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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Gin Künstler über Kunst und Kunstgelehrte.

in dritten Bande der kürzlich erschienenen neuen Ausgabe des
Malerblichs von Lionardo da Vinci^) findet sich ein Abschnitt,
dessen Inhalt weit über die Kreise derer hinnus Beachtung ver¬
dient, die sich mit Lionardostndien beschäftigen. Der Herausgeber,
der Maler Heinrich Ludwig in Nom, bemüht, die geistigen Vor¬
bedingungen klarzulegen, die bei demjenigen erfüllt sein müssen, der auf Ver¬
ständnis der Lioncirdoschen Schriften Anspruch macht, widmet eine umfang- und
inhaltreiche Abhandlung der Darstellung des Geistes, durch den "die Renaissance-
kunst als Bildnerei zu Fortschritt und ihrer der Antike zustrebenden Vollendung"
gekommen sei. Er berührt hier viele Fragen von allgemeinem und aktuellen
Interesse. Mancherlei kommt zusammen, um seinen Äußerungen einen besondern
Wert zu verleihen. Die Vereinigung von fachmäßiger Ausübung der Kunst mit
wissenschaftlichem Geist und gelehrter Bildung ist verhältnismäßig selten; noch
seltener aber ist es, daß ein Künstler unberührt geblieben ist von den kvrrnm-
pirenden Einflüssen einer Zeit, die auf künstlerischem Gebiete den hohen Ma߬
stab der Beurteilung verloren hat. Schon in dem vor einigen Jahren erschie¬
nenen Buche desselben Verfassers über die Technik der Ölmalerei traten jene
auszeichnenden Eigenschaften zu Tage; in noch höherem Maße ist dies in der
vorliegenden Abhandlung der Fall.

Es kann nicht der Zweck dieser Besprechung sein, durch Angabe dessen,
was Ludwig sagt, dem Leser die Mühe zu ersparen, sich an die Quelle selbst
zu wenden. Einen besondern Reiz bildet überdies die anregende, oft witzige,
zuweilen etwas sonderbare, immer originelle Ausdrucksweise. Je nach seinem
Standpunkte wird dein einen dies, dem andern jenes richtig oder unrichtig er¬
scheinen. Jeder wird ans Zustimmung oder Widerspruch Nutzen und Belehrung
ziehen. Wenn ich hier an die Ludwigscheu Erörterungen einige Bemerkungen
knüpfe, so geschieht dies eben auch von einem bestimmten Standpunkte aus, der
mich mit dem einen Teile derselben in Übereinstimmung setzt, während er mich
zu dem andern Teile in Opposition bringt. Ich scheide darnach das, was Ludwig
über das Wesen der bildnerischen Thätigkeit sagt, von dem, was er in wesent¬
lich polemischem Tone gegen die Bemühungen derer einwendet, die, ohne selbst
Künstler zu sein, ihre wissenschaftliche Thätigkeit oder ihr philosophisches Nach-



Lionardo da Vinci. Das Buch von der Malerei. Nach dem Ooäsx V-i,t,i-
oanns 1270 herausgegeben, übersetzt und erläutert von Heinrich Ludwig. Wien, Bran-
müllcr, 1882. Die Ausgabe bildet den Is., 16, und 17. Band der "Quellschriften für Kunst¬
geschichte und Kunsttechnik des Mittelalters und der Renaissance."
Gin Künstler über Kunst und Kunstgelehrte.

in dritten Bande der kürzlich erschienenen neuen Ausgabe des
Malerblichs von Lionardo da Vinci^) findet sich ein Abschnitt,
dessen Inhalt weit über die Kreise derer hinnus Beachtung ver¬
dient, die sich mit Lionardostndien beschäftigen. Der Herausgeber,
der Maler Heinrich Ludwig in Nom, bemüht, die geistigen Vor¬
bedingungen klarzulegen, die bei demjenigen erfüllt sein müssen, der auf Ver¬
ständnis der Lioncirdoschen Schriften Anspruch macht, widmet eine umfang- und
inhaltreiche Abhandlung der Darstellung des Geistes, durch den „die Renaissance-
kunst als Bildnerei zu Fortschritt und ihrer der Antike zustrebenden Vollendung"
gekommen sei. Er berührt hier viele Fragen von allgemeinem und aktuellen
Interesse. Mancherlei kommt zusammen, um seinen Äußerungen einen besondern
Wert zu verleihen. Die Vereinigung von fachmäßiger Ausübung der Kunst mit
wissenschaftlichem Geist und gelehrter Bildung ist verhältnismäßig selten; noch
seltener aber ist es, daß ein Künstler unberührt geblieben ist von den kvrrnm-
pirenden Einflüssen einer Zeit, die auf künstlerischem Gebiete den hohen Ma߬
stab der Beurteilung verloren hat. Schon in dem vor einigen Jahren erschie¬
nenen Buche desselben Verfassers über die Technik der Ölmalerei traten jene
auszeichnenden Eigenschaften zu Tage; in noch höherem Maße ist dies in der
vorliegenden Abhandlung der Fall.

Es kann nicht der Zweck dieser Besprechung sein, durch Angabe dessen,
was Ludwig sagt, dem Leser die Mühe zu ersparen, sich an die Quelle selbst
zu wenden. Einen besondern Reiz bildet überdies die anregende, oft witzige,
zuweilen etwas sonderbare, immer originelle Ausdrucksweise. Je nach seinem
Standpunkte wird dein einen dies, dem andern jenes richtig oder unrichtig er¬
scheinen. Jeder wird ans Zustimmung oder Widerspruch Nutzen und Belehrung
ziehen. Wenn ich hier an die Ludwigscheu Erörterungen einige Bemerkungen
knüpfe, so geschieht dies eben auch von einem bestimmten Standpunkte aus, der
mich mit dem einen Teile derselben in Übereinstimmung setzt, während er mich
zu dem andern Teile in Opposition bringt. Ich scheide darnach das, was Ludwig
über das Wesen der bildnerischen Thätigkeit sagt, von dem, was er in wesent¬
lich polemischem Tone gegen die Bemühungen derer einwendet, die, ohne selbst
Künstler zu sein, ihre wissenschaftliche Thätigkeit oder ihr philosophisches Nach-



Lionardo da Vinci. Das Buch von der Malerei. Nach dem Ooäsx V-i,t,i-
oanns 1270 herausgegeben, übersetzt und erläutert von Heinrich Ludwig. Wien, Bran-
müllcr, 1882. Die Ausgabe bildet den Is., 16, und 17. Band der „Quellschriften für Kunst¬
geschichte und Kunsttechnik des Mittelalters und der Renaissance."
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[0252] Gin Künstler über Kunst und Kunstgelehrte. in dritten Bande der kürzlich erschienenen neuen Ausgabe des Malerblichs von Lionardo da Vinci^) findet sich ein Abschnitt, dessen Inhalt weit über die Kreise derer hinnus Beachtung ver¬ dient, die sich mit Lionardostndien beschäftigen. Der Herausgeber, der Maler Heinrich Ludwig in Nom, bemüht, die geistigen Vor¬ bedingungen klarzulegen, die bei demjenigen erfüllt sein müssen, der auf Ver¬ ständnis der Lioncirdoschen Schriften Anspruch macht, widmet eine umfang- und inhaltreiche Abhandlung der Darstellung des Geistes, durch den „die Renaissance- kunst als Bildnerei zu Fortschritt und ihrer der Antike zustrebenden Vollendung" gekommen sei. Er berührt hier viele Fragen von allgemeinem und aktuellen Interesse. Mancherlei kommt zusammen, um seinen Äußerungen einen besondern Wert zu verleihen. Die Vereinigung von fachmäßiger Ausübung der Kunst mit wissenschaftlichem Geist und gelehrter Bildung ist verhältnismäßig selten; noch seltener aber ist es, daß ein Künstler unberührt geblieben ist von den kvrrnm- pirenden Einflüssen einer Zeit, die auf künstlerischem Gebiete den hohen Ma߬ stab der Beurteilung verloren hat. Schon in dem vor einigen Jahren erschie¬ nenen Buche desselben Verfassers über die Technik der Ölmalerei traten jene auszeichnenden Eigenschaften zu Tage; in noch höherem Maße ist dies in der vorliegenden Abhandlung der Fall. Es kann nicht der Zweck dieser Besprechung sein, durch Angabe dessen, was Ludwig sagt, dem Leser die Mühe zu ersparen, sich an die Quelle selbst zu wenden. Einen besondern Reiz bildet überdies die anregende, oft witzige, zuweilen etwas sonderbare, immer originelle Ausdrucksweise. Je nach seinem Standpunkte wird dein einen dies, dem andern jenes richtig oder unrichtig er¬ scheinen. Jeder wird ans Zustimmung oder Widerspruch Nutzen und Belehrung ziehen. Wenn ich hier an die Ludwigscheu Erörterungen einige Bemerkungen knüpfe, so geschieht dies eben auch von einem bestimmten Standpunkte aus, der mich mit dem einen Teile derselben in Übereinstimmung setzt, während er mich zu dem andern Teile in Opposition bringt. Ich scheide darnach das, was Ludwig über das Wesen der bildnerischen Thätigkeit sagt, von dem, was er in wesent¬ lich polemischem Tone gegen die Bemühungen derer einwendet, die, ohne selbst Künstler zu sein, ihre wissenschaftliche Thätigkeit oder ihr philosophisches Nach- Lionardo da Vinci. Das Buch von der Malerei. Nach dem Ooäsx V-i,t,i- oanns 1270 herausgegeben, übersetzt und erläutert von Heinrich Ludwig. Wien, Bran- müllcr, 1882. Die Ausgabe bildet den Is., 16, und 17. Band der „Quellschriften für Kunst¬ geschichte und Kunsttechnik des Mittelalters und der Renaissance."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/252>, abgerufen am 29.06.2024.