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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Aber ich bin nur ein armer Bursch und obendrein ein Dntchman -- er
sagte das in bitterm Tone --, aber, wenn dn warten willst, Julchen, so will ich
ihnen zeigen, daß ich was wert bin. Nicht gut genug für dich, aber gut genug
für sie. Du wirst --

Ich werde warten -- ewig -- ans dich! Sie sagte das mit gesenktem
Kopfe und kaum hörbarer Stimme. Lebe wohl! Sie streckte ihm die Hand
hin, und er ergriff sie zitternd.

Warte noch einen Augenblick. Er ließ ihre Hand los, nahm einen Blei¬
stift und schrieb an den Balken: Am 18. März 1843. So, das ist zur Er¬
innerung an deu Dutchmau.

Ach, nenne dich doch nicht einen Dntchman, August. Eines Tages in
der Schule, als ich dir gegenübersaß, lernte ich die Erklärung: August d. h.
groß, prächtig, und ich sah dich an und sagte: Ja, das ist er. August ist ein
großer, prächtiger Mensch, und das bist du wirklich. Du bist ein Prachtjunge!

Ich denke, wir dürfen ihn nicht tadeln. Er konnte wahrhaftig nichts dafür.
Es ging so geschwind vor sich. Er küßte sie auf die Stirn und dann auf die
Lippen, sagte Lebewohl und war fort. Und sie ging mit ihrer Schürze voll
Eiern und ihren stark geröteten Wangen -- Kletterei über Getreideschichten macht
warm -- nach dein Hause zurück, entschlossen, sich irgendwie bei Cynthy Ann
für ihren Anftrng zu bedanken. Aber Cynthy Anns Gesicht trug eine so eruste
und strenge Miene, daß Julia schloß, sie müsse sich geirrt und Cynthy könne
nicht gewußt haben, daß August in der Scheune sei. Denn alles, was sie sagte,
war: Dn hast da wohl einen schonen Häuser Eier mitgebracht, nicht wahr?
Ja, die Hennen fangen an fleißiger zu legen, seit die warme Jahreszeit ein¬
getreten ist.




Viertes Kapitel.
Ein Gegenreiz.

Weshalb haben sie dich fortgeschickt? He? fragte Gottlieb Weste in dem
schrecklichen Englisch, welches er stets zu sprechen gewohnt war, wenn er sich
ärgerte. Weshalb, he?

Den ganzen Weg von Andersons Farm nach Hanse, den August an jenem
Samstagabend zurückzulegen hatte, hatte er schou im Geiste die rauhe Stimme
seines braven Vaters diese Frage thun hören und den Versuch gemacht, eine
befriedigende Antwort darauf zu finden. Er Hütte sagen können, Herr Anderson
wolle keinen Gehilfen mehr halten. Aber das würde nicht wahr gewesen sein.
Und ein junger Mann mit Augusts hellen, blauen Augen war nicht fähig zu
lügen.


Aber ich bin nur ein armer Bursch und obendrein ein Dntchman — er
sagte das in bitterm Tone —, aber, wenn dn warten willst, Julchen, so will ich
ihnen zeigen, daß ich was wert bin. Nicht gut genug für dich, aber gut genug
für sie. Du wirst —

Ich werde warten — ewig — ans dich! Sie sagte das mit gesenktem
Kopfe und kaum hörbarer Stimme. Lebe wohl! Sie streckte ihm die Hand
hin, und er ergriff sie zitternd.

Warte noch einen Augenblick. Er ließ ihre Hand los, nahm einen Blei¬
stift und schrieb an den Balken: Am 18. März 1843. So, das ist zur Er¬
innerung an deu Dutchmau.

Ach, nenne dich doch nicht einen Dntchman, August. Eines Tages in
der Schule, als ich dir gegenübersaß, lernte ich die Erklärung: August d. h.
groß, prächtig, und ich sah dich an und sagte: Ja, das ist er. August ist ein
großer, prächtiger Mensch, und das bist du wirklich. Du bist ein Prachtjunge!

Ich denke, wir dürfen ihn nicht tadeln. Er konnte wahrhaftig nichts dafür.
Es ging so geschwind vor sich. Er küßte sie auf die Stirn und dann auf die
Lippen, sagte Lebewohl und war fort. Und sie ging mit ihrer Schürze voll
Eiern und ihren stark geröteten Wangen — Kletterei über Getreideschichten macht
warm — nach dein Hause zurück, entschlossen, sich irgendwie bei Cynthy Ann
für ihren Anftrng zu bedanken. Aber Cynthy Anns Gesicht trug eine so eruste
und strenge Miene, daß Julia schloß, sie müsse sich geirrt und Cynthy könne
nicht gewußt haben, daß August in der Scheune sei. Denn alles, was sie sagte,
war: Dn hast da wohl einen schonen Häuser Eier mitgebracht, nicht wahr?
Ja, die Hennen fangen an fleißiger zu legen, seit die warme Jahreszeit ein¬
getreten ist.




Viertes Kapitel.
Ein Gegenreiz.

Weshalb haben sie dich fortgeschickt? He? fragte Gottlieb Weste in dem
schrecklichen Englisch, welches er stets zu sprechen gewohnt war, wenn er sich
ärgerte. Weshalb, he?

Den ganzen Weg von Andersons Farm nach Hanse, den August an jenem
Samstagabend zurückzulegen hatte, hatte er schou im Geiste die rauhe Stimme
seines braven Vaters diese Frage thun hören und den Versuch gemacht, eine
befriedigende Antwort darauf zu finden. Er Hütte sagen können, Herr Anderson
wolle keinen Gehilfen mehr halten. Aber das würde nicht wahr gewesen sein.
Und ein junger Mann mit Augusts hellen, blauen Augen war nicht fähig zu
lügen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/287>, abgerufen am 29.06.2024.