch näher träten, so ist meine Ansicht die, daß man ihnen Marsch
und Operationslinien durch Baden, Würtemberg u. s. w. unter keinen Umständen
gestatten kann, lieber das Vajonnet füllen; denn es würde daraus ohne Zweifel
bald die militürische Herrschaft Frankreichs in diesen Ländern, halb mit Liebe,
halb mit Gewalt, sich entwickeln, und der Bund wäre damit schon als Gesammt¬
heit entamirt und paralysirt. Für den »Bund,« dieses Glashaus, in dem allein
die Existenzen der meisten deutschen Staaten möglich bleibt, schlagen sie sich
nnter Umständen doch, wenn sich alles reget- und verfassungsmäßig dazu ent¬
wickelt. Die Bundesakte ist das Vret unter ihren Füßen auf der stürmischen
See von Europa, sie klammern sich daran und fürchten nnr, daß Preußen es
selbst ans deu Fügen stoßen könnte. Wir sind daher auf einer mehr oder
weniger neutralen Defensive sehr stark, wenn wir fortfahren, uns formell und
sachlich korrekt auf dem Boden des Bundesrechtes zu halten."


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[0393] [Abbildung] Vismarck während des Krimkrieges. 2. in Februar 1865 hieß es, Frankreich beabsichtige am Oberrhein eine Armee zusammenzuziehen, um damit, durch Baden, Württem¬ berg und Baiern marschirend, den Österreichern gegen Rußland an die Seite zu treten. Darauf beziehen sich mehrere Schrift¬ stücke der Poschingerschen Sammlung. Wir wühlen einige charak¬ teristische Stellen zur Mitteilung ans. Am 11. Februar schreibt Bismarck an Manteuffel: „Die Südwestspitze ist eine Art Schlußstein des deutschen Gewölbes, dessen Fall von schwerer Bedeu¬ tung werden kaun, und welcher deshalb der Stütze ebenso wert als bedürftig erscheint. . . Wenn die französischen Absichten, Truppen durch Deutschland zu führen, praktisch näher träten, so ist meine Ansicht die, daß man ihnen Marsch und Operationslinien durch Baden, Würtemberg u. s. w. unter keinen Umständen gestatten kann, lieber das Vajonnet füllen; denn es würde daraus ohne Zweifel bald die militürische Herrschaft Frankreichs in diesen Ländern, halb mit Liebe, halb mit Gewalt, sich entwickeln, und der Bund wäre damit schon als Gesammt¬ heit entamirt und paralysirt. Für den »Bund,« dieses Glashaus, in dem allein die Existenzen der meisten deutschen Staaten möglich bleibt, schlagen sie sich nnter Umständen doch, wenn sich alles reget- und verfassungsmäßig dazu ent¬ wickelt. Die Bundesakte ist das Vret unter ihren Füßen auf der stürmischen See von Europa, sie klammern sich daran und fürchten nnr, daß Preußen es selbst ans deu Fügen stoßen könnte. Wir sind daher auf einer mehr oder weniger neutralen Defensive sehr stark, wenn wir fortfahren, uns formell und sachlich korrekt auf dem Boden des Bundesrechtes zu halten." Gronzboten III. 18L2. 49

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/393>, abgerufen am 29.06.2024.