Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Bismarck während des Arimkrieges.

In einer gleichzeitigen Aufzeichnung Bismarcks heißt es: "Die Hauptsache
ist, wenn die Franzosen zusammenziehen, ebenso schnell wie sie mit deutschen
oder preußischen Armeekorps in Süddeutschland gegenwärtig zu sein; denn haben
sie einmal Schwaben mit Truppen überlaufen, so steht auch das 8. deutsche
Armeekorps auf ihrer Seite. Vielleicht ist es in diesem Falle noch richtiger,
und kaun der gauzen Verwicklung vorbeugen, wenn wir Frankreich schou jetzt
jeden Zweifel benehmen, daß eine bewaffnete Demonstration bei Metz oder
Straßburg sofort den entschlossensten Gegenzug von unsrer Seite zur Folge
haben würde. Wenn Frankreich daran fest glaubt, so wird es die Demonstration
unterlassen. . . Aufstellung französischer Truppen in den deutschen Ländern Öster¬
reichs, wenn sie dahin gehen, ohne andre Bundesstaaten zu berühren, halte ich
für kein Unglück. Die 80 000 Franzosen, die etwa in Böhmen wären, könnten
nicht am Rheine sein, und Frankreich würde durch diese neue Zersplitterung
seiner Armeen uns gegenüber nicht stärker. Diese Truppen würden für unsre
Hauptmacht aus den östlichen Provinzen leichter erreichbar und derselben doch
nicht gewachsen sein. Außerdem trägt eine solche Konstellation den Keim des
Bruches zwischen Frankreich und Österreich in sich, wenn 60- bis 80 000 Fran¬
zosen, die niemals bescheidene Alliirte gewesen sind, in Österreich verpflegt werden
sollen. Österreichs Ansehen in Deutschland würde einen schweren, mit dem tiefsten
Mißtrauen verbundenen Stoß erleiden. Wird also nur das Bundesrecht vor
einem bedenklichem Präzedenzfalle dadurch bewahrt, daß Österreich seine Absichten
dem Bunde anzeigt, so scheint mir nicht, daß wir den Beruf zum Widerstande
gegen dieselben haben. Es wäre dies der dümmste Streich, den Österreich seit
hundert Jahren meiner Meinung uach gemacht hätte, und ich glaube uicht, daß
man ihn ausführt, ehe man nicht unsrer Bewilligung sicher ist; dann aber hätten
wir ihn gemacht."

Im Juni 185S verlautete, daß Graf Buol sich wieder mehr den Russen
nähere. In Bezug hierauf schrieb Vismnrck am 17. an Manteuffel u. a.: "Ich
weiß nicht, ob dein Grafen Buol selbst ein ganz deutliches Ziel seiner Politik
vorschwebt; ich glaube es kaum, wenn man nicht das instinktive Gefühl dafür
nehmen will, daß Österreich in dieser Krisis einen Profit machen könne, und
daß es dabei so viel oder so wenig gewinnen will, als es ohne große Gefahr
ablangen kann. Die Russen aus der Südgrenze loszuwerden und die Donau¬
schifffahrt mehr nach österreichischem Interesse zu reguliren, ist schon ein erfreu¬
licher Vorteil, aber er füllt zu leicht in die Hand, um zu genügen. Wollte
Österreich damit zufrieden sein, so Hütte es das ohne Zweifel schon vor dem
2. Dezember mit uns und mit Rußland erreichen können, ohne sich in wag¬
halsige und teure Verbindlichkeiten mit dem Westen einzulassen. Zeitweise im
abgelaufenen Jahre mag dein Wiener Ehrgeize der Besitz der ganzen Donau
und eines Teils der Küste des Schwarzen Meeres als erreichbar vorgeschwebt
haben, und die Hoffnung auf die Dvnaufürstentümer hat man ohne Zweifel"


Bismarck während des Arimkrieges.

In einer gleichzeitigen Aufzeichnung Bismarcks heißt es: „Die Hauptsache
ist, wenn die Franzosen zusammenziehen, ebenso schnell wie sie mit deutschen
oder preußischen Armeekorps in Süddeutschland gegenwärtig zu sein; denn haben
sie einmal Schwaben mit Truppen überlaufen, so steht auch das 8. deutsche
Armeekorps auf ihrer Seite. Vielleicht ist es in diesem Falle noch richtiger,
und kaun der gauzen Verwicklung vorbeugen, wenn wir Frankreich schou jetzt
jeden Zweifel benehmen, daß eine bewaffnete Demonstration bei Metz oder
Straßburg sofort den entschlossensten Gegenzug von unsrer Seite zur Folge
haben würde. Wenn Frankreich daran fest glaubt, so wird es die Demonstration
unterlassen. . . Aufstellung französischer Truppen in den deutschen Ländern Öster¬
reichs, wenn sie dahin gehen, ohne andre Bundesstaaten zu berühren, halte ich
für kein Unglück. Die 80 000 Franzosen, die etwa in Böhmen wären, könnten
nicht am Rheine sein, und Frankreich würde durch diese neue Zersplitterung
seiner Armeen uns gegenüber nicht stärker. Diese Truppen würden für unsre
Hauptmacht aus den östlichen Provinzen leichter erreichbar und derselben doch
nicht gewachsen sein. Außerdem trägt eine solche Konstellation den Keim des
Bruches zwischen Frankreich und Österreich in sich, wenn 60- bis 80 000 Fran¬
zosen, die niemals bescheidene Alliirte gewesen sind, in Österreich verpflegt werden
sollen. Österreichs Ansehen in Deutschland würde einen schweren, mit dem tiefsten
Mißtrauen verbundenen Stoß erleiden. Wird also nur das Bundesrecht vor
einem bedenklichem Präzedenzfalle dadurch bewahrt, daß Österreich seine Absichten
dem Bunde anzeigt, so scheint mir nicht, daß wir den Beruf zum Widerstande
gegen dieselben haben. Es wäre dies der dümmste Streich, den Österreich seit
hundert Jahren meiner Meinung uach gemacht hätte, und ich glaube uicht, daß
man ihn ausführt, ehe man nicht unsrer Bewilligung sicher ist; dann aber hätten
wir ihn gemacht."

Im Juni 185S verlautete, daß Graf Buol sich wieder mehr den Russen
nähere. In Bezug hierauf schrieb Vismnrck am 17. an Manteuffel u. a.: „Ich
weiß nicht, ob dein Grafen Buol selbst ein ganz deutliches Ziel seiner Politik
vorschwebt; ich glaube es kaum, wenn man nicht das instinktive Gefühl dafür
nehmen will, daß Österreich in dieser Krisis einen Profit machen könne, und
daß es dabei so viel oder so wenig gewinnen will, als es ohne große Gefahr
ablangen kann. Die Russen aus der Südgrenze loszuwerden und die Donau¬
schifffahrt mehr nach österreichischem Interesse zu reguliren, ist schon ein erfreu¬
licher Vorteil, aber er füllt zu leicht in die Hand, um zu genügen. Wollte
Österreich damit zufrieden sein, so Hütte es das ohne Zweifel schon vor dem
2. Dezember mit uns und mit Rußland erreichen können, ohne sich in wag¬
halsige und teure Verbindlichkeiten mit dem Westen einzulassen. Zeitweise im
abgelaufenen Jahre mag dein Wiener Ehrgeize der Besitz der ganzen Donau
und eines Teils der Küste des Schwarzen Meeres als erreichbar vorgeschwebt
haben, und die Hoffnung auf die Dvnaufürstentümer hat man ohne Zweifel«


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0394" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/193735"/>
            <fw type="header" place="top"> Bismarck während des Arimkrieges.</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_1316"> In einer gleichzeitigen Aufzeichnung Bismarcks heißt es: &#x201E;Die Hauptsache<lb/>
ist, wenn die Franzosen zusammenziehen, ebenso schnell wie sie mit deutschen<lb/>
oder preußischen Armeekorps in Süddeutschland gegenwärtig zu sein; denn haben<lb/>
sie einmal Schwaben mit Truppen überlaufen, so steht auch das 8. deutsche<lb/>
Armeekorps auf ihrer Seite. Vielleicht ist es in diesem Falle noch richtiger,<lb/>
und kaun der gauzen Verwicklung vorbeugen, wenn wir Frankreich schou jetzt<lb/>
jeden Zweifel benehmen, daß eine bewaffnete Demonstration bei Metz oder<lb/>
Straßburg sofort den entschlossensten Gegenzug von unsrer Seite zur Folge<lb/>
haben würde. Wenn Frankreich daran fest glaubt, so wird es die Demonstration<lb/>
unterlassen. . . Aufstellung französischer Truppen in den deutschen Ländern Öster¬<lb/>
reichs, wenn sie dahin gehen, ohne andre Bundesstaaten zu berühren, halte ich<lb/>
für kein Unglück. Die 80 000 Franzosen, die etwa in Böhmen wären, könnten<lb/>
nicht am Rheine sein, und Frankreich würde durch diese neue Zersplitterung<lb/>
seiner Armeen uns gegenüber nicht stärker. Diese Truppen würden für unsre<lb/>
Hauptmacht aus den östlichen Provinzen leichter erreichbar und derselben doch<lb/>
nicht gewachsen sein. Außerdem trägt eine solche Konstellation den Keim des<lb/>
Bruches zwischen Frankreich und Österreich in sich, wenn 60- bis 80 000 Fran¬<lb/>
zosen, die niemals bescheidene Alliirte gewesen sind, in Österreich verpflegt werden<lb/>
sollen. Österreichs Ansehen in Deutschland würde einen schweren, mit dem tiefsten<lb/>
Mißtrauen verbundenen Stoß erleiden. Wird also nur das Bundesrecht vor<lb/>
einem bedenklichem Präzedenzfalle dadurch bewahrt, daß Österreich seine Absichten<lb/>
dem Bunde anzeigt, so scheint mir nicht, daß wir den Beruf zum Widerstande<lb/>
gegen dieselben haben. Es wäre dies der dümmste Streich, den Österreich seit<lb/>
hundert Jahren meiner Meinung uach gemacht hätte, und ich glaube uicht, daß<lb/>
man ihn ausführt, ehe man nicht unsrer Bewilligung sicher ist; dann aber hätten<lb/>
wir ihn gemacht."</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1317" next="#ID_1318"> Im Juni 185S verlautete, daß Graf Buol sich wieder mehr den Russen<lb/>
nähere. In Bezug hierauf schrieb Vismnrck am 17. an Manteuffel u. a.: &#x201E;Ich<lb/>
weiß nicht, ob dein Grafen Buol selbst ein ganz deutliches Ziel seiner Politik<lb/>
vorschwebt; ich glaube es kaum, wenn man nicht das instinktive Gefühl dafür<lb/>
nehmen will, daß Österreich in dieser Krisis einen Profit machen könne, und<lb/>
daß es dabei so viel oder so wenig gewinnen will, als es ohne große Gefahr<lb/>
ablangen kann. Die Russen aus der Südgrenze loszuwerden und die Donau¬<lb/>
schifffahrt mehr nach österreichischem Interesse zu reguliren, ist schon ein erfreu¬<lb/>
licher Vorteil, aber er füllt zu leicht in die Hand, um zu genügen. Wollte<lb/>
Österreich damit zufrieden sein, so Hütte es das ohne Zweifel schon vor dem<lb/>
2. Dezember mit uns und mit Rußland erreichen können, ohne sich in wag¬<lb/>
halsige und teure Verbindlichkeiten mit dem Westen einzulassen. Zeitweise im<lb/>
abgelaufenen Jahre mag dein Wiener Ehrgeize der Besitz der ganzen Donau<lb/>
und eines Teils der Küste des Schwarzen Meeres als erreichbar vorgeschwebt<lb/>
haben, und die Hoffnung auf die Dvnaufürstentümer hat man ohne Zweifel«</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0394] Bismarck während des Arimkrieges. In einer gleichzeitigen Aufzeichnung Bismarcks heißt es: „Die Hauptsache ist, wenn die Franzosen zusammenziehen, ebenso schnell wie sie mit deutschen oder preußischen Armeekorps in Süddeutschland gegenwärtig zu sein; denn haben sie einmal Schwaben mit Truppen überlaufen, so steht auch das 8. deutsche Armeekorps auf ihrer Seite. Vielleicht ist es in diesem Falle noch richtiger, und kaun der gauzen Verwicklung vorbeugen, wenn wir Frankreich schou jetzt jeden Zweifel benehmen, daß eine bewaffnete Demonstration bei Metz oder Straßburg sofort den entschlossensten Gegenzug von unsrer Seite zur Folge haben würde. Wenn Frankreich daran fest glaubt, so wird es die Demonstration unterlassen. . . Aufstellung französischer Truppen in den deutschen Ländern Öster¬ reichs, wenn sie dahin gehen, ohne andre Bundesstaaten zu berühren, halte ich für kein Unglück. Die 80 000 Franzosen, die etwa in Böhmen wären, könnten nicht am Rheine sein, und Frankreich würde durch diese neue Zersplitterung seiner Armeen uns gegenüber nicht stärker. Diese Truppen würden für unsre Hauptmacht aus den östlichen Provinzen leichter erreichbar und derselben doch nicht gewachsen sein. Außerdem trägt eine solche Konstellation den Keim des Bruches zwischen Frankreich und Österreich in sich, wenn 60- bis 80 000 Fran¬ zosen, die niemals bescheidene Alliirte gewesen sind, in Österreich verpflegt werden sollen. Österreichs Ansehen in Deutschland würde einen schweren, mit dem tiefsten Mißtrauen verbundenen Stoß erleiden. Wird also nur das Bundesrecht vor einem bedenklichem Präzedenzfalle dadurch bewahrt, daß Österreich seine Absichten dem Bunde anzeigt, so scheint mir nicht, daß wir den Beruf zum Widerstande gegen dieselben haben. Es wäre dies der dümmste Streich, den Österreich seit hundert Jahren meiner Meinung uach gemacht hätte, und ich glaube uicht, daß man ihn ausführt, ehe man nicht unsrer Bewilligung sicher ist; dann aber hätten wir ihn gemacht." Im Juni 185S verlautete, daß Graf Buol sich wieder mehr den Russen nähere. In Bezug hierauf schrieb Vismnrck am 17. an Manteuffel u. a.: „Ich weiß nicht, ob dein Grafen Buol selbst ein ganz deutliches Ziel seiner Politik vorschwebt; ich glaube es kaum, wenn man nicht das instinktive Gefühl dafür nehmen will, daß Österreich in dieser Krisis einen Profit machen könne, und daß es dabei so viel oder so wenig gewinnen will, als es ohne große Gefahr ablangen kann. Die Russen aus der Südgrenze loszuwerden und die Donau¬ schifffahrt mehr nach österreichischem Interesse zu reguliren, ist schon ein erfreu¬ licher Vorteil, aber er füllt zu leicht in die Hand, um zu genügen. Wollte Österreich damit zufrieden sein, so Hütte es das ohne Zweifel schon vor dem 2. Dezember mit uns und mit Rußland erreichen können, ohne sich in wag¬ halsige und teure Verbindlichkeiten mit dem Westen einzulassen. Zeitweise im abgelaufenen Jahre mag dein Wiener Ehrgeize der Besitz der ganzen Donau und eines Teils der Küste des Schwarzen Meeres als erreichbar vorgeschwebt haben, und die Hoffnung auf die Dvnaufürstentümer hat man ohne Zweifel«

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/394
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/394>, abgerufen am 01.07.2024.