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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Der jüngste Tag.

Na, was sprichst du denn nicht. Verstehst dn denn kein Englisch, wenn
dus hörst? He? Dn bist, dacht' ich doch, kein Spitzbube, der maust, und be-
trinken mit Whisky wirst du dich auch uicht. Was hast du denn gemacht, daß
du dich schämst. He, herumgefaulenzt? Kannst du nicht englisch reden? Heraus
damit!

Ich habe nichts gethan, dessen ich mich zu schämen brauchte, sagte August.
Und doch sah er aus, als ob er sich schämte.

So, du hast nichts gethan, dessen dn dich schämen mußt, he? Wirklich
uicht? Warum machst dn dann aber so ein Gesicht wie ein Dieb im Zucht¬
hause? Was redest du uicht mit mir, wo ich mit dir so deutlich rede? Dn
kommst nach Hanse geschlichen Samstag abends wie ein begossener Hund, der
den Schwanz zwischen die Beine genommen hat, und wenn ich dich frage, was
los ist, so machst du ein Schafsgesicht und sagst, du hättest nichts gethan. Ich
behaupte, daß du was gethan hast. Und wenn dn wirklich nichts gethan hast,
warum sagst du mir nicht, was dn gethan hast? He?

Diese ganze Zeit über fand August, daß es schwerer und immer schwerer
wurde, seinem Vater zu sagen, wie die Dinge wirklich Stunden. Als der alte
Mann aber gewahr wurde, daß er nichts ausrichtete, verfiel er in einen ein¬
schmeichelnden Ton.

Komm, August, mein Jüugelcheu, steh nicht wie ein Einfaltspinsel da.
Wels sagte Anderson, als er dich fortschickte?

Er sagte, ich Hütte mit seiner Tochter, Julia Anderson, gesprochen.

Nu, aber du hast doch niemals etwas unrechtes mit ihr geredet, nicht wahr?
Wenn ich dächte, dn hättest was zu ihr gesagt, was sich nicht schickte, so würde
ich dich aus der Stelle prügeln. Hast du dich etwa mit ihr gezankt?

Gezankt mit Julchen! Sie ist die letzte in der Welt, mit der ich mich zanken
möchte. Sie ist so gut, daß --

Aha, du bist in sie verliebt. Du Dummkopf, du. Ist dus meine Er¬
ziehung? Ich sage dir und sage dir immer und immer wieder, du sollst nichts
als Deutsch sprechen und einmal eine gute deutsche Frau heiraten, die ordent¬
lich deutsch mit dir reden kann, und jetzt gehst du mir stracks hin und verliebst
dich bis über die Ohren in so eine Närrin unter den Aankeemüdels! Recht gut,
daß du deswegen fortgeschickt worden bist!

Augusts Gesicht bellte sich auf. Auf dem ganzen Wege nach Hause war
es ihm wie eine unverzeihliche Sünde erschienen, ein Dutchmcm zu sein. Anderson
hatte, als er ihn entlassen, kaum mit ihm gesprochen, und jetzt war es ihm ein
großer Trost, daß sein Vater die Verachtung der Aankees in ihrem vollen Ge¬
wicht erwiederte. Die Überhebung lag also nicht allein ans seiten der Z)aukees.
Es war wenigstens eine offne Frage, wem von beiden, Julia oder ihm, ihre
kleine Liebesaffnre am meisten zur Schande gereichte.


Der jüngste Tag.

Na, was sprichst du denn nicht. Verstehst dn denn kein Englisch, wenn
dus hörst? He? Dn bist, dacht' ich doch, kein Spitzbube, der maust, und be-
trinken mit Whisky wirst du dich auch uicht. Was hast du denn gemacht, daß
du dich schämst. He, herumgefaulenzt? Kannst du nicht englisch reden? Heraus
damit!

Ich habe nichts gethan, dessen ich mich zu schämen brauchte, sagte August.
Und doch sah er aus, als ob er sich schämte.

So, du hast nichts gethan, dessen dn dich schämen mußt, he? Wirklich
uicht? Warum machst dn dann aber so ein Gesicht wie ein Dieb im Zucht¬
hause? Was redest du uicht mit mir, wo ich mit dir so deutlich rede? Dn
kommst nach Hanse geschlichen Samstag abends wie ein begossener Hund, der
den Schwanz zwischen die Beine genommen hat, und wenn ich dich frage, was
los ist, so machst du ein Schafsgesicht und sagst, du hättest nichts gethan. Ich
behaupte, daß du was gethan hast. Und wenn dn wirklich nichts gethan hast,
warum sagst du mir nicht, was dn gethan hast? He?

Diese ganze Zeit über fand August, daß es schwerer und immer schwerer
wurde, seinem Vater zu sagen, wie die Dinge wirklich Stunden. Als der alte
Mann aber gewahr wurde, daß er nichts ausrichtete, verfiel er in einen ein¬
schmeichelnden Ton.

Komm, August, mein Jüugelcheu, steh nicht wie ein Einfaltspinsel da.
Wels sagte Anderson, als er dich fortschickte?

Er sagte, ich Hütte mit seiner Tochter, Julia Anderson, gesprochen.

Nu, aber du hast doch niemals etwas unrechtes mit ihr geredet, nicht wahr?
Wenn ich dächte, dn hättest was zu ihr gesagt, was sich nicht schickte, so würde
ich dich aus der Stelle prügeln. Hast du dich etwa mit ihr gezankt?

Gezankt mit Julchen! Sie ist die letzte in der Welt, mit der ich mich zanken
möchte. Sie ist so gut, daß —

Aha, du bist in sie verliebt. Du Dummkopf, du. Ist dus meine Er¬
ziehung? Ich sage dir und sage dir immer und immer wieder, du sollst nichts
als Deutsch sprechen und einmal eine gute deutsche Frau heiraten, die ordent¬
lich deutsch mit dir reden kann, und jetzt gehst du mir stracks hin und verliebst
dich bis über die Ohren in so eine Närrin unter den Aankeemüdels! Recht gut,
daß du deswegen fortgeschickt worden bist!

Augusts Gesicht bellte sich auf. Auf dem ganzen Wege nach Hause war
es ihm wie eine unverzeihliche Sünde erschienen, ein Dutchmcm zu sein. Anderson
hatte, als er ihn entlassen, kaum mit ihm gesprochen, und jetzt war es ihm ein
großer Trost, daß sein Vater die Verachtung der Aankees in ihrem vollen Ge¬
wicht erwiederte. Die Überhebung lag also nicht allein ans seiten der Z)aukees.
Es war wenigstens eine offne Frage, wem von beiden, Julia oder ihm, ihre
kleine Liebesaffnre am meisten zur Schande gereichte.


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[0288] Der jüngste Tag. Na, was sprichst du denn nicht. Verstehst dn denn kein Englisch, wenn dus hörst? He? Dn bist, dacht' ich doch, kein Spitzbube, der maust, und be- trinken mit Whisky wirst du dich auch uicht. Was hast du denn gemacht, daß du dich schämst. He, herumgefaulenzt? Kannst du nicht englisch reden? Heraus damit! Ich habe nichts gethan, dessen ich mich zu schämen brauchte, sagte August. Und doch sah er aus, als ob er sich schämte. So, du hast nichts gethan, dessen dn dich schämen mußt, he? Wirklich uicht? Warum machst dn dann aber so ein Gesicht wie ein Dieb im Zucht¬ hause? Was redest du uicht mit mir, wo ich mit dir so deutlich rede? Dn kommst nach Hanse geschlichen Samstag abends wie ein begossener Hund, der den Schwanz zwischen die Beine genommen hat, und wenn ich dich frage, was los ist, so machst du ein Schafsgesicht und sagst, du hättest nichts gethan. Ich behaupte, daß du was gethan hast. Und wenn dn wirklich nichts gethan hast, warum sagst du mir nicht, was dn gethan hast? He? Diese ganze Zeit über fand August, daß es schwerer und immer schwerer wurde, seinem Vater zu sagen, wie die Dinge wirklich Stunden. Als der alte Mann aber gewahr wurde, daß er nichts ausrichtete, verfiel er in einen ein¬ schmeichelnden Ton. Komm, August, mein Jüugelcheu, steh nicht wie ein Einfaltspinsel da. Wels sagte Anderson, als er dich fortschickte? Er sagte, ich Hütte mit seiner Tochter, Julia Anderson, gesprochen. Nu, aber du hast doch niemals etwas unrechtes mit ihr geredet, nicht wahr? Wenn ich dächte, dn hättest was zu ihr gesagt, was sich nicht schickte, so würde ich dich aus der Stelle prügeln. Hast du dich etwa mit ihr gezankt? Gezankt mit Julchen! Sie ist die letzte in der Welt, mit der ich mich zanken möchte. Sie ist so gut, daß — Aha, du bist in sie verliebt. Du Dummkopf, du. Ist dus meine Er¬ ziehung? Ich sage dir und sage dir immer und immer wieder, du sollst nichts als Deutsch sprechen und einmal eine gute deutsche Frau heiraten, die ordent¬ lich deutsch mit dir reden kann, und jetzt gehst du mir stracks hin und verliebst dich bis über die Ohren in so eine Närrin unter den Aankeemüdels! Recht gut, daß du deswegen fortgeschickt worden bist! Augusts Gesicht bellte sich auf. Auf dem ganzen Wege nach Hause war es ihm wie eine unverzeihliche Sünde erschienen, ein Dutchmcm zu sein. Anderson hatte, als er ihn entlassen, kaum mit ihm gesprochen, und jetzt war es ihm ein großer Trost, daß sein Vater die Verachtung der Aankees in ihrem vollen Ge¬ wicht erwiederte. Die Überhebung lag also nicht allein ans seiten der Z)aukees. Es war wenigstens eine offne Frage, wem von beiden, Julia oder ihm, ihre kleine Liebesaffnre am meisten zur Schande gereichte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/288>, abgerufen am 29.06.2024.