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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Vismarck während des Krimkrieges.

M"'v^A^ uf den ersten Teil des Poschingerschen Sammelwerks "Preußen
ini Bundestag" ist rasch der zweite gefolgt (Leipzig, S, Hirzel),
der insofern ein noch größeres Interesse als jener beansprucht,
als die Mehrzahl der in ihm mitgeteilten Schriftstücke die preu¬
ßische Politik während des Krimkrieges und des Pariser Kon¬
gresses von 1866 betrifft, eine Politik, die damals von selten der Liberalen
harten Tadel erfuhr, hier aber durch vollständige Darlegung ihrer Beweggründe
tend Ziele gerechtfertigt wird. Daß Bismarck anf den Gang dieser Politik be¬
stimmend eingewirkt hat, und zwar nicht bloß in seiner Eigenschaft als preu¬
ßischer Gesandter am Bundestage, ergiebt sich namentlich ans den zahlreichen ,
Privntschreiben von ihm an Manteuffel, denen wir in der Sammlung begegnen.

1853 glaubte der Kaiser Nikolaus einen großen Schritt zur Lösung der
orientalischen Frage thun zu können. Die Revolution war in Mitteleuropa
mit seiner Hilfe niedergeworfen, Preußen und Österreich betrachtete er ungefähr
als seine Vasallen, England unter dem Ministerium Aberdeen hielt er uicht
für gewillt, Frankreich nicht für fähig, sich seinen Plänen zu widersetzen, die
Türkei war ihm ein "kranker Mann," welcher der Auslosung nahe sei. Sein
Gedanke war zunächst Losreißung der Dvuanfürstentümer, Serbieus und Bul¬
gariens, von der Pfortenherrschaft und Verwandlung derselben in Staaten unter
russischer Hegemonie. Als England eine Teilung der Türkei, bei der ihm
Ägypten und Candia zufallen sollten, ablehnte, schickte der Kaiser den Fürsten
Mentschikoff nach Konstantinopel, um den Abschluß eines Vertrages zu verlangen,
der Rußland zur Privilegirten Schutzmacht über die orthodoxen Christen in der


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Vismarck während des Krimkrieges.

M«'v^A^ uf den ersten Teil des Poschingerschen Sammelwerks „Preußen
ini Bundestag" ist rasch der zweite gefolgt (Leipzig, S, Hirzel),
der insofern ein noch größeres Interesse als jener beansprucht,
als die Mehrzahl der in ihm mitgeteilten Schriftstücke die preu¬
ßische Politik während des Krimkrieges und des Pariser Kon¬
gresses von 1866 betrifft, eine Politik, die damals von selten der Liberalen
harten Tadel erfuhr, hier aber durch vollständige Darlegung ihrer Beweggründe
tend Ziele gerechtfertigt wird. Daß Bismarck anf den Gang dieser Politik be¬
stimmend eingewirkt hat, und zwar nicht bloß in seiner Eigenschaft als preu¬
ßischer Gesandter am Bundestage, ergiebt sich namentlich ans den zahlreichen ,
Privntschreiben von ihm an Manteuffel, denen wir in der Sammlung begegnen.

1853 glaubte der Kaiser Nikolaus einen großen Schritt zur Lösung der
orientalischen Frage thun zu können. Die Revolution war in Mitteleuropa
mit seiner Hilfe niedergeworfen, Preußen und Österreich betrachtete er ungefähr
als seine Vasallen, England unter dem Ministerium Aberdeen hielt er uicht
für gewillt, Frankreich nicht für fähig, sich seinen Plänen zu widersetzen, die
Türkei war ihm ein „kranker Mann," welcher der Auslosung nahe sei. Sein
Gedanke war zunächst Losreißung der Dvuanfürstentümer, Serbieus und Bul¬
gariens, von der Pfortenherrschaft und Verwandlung derselben in Staaten unter
russischer Hegemonie. Als England eine Teilung der Türkei, bei der ihm
Ägypten und Candia zufallen sollten, ablehnte, schickte der Kaiser den Fürsten
Mentschikoff nach Konstantinopel, um den Abschluß eines Vertrages zu verlangen,
der Rußland zur Privilegirten Schutzmacht über die orthodoxen Christen in der


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[0345] [Abbildung] Vismarck während des Krimkrieges. M«'v^A^ uf den ersten Teil des Poschingerschen Sammelwerks „Preußen ini Bundestag" ist rasch der zweite gefolgt (Leipzig, S, Hirzel), der insofern ein noch größeres Interesse als jener beansprucht, als die Mehrzahl der in ihm mitgeteilten Schriftstücke die preu¬ ßische Politik während des Krimkrieges und des Pariser Kon¬ gresses von 1866 betrifft, eine Politik, die damals von selten der Liberalen harten Tadel erfuhr, hier aber durch vollständige Darlegung ihrer Beweggründe tend Ziele gerechtfertigt wird. Daß Bismarck anf den Gang dieser Politik be¬ stimmend eingewirkt hat, und zwar nicht bloß in seiner Eigenschaft als preu¬ ßischer Gesandter am Bundestage, ergiebt sich namentlich ans den zahlreichen , Privntschreiben von ihm an Manteuffel, denen wir in der Sammlung begegnen. 1853 glaubte der Kaiser Nikolaus einen großen Schritt zur Lösung der orientalischen Frage thun zu können. Die Revolution war in Mitteleuropa mit seiner Hilfe niedergeworfen, Preußen und Österreich betrachtete er ungefähr als seine Vasallen, England unter dem Ministerium Aberdeen hielt er uicht für gewillt, Frankreich nicht für fähig, sich seinen Plänen zu widersetzen, die Türkei war ihm ein „kranker Mann," welcher der Auslosung nahe sei. Sein Gedanke war zunächst Losreißung der Dvuanfürstentümer, Serbieus und Bul¬ gariens, von der Pfortenherrschaft und Verwandlung derselben in Staaten unter russischer Hegemonie. Als England eine Teilung der Türkei, bei der ihm Ägypten und Candia zufallen sollten, ablehnte, schickte der Kaiser den Fürsten Mentschikoff nach Konstantinopel, um den Abschluß eines Vertrages zu verlangen, der Rußland zur Privilegirten Schutzmacht über die orthodoxen Christen in der Grmzliotm 111. l»82. 4!'>

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/345>, abgerufen am 29.06.2024.