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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Rußland und Rumänien'

deren Anfänge wir jetzt beobachten. In der That, wer hätte nicht in jener
von einigen tausend Bauern neulich an die Kammern gerichteten Petition, in
welcher die Verteilung der Staatsländereien, etwa eines Drittels des ge¬
summten rumänischen Ländergebiets, verlangt wurde, die Hemd Rußlands er¬
kannt?

An dem Tage, wo die moldauischen Separatisten und die walachischen
Republikaner den Augenblick für herangekommen halten werden, die Maske ab¬
zuwerfen -- und dieser Augenblick muß einem russisch - deutschen Kriege voran¬
gehen --, wird die hier begründete Dynastie der Hohenzollern, die weder
walachisch noch moldauisch, sondern einfach rumänisch ist, in dem Wetterstnrme
untergehen, aber wenn sie gehen muß, wird sie die nationale Einheit, deren
Palladium sie ist, mitnehmen; denn in Bukarest wird man niemals einen Cusa
zum Fürsten wollen, und in Jcissy wird man jederzeit die Republik ver¬
werfen.

Was die Dobrndscha betrifft, so wird "diese slavische Provinz, die Rußland
den Rumänen geliehen, die es ihnen aber niemals zu geben beabsichtigt hat"
(die eignen Worte eines russischen Großfürsten gegenüber einem bulgarischen
Patrioten), weder den Moldauer" noch den Walachen verbleiben, sondern beiden
entschlüpfen, und mit ihr werden ihnen die Mündungen der Donan verloren
gehen.

Es ist Zeit, endlich einmal den Gedanken aufzudecken, den man wie einen
roten Faden durch das ganze wirre Gewebe der russischen Intriguen hierzulande
hindurchlaufen sieht, wenn man gute Augen und Gelegenheit, sie zu brauchen,
hat, und dieser Gedanke läßt sich folgendermaßen ausdrücken: Das Königreich
Rumänien soll nicht als Ganzes in den angestrebten Bund der Balkanstaaten
eintreten, es soll zerschlagen und dann erst in zwei Stücken dieser Union ein¬
gefügt werden. Nu" aber ist die balkanische Konföderation nichts anderes als
die Gußform, aus der das von Rußland ins Auge gefaßte und erstrebte Groß-
bulgarien hervorgehen wird.

Ein Wink für die Rumänen, welche nicht Bulgaren oder Knechte der Bul¬
garen werden wollen!




Rußland und Rumänien'

deren Anfänge wir jetzt beobachten. In der That, wer hätte nicht in jener
von einigen tausend Bauern neulich an die Kammern gerichteten Petition, in
welcher die Verteilung der Staatsländereien, etwa eines Drittels des ge¬
summten rumänischen Ländergebiets, verlangt wurde, die Hemd Rußlands er¬
kannt?

An dem Tage, wo die moldauischen Separatisten und die walachischen
Republikaner den Augenblick für herangekommen halten werden, die Maske ab¬
zuwerfen — und dieser Augenblick muß einem russisch - deutschen Kriege voran¬
gehen —, wird die hier begründete Dynastie der Hohenzollern, die weder
walachisch noch moldauisch, sondern einfach rumänisch ist, in dem Wetterstnrme
untergehen, aber wenn sie gehen muß, wird sie die nationale Einheit, deren
Palladium sie ist, mitnehmen; denn in Bukarest wird man niemals einen Cusa
zum Fürsten wollen, und in Jcissy wird man jederzeit die Republik ver¬
werfen.

Was die Dobrndscha betrifft, so wird „diese slavische Provinz, die Rußland
den Rumänen geliehen, die es ihnen aber niemals zu geben beabsichtigt hat"
(die eignen Worte eines russischen Großfürsten gegenüber einem bulgarischen
Patrioten), weder den Moldauer» noch den Walachen verbleiben, sondern beiden
entschlüpfen, und mit ihr werden ihnen die Mündungen der Donan verloren
gehen.

Es ist Zeit, endlich einmal den Gedanken aufzudecken, den man wie einen
roten Faden durch das ganze wirre Gewebe der russischen Intriguen hierzulande
hindurchlaufen sieht, wenn man gute Augen und Gelegenheit, sie zu brauchen,
hat, und dieser Gedanke läßt sich folgendermaßen ausdrücken: Das Königreich
Rumänien soll nicht als Ganzes in den angestrebten Bund der Balkanstaaten
eintreten, es soll zerschlagen und dann erst in zwei Stücken dieser Union ein¬
gefügt werden. Nu» aber ist die balkanische Konföderation nichts anderes als
die Gußform, aus der das von Rußland ins Auge gefaßte und erstrebte Groß-
bulgarien hervorgehen wird.

Ein Wink für die Rumänen, welche nicht Bulgaren oder Knechte der Bul¬
garen werden wollen!




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[0251] Rußland und Rumänien' deren Anfänge wir jetzt beobachten. In der That, wer hätte nicht in jener von einigen tausend Bauern neulich an die Kammern gerichteten Petition, in welcher die Verteilung der Staatsländereien, etwa eines Drittels des ge¬ summten rumänischen Ländergebiets, verlangt wurde, die Hemd Rußlands er¬ kannt? An dem Tage, wo die moldauischen Separatisten und die walachischen Republikaner den Augenblick für herangekommen halten werden, die Maske ab¬ zuwerfen — und dieser Augenblick muß einem russisch - deutschen Kriege voran¬ gehen —, wird die hier begründete Dynastie der Hohenzollern, die weder walachisch noch moldauisch, sondern einfach rumänisch ist, in dem Wetterstnrme untergehen, aber wenn sie gehen muß, wird sie die nationale Einheit, deren Palladium sie ist, mitnehmen; denn in Bukarest wird man niemals einen Cusa zum Fürsten wollen, und in Jcissy wird man jederzeit die Republik ver¬ werfen. Was die Dobrndscha betrifft, so wird „diese slavische Provinz, die Rußland den Rumänen geliehen, die es ihnen aber niemals zu geben beabsichtigt hat" (die eignen Worte eines russischen Großfürsten gegenüber einem bulgarischen Patrioten), weder den Moldauer» noch den Walachen verbleiben, sondern beiden entschlüpfen, und mit ihr werden ihnen die Mündungen der Donan verloren gehen. Es ist Zeit, endlich einmal den Gedanken aufzudecken, den man wie einen roten Faden durch das ganze wirre Gewebe der russischen Intriguen hierzulande hindurchlaufen sieht, wenn man gute Augen und Gelegenheit, sie zu brauchen, hat, und dieser Gedanke läßt sich folgendermaßen ausdrücken: Das Königreich Rumänien soll nicht als Ganzes in den angestrebten Bund der Balkanstaaten eintreten, es soll zerschlagen und dann erst in zwei Stücken dieser Union ein¬ gefügt werden. Nu» aber ist die balkanische Konföderation nichts anderes als die Gußform, aus der das von Rußland ins Auge gefaßte und erstrebte Groß- bulgarien hervorgehen wird. Ein Wink für die Rumänen, welche nicht Bulgaren oder Knechte der Bul¬ garen werden wollen!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/251>, abgerufen am 26.06.2024.