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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Gdmund Höfer.

or wenige" Wochen ist mit Edmund Höfer ein deutscher Erzähler
von großen Anlagen und unzweifelhafter Leistungskraft aus dem
Leben geschieden, dessen Feder bis zuletzt -- uicht immer zu
Gunsten seines wohlerworbenen Rufes -- unermüdlich thätig
gewesen war. Vom Jahre 1852 an, wo die "Erzählungen ans
dem Volke" erschienen, bis zum verflossenen Jahre hat Hofer eine endlose
Reihe von Novcllcnsammluugen, kleineren und größeren Romanen publizirt
und in merkwürdiger Ungleichheit bald Meisterstücke wirklicher Erzählungs-
kunst, bald ziemlich alltägliche Geschichten ohne tieferen Gehalt und ohne künst¬
lerische Gestaltung dem Publikum dargeboten. Die Erscheinung Hofers war
zugleich eine individuell eigentümliche und eine typische, individuell-eigentümlich
in der Besonderheit seines Verhältnisses zum Leben, in den Vorzügen und
Mängeln seiner Darstellung, typisch in der Art, wie auch dies reiche Talent bei
uus für den Tagesmarkt verbraucht worden ist. Kann man auch uicht gerade
behaupten, daß Höfer, der als echter, aus der innern Fülle herausschaffender
Dichter begonnen, zuletzt ein bloßer Leihbiblivthckeuschriftstcller gewesen sei
-- davor schützte ihn ein Hauch und Nachglanz seiner guten Tage --, so ist
er doch diesem unerfreulichen Ziel so nahe gekommen wie Karl Spindler und
audere einst vielversprechende Talente. Es liegt ein eignes Verhängnis darin,
daß die äußerliche Gestaltung unsrer Literatur- und Buchhandclsverhältnisse und
die Gewöhnungen unseres Publikums fortgesetzt einen geheimen Zwang auf die
Poetischen Talente ausüben, sich zu wiederholen, zu erschöpfen und ihre stärksten
und frischesten Wirkungen gleichsam selbst wieder aufzuheben. Daß daran oft
genug jene leidige Notwendigkeit ihren Anteil hat, die in Deutschland den "Be¬
rufsschriftsteller" zwingt, eine mäßige Gestaltungskraft über Gebühr ans die
Probe zu setzen und mehr zu dichten als er leben oder erleben kauu, weiß alle
Welt. Deun oft genug merkt der Berufsschriftsteller zu spät, daß die Literatur
in Deutschland kein Beruf ist, wenigstens kein Beruf für ein poetisches Naturell
und eine künstlerische Entwicklung. Aber auch ganz abgesehen von diesem alten
Zwiespalt drängt eine viel stärkere und bedenklichere Macht die deutscheu Schrift¬
steller -- die Erzähler zumal -- zur Überproduktion. Die undankbare Gleich-
giltigkeit und rasche Vergeßlichkeit, welche im deutschen Publikum heimisch und
tief, tief gewurzelt sind, bilden einen beständig wirksamen Sporn und Stachel
für unsere poetischen Naturen. Weit es nicht möglich scheint, daß auch das
beste Buch eine nachhaltige Geltung behaupte, weil auch der verdienteste Schrift-


Gdmund Höfer.

or wenige» Wochen ist mit Edmund Höfer ein deutscher Erzähler
von großen Anlagen und unzweifelhafter Leistungskraft aus dem
Leben geschieden, dessen Feder bis zuletzt — uicht immer zu
Gunsten seines wohlerworbenen Rufes — unermüdlich thätig
gewesen war. Vom Jahre 1852 an, wo die „Erzählungen ans
dem Volke" erschienen, bis zum verflossenen Jahre hat Hofer eine endlose
Reihe von Novcllcnsammluugen, kleineren und größeren Romanen publizirt
und in merkwürdiger Ungleichheit bald Meisterstücke wirklicher Erzählungs-
kunst, bald ziemlich alltägliche Geschichten ohne tieferen Gehalt und ohne künst¬
lerische Gestaltung dem Publikum dargeboten. Die Erscheinung Hofers war
zugleich eine individuell eigentümliche und eine typische, individuell-eigentümlich
in der Besonderheit seines Verhältnisses zum Leben, in den Vorzügen und
Mängeln seiner Darstellung, typisch in der Art, wie auch dies reiche Talent bei
uus für den Tagesmarkt verbraucht worden ist. Kann man auch uicht gerade
behaupten, daß Höfer, der als echter, aus der innern Fülle herausschaffender
Dichter begonnen, zuletzt ein bloßer Leihbiblivthckeuschriftstcller gewesen sei
— davor schützte ihn ein Hauch und Nachglanz seiner guten Tage —, so ist
er doch diesem unerfreulichen Ziel so nahe gekommen wie Karl Spindler und
audere einst vielversprechende Talente. Es liegt ein eignes Verhängnis darin,
daß die äußerliche Gestaltung unsrer Literatur- und Buchhandclsverhältnisse und
die Gewöhnungen unseres Publikums fortgesetzt einen geheimen Zwang auf die
Poetischen Talente ausüben, sich zu wiederholen, zu erschöpfen und ihre stärksten
und frischesten Wirkungen gleichsam selbst wieder aufzuheben. Daß daran oft
genug jene leidige Notwendigkeit ihren Anteil hat, die in Deutschland den „Be¬
rufsschriftsteller" zwingt, eine mäßige Gestaltungskraft über Gebühr ans die
Probe zu setzen und mehr zu dichten als er leben oder erleben kauu, weiß alle
Welt. Deun oft genug merkt der Berufsschriftsteller zu spät, daß die Literatur
in Deutschland kein Beruf ist, wenigstens kein Beruf für ein poetisches Naturell
und eine künstlerische Entwicklung. Aber auch ganz abgesehen von diesem alten
Zwiespalt drängt eine viel stärkere und bedenklichere Macht die deutscheu Schrift¬
steller — die Erzähler zumal — zur Überproduktion. Die undankbare Gleich-
giltigkeit und rasche Vergeßlichkeit, welche im deutschen Publikum heimisch und
tief, tief gewurzelt sind, bilden einen beständig wirksamen Sporn und Stachel
für unsere poetischen Naturen. Weit es nicht möglich scheint, daß auch das
beste Buch eine nachhaltige Geltung behaupte, weil auch der verdienteste Schrift-


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[0131] Gdmund Höfer. or wenige» Wochen ist mit Edmund Höfer ein deutscher Erzähler von großen Anlagen und unzweifelhafter Leistungskraft aus dem Leben geschieden, dessen Feder bis zuletzt — uicht immer zu Gunsten seines wohlerworbenen Rufes — unermüdlich thätig gewesen war. Vom Jahre 1852 an, wo die „Erzählungen ans dem Volke" erschienen, bis zum verflossenen Jahre hat Hofer eine endlose Reihe von Novcllcnsammluugen, kleineren und größeren Romanen publizirt und in merkwürdiger Ungleichheit bald Meisterstücke wirklicher Erzählungs- kunst, bald ziemlich alltägliche Geschichten ohne tieferen Gehalt und ohne künst¬ lerische Gestaltung dem Publikum dargeboten. Die Erscheinung Hofers war zugleich eine individuell eigentümliche und eine typische, individuell-eigentümlich in der Besonderheit seines Verhältnisses zum Leben, in den Vorzügen und Mängeln seiner Darstellung, typisch in der Art, wie auch dies reiche Talent bei uus für den Tagesmarkt verbraucht worden ist. Kann man auch uicht gerade behaupten, daß Höfer, der als echter, aus der innern Fülle herausschaffender Dichter begonnen, zuletzt ein bloßer Leihbiblivthckeuschriftstcller gewesen sei — davor schützte ihn ein Hauch und Nachglanz seiner guten Tage —, so ist er doch diesem unerfreulichen Ziel so nahe gekommen wie Karl Spindler und audere einst vielversprechende Talente. Es liegt ein eignes Verhängnis darin, daß die äußerliche Gestaltung unsrer Literatur- und Buchhandclsverhältnisse und die Gewöhnungen unseres Publikums fortgesetzt einen geheimen Zwang auf die Poetischen Talente ausüben, sich zu wiederholen, zu erschöpfen und ihre stärksten und frischesten Wirkungen gleichsam selbst wieder aufzuheben. Daß daran oft genug jene leidige Notwendigkeit ihren Anteil hat, die in Deutschland den „Be¬ rufsschriftsteller" zwingt, eine mäßige Gestaltungskraft über Gebühr ans die Probe zu setzen und mehr zu dichten als er leben oder erleben kauu, weiß alle Welt. Deun oft genug merkt der Berufsschriftsteller zu spät, daß die Literatur in Deutschland kein Beruf ist, wenigstens kein Beruf für ein poetisches Naturell und eine künstlerische Entwicklung. Aber auch ganz abgesehen von diesem alten Zwiespalt drängt eine viel stärkere und bedenklichere Macht die deutscheu Schrift¬ steller — die Erzähler zumal — zur Überproduktion. Die undankbare Gleich- giltigkeit und rasche Vergeßlichkeit, welche im deutschen Publikum heimisch und tief, tief gewurzelt sind, bilden einen beständig wirksamen Sporn und Stachel für unsere poetischen Naturen. Weit es nicht möglich scheint, daß auch das beste Buch eine nachhaltige Geltung behaupte, weil auch der verdienteste Schrift-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/131>, abgerufen am 03.07.2024.