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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Laienbriefe von der Internationalen Kunstausstellung.
3.

el wiederholtem Durchblättern des Katalogs reut es mich fast,
demselben nicht etwas mehr von der verdienten Anerkennung ge¬
widmet zu haben. Denn er enthält so viel Heiteres, daß, wäre
er in Paris erschienen, die deutschen Zeitungen nicht versäumen
würden, ihn als Beispiel französischer Unwissenheit und Leicht¬
fertigkeit ans Scheunthor zu nageln. Ist es nicht köstlich, wenn die Abbildung
eines Malerateliers als "Studie" bezeichnet wird? Hätte der Künstler das
Bild anstatt Mücke Ltnclio genannt, so würde es wahrscheinlich auf Deutsch
"Student" heißen. Bei geographischen Namen ist gewöhnlich die französische
Form beibehalten worden, auch wenn wir die originale oder eine andere Form
dasür haben, wie z. V. 1a IIs^". In dein mir soeben zugekommenen illustrirten
Kataloge hat man vorsichtigerweise den französischen Text ganz weggelassen;
da können um die Übersetzuugssünden nicht so leicht konstatirt werden, aber
desto schwerer ist es, den Sinn dunkler Reden zu ergründen. Dieser neue Ka¬
talog bringt übrigens 188, großenteils sehr sauber gezeichnete und reproduzirte
Skizzen ganzer Gemälde oder einzelner Gruppen aus solchen. Ob es das Ver¬
dienst der Atzung oder des Druckes ist, genug, die Illustrationen Präsentiren sich
durchschnittlich viel vorteilhafter als in ähnlichen französischen Publikationen.
Dafür könnte die Umschlngszeichnuug, unter welcher "Hans Makart imo." zu
lesen ist, unbedenklich zu Tabaks-Enveloppen benutzt werden.

Ungefähr so wie Belgien zu Frankreich, stellt sich Skandinavien zu
Deutschland. Doch treibe": nicht bloß Nachbarschaft und Herkommen die dor¬
tigen Künstler an, gerade in Düsseldorf, München, Karlsruhe ihre Studien zu
machen, und was ihre Art von den Deutschen unterscheidet, der "Erdgeruch."
erinnert gleichwohl an die gemeinschaftliche Abstammung. Die Norweger, welche
zu Deutschen geworden sind, brauchten deshalb ihrer Natur kein Opfer abzu-
nötigen, und so gern die Schweden sich "Franzosen des Nordens" nennen hören,
können sie die Germanen doch nicht verleugnen. Vor allem unnatürlich mutet
uns aber die in dem kleinen Saal durchgeführte Sonderung der beiden durch
Personalunion vereinigten Länder an. Die separatistischen Tendenzen, welche
jetzt in dem gebirgigen Westen der Halbinsel so stark rumoren, mögen ihren
Grund haben; die 29 Bilder machen uus dieselben nicht verständlich, während
gleich nebenan die magyarische Kunst wesentlich nationale Züge zeigt. Die meisten
skandinavischen Namen, zumal die aus dem Hochlande, sind uns bereits wohl-


Laienbriefe von der Internationalen Kunstausstellung.
3.

el wiederholtem Durchblättern des Katalogs reut es mich fast,
demselben nicht etwas mehr von der verdienten Anerkennung ge¬
widmet zu haben. Denn er enthält so viel Heiteres, daß, wäre
er in Paris erschienen, die deutschen Zeitungen nicht versäumen
würden, ihn als Beispiel französischer Unwissenheit und Leicht¬
fertigkeit ans Scheunthor zu nageln. Ist es nicht köstlich, wenn die Abbildung
eines Malerateliers als „Studie" bezeichnet wird? Hätte der Künstler das
Bild anstatt Mücke Ltnclio genannt, so würde es wahrscheinlich auf Deutsch
„Student" heißen. Bei geographischen Namen ist gewöhnlich die französische
Form beibehalten worden, auch wenn wir die originale oder eine andere Form
dasür haben, wie z. V. 1a IIs^«. In dein mir soeben zugekommenen illustrirten
Kataloge hat man vorsichtigerweise den französischen Text ganz weggelassen;
da können um die Übersetzuugssünden nicht so leicht konstatirt werden, aber
desto schwerer ist es, den Sinn dunkler Reden zu ergründen. Dieser neue Ka¬
talog bringt übrigens 188, großenteils sehr sauber gezeichnete und reproduzirte
Skizzen ganzer Gemälde oder einzelner Gruppen aus solchen. Ob es das Ver¬
dienst der Atzung oder des Druckes ist, genug, die Illustrationen Präsentiren sich
durchschnittlich viel vorteilhafter als in ähnlichen französischen Publikationen.
Dafür könnte die Umschlngszeichnuug, unter welcher „Hans Makart imo." zu
lesen ist, unbedenklich zu Tabaks-Enveloppen benutzt werden.

Ungefähr so wie Belgien zu Frankreich, stellt sich Skandinavien zu
Deutschland. Doch treibe«: nicht bloß Nachbarschaft und Herkommen die dor¬
tigen Künstler an, gerade in Düsseldorf, München, Karlsruhe ihre Studien zu
machen, und was ihre Art von den Deutschen unterscheidet, der „Erdgeruch."
erinnert gleichwohl an die gemeinschaftliche Abstammung. Die Norweger, welche
zu Deutschen geworden sind, brauchten deshalb ihrer Natur kein Opfer abzu-
nötigen, und so gern die Schweden sich „Franzosen des Nordens" nennen hören,
können sie die Germanen doch nicht verleugnen. Vor allem unnatürlich mutet
uns aber die in dem kleinen Saal durchgeführte Sonderung der beiden durch
Personalunion vereinigten Länder an. Die separatistischen Tendenzen, welche
jetzt in dem gebirgigen Westen der Halbinsel so stark rumoren, mögen ihren
Grund haben; die 29 Bilder machen uus dieselben nicht verständlich, während
gleich nebenan die magyarische Kunst wesentlich nationale Züge zeigt. Die meisten
skandinavischen Namen, zumal die aus dem Hochlande, sind uns bereits wohl-


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[0036] Laienbriefe von der Internationalen Kunstausstellung. 3. el wiederholtem Durchblättern des Katalogs reut es mich fast, demselben nicht etwas mehr von der verdienten Anerkennung ge¬ widmet zu haben. Denn er enthält so viel Heiteres, daß, wäre er in Paris erschienen, die deutschen Zeitungen nicht versäumen würden, ihn als Beispiel französischer Unwissenheit und Leicht¬ fertigkeit ans Scheunthor zu nageln. Ist es nicht köstlich, wenn die Abbildung eines Malerateliers als „Studie" bezeichnet wird? Hätte der Künstler das Bild anstatt Mücke Ltnclio genannt, so würde es wahrscheinlich auf Deutsch „Student" heißen. Bei geographischen Namen ist gewöhnlich die französische Form beibehalten worden, auch wenn wir die originale oder eine andere Form dasür haben, wie z. V. 1a IIs^«. In dein mir soeben zugekommenen illustrirten Kataloge hat man vorsichtigerweise den französischen Text ganz weggelassen; da können um die Übersetzuugssünden nicht so leicht konstatirt werden, aber desto schwerer ist es, den Sinn dunkler Reden zu ergründen. Dieser neue Ka¬ talog bringt übrigens 188, großenteils sehr sauber gezeichnete und reproduzirte Skizzen ganzer Gemälde oder einzelner Gruppen aus solchen. Ob es das Ver¬ dienst der Atzung oder des Druckes ist, genug, die Illustrationen Präsentiren sich durchschnittlich viel vorteilhafter als in ähnlichen französischen Publikationen. Dafür könnte die Umschlngszeichnuug, unter welcher „Hans Makart imo." zu lesen ist, unbedenklich zu Tabaks-Enveloppen benutzt werden. Ungefähr so wie Belgien zu Frankreich, stellt sich Skandinavien zu Deutschland. Doch treibe«: nicht bloß Nachbarschaft und Herkommen die dor¬ tigen Künstler an, gerade in Düsseldorf, München, Karlsruhe ihre Studien zu machen, und was ihre Art von den Deutschen unterscheidet, der „Erdgeruch." erinnert gleichwohl an die gemeinschaftliche Abstammung. Die Norweger, welche zu Deutschen geworden sind, brauchten deshalb ihrer Natur kein Opfer abzu- nötigen, und so gern die Schweden sich „Franzosen des Nordens" nennen hören, können sie die Germanen doch nicht verleugnen. Vor allem unnatürlich mutet uns aber die in dem kleinen Saal durchgeführte Sonderung der beiden durch Personalunion vereinigten Länder an. Die separatistischen Tendenzen, welche jetzt in dem gebirgigen Westen der Halbinsel so stark rumoren, mögen ihren Grund haben; die 29 Bilder machen uus dieselben nicht verständlich, während gleich nebenan die magyarische Kunst wesentlich nationale Züge zeigt. Die meisten skandinavischen Namen, zumal die aus dem Hochlande, sind uns bereits wohl-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/36>, abgerufen am 29.06.2024.