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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Gdnlnud l^sser.

steiler, der jahrelang schweigt, alsbald unter die Vergessenen und Abgethanen
gerät, weil nichts von jener Pietät unter uns zu finden ist, welche in Frank¬
reich nud England die einmal anerkannte Leistung dem Autor ein Leben hin¬
durch zu Gute kommen läßt, so wird der letzte Hauch darangesetzt, um durch
unablässige neue Produktionen die Teilnahme eben dieses Publikums .zu be¬
haupten.

Welcher von beiden Antrieben oder ob beide und wie viel von beiden bei
Edmund Höfer vorgewaltet, wissen wir nicht. Sein äußeres Leben ist in zwei
großen Hauptabschnitten verlaufen. Er war 1^19 in Greifswald als der Sohn
eines angesehenen Juristen, des Stadtgerichtsdirektor Höfer, geboren, studirte
zu Heidelberg und Berlin lind widmete sich nach einigen Anläufen, in ein Amt
einzutreten, ausschließlich literarischer Thätigkeit. Bis in die Mannesjahre hinein
verweilte er in seiner Vaterstadt Greifswald und im väterlichen Hanse, in den ersten
fünfziger Jahren siedelte er nach Stuttgart über, wo er fortan heimisch blieb. Was
sür die Beurteilung des Schriftstellers wichtiger ist: auch sein inneres poetisches
Leben scheint in zwei Hälften getrennt gewesen zu sein. Einer Periode des
Aufnehmens, Anschauens, innern Erlebens und Genießens ist offenbar eine solche
der reinen Arbeit gefolgt. Es macht den Eindruck, als hätte Höfer Jahre hin¬
durch Eindrücke, Stoffe, Empfindungen, alle Menschengestalten, mit denen das
Leben ihn zusammengeführt, alle Landschaften und Hänser, die er gesehen, wie
einen heimlichen Schatz aufgespeichert, von dem er, nachdem er ihn so hoch ge¬
häuft, daß er sür ein ganzes Leben auszureichen schien, dann eben so viele
Jahre gezehrt hat. Im Gegensatz zu der Mehrzahl der deutschen Dichter, welche
früh mit ihren ersten Produktionen hervortreten und darnach, je uach dem
Gange ihres Lebens, die Anschauungen und Eindrücke zu weiteren Schöpfungen
empfangen, so daß sich die einzelnen Entwicklungsmomentc und Bildungsstufen
durch die ganze Reihe ihrer Bücher hindurch verfolgen und nachweisen lassen,
ist Höfer gleich mit seinen ersten "Geschichten" als ein fertiger Schriftsteller
hervorgetreten. Hintergrund, Gestaltnngsweise und Empfindung sind beinahe in
allen seinen Produktionen die gleichen geblieben, fort und fort hat er, erst ans
dem Bollen und darnach immer zögernder, immer sparsamer, aus einem Schatz
von norddeutschen Erinnerungen, ans Jugendeindrücken geschöpft, zu denen sich
keine weiteren hinzugesellten. Und da geschah es denn, daß die Gestalten, die
Situationen wie die Landschaftsbilder in Hofers Romanen sich zu wiederholen
anfingen, daß an die Stelle der etwas knorrigen, aber frischen, vollen Origi¬
nalität des Erzählers eine gewisse Manier trat, daß die spätern äußerlichen Be¬
richte von Schicksalen und Abenteuern, an denen der Erzähler nicht mehr den
gleichen frischen Anteil nehmen konnte, eben weil er sie für sein poetisches Be¬
dürfen schon oft genug und zu oft erzählt hatte, den Reiz des Persönlichen ver¬
loren. Auch in der "objektivster" Erzählung bedarf es eines Lichts, das aus
dem Innern des Erzählers strahlt, und dies Licht ward in den spätern Erzäh-


Gdnlnud l^sser.

steiler, der jahrelang schweigt, alsbald unter die Vergessenen und Abgethanen
gerät, weil nichts von jener Pietät unter uns zu finden ist, welche in Frank¬
reich nud England die einmal anerkannte Leistung dem Autor ein Leben hin¬
durch zu Gute kommen läßt, so wird der letzte Hauch darangesetzt, um durch
unablässige neue Produktionen die Teilnahme eben dieses Publikums .zu be¬
haupten.

Welcher von beiden Antrieben oder ob beide und wie viel von beiden bei
Edmund Höfer vorgewaltet, wissen wir nicht. Sein äußeres Leben ist in zwei
großen Hauptabschnitten verlaufen. Er war 1^19 in Greifswald als der Sohn
eines angesehenen Juristen, des Stadtgerichtsdirektor Höfer, geboren, studirte
zu Heidelberg und Berlin lind widmete sich nach einigen Anläufen, in ein Amt
einzutreten, ausschließlich literarischer Thätigkeit. Bis in die Mannesjahre hinein
verweilte er in seiner Vaterstadt Greifswald und im väterlichen Hanse, in den ersten
fünfziger Jahren siedelte er nach Stuttgart über, wo er fortan heimisch blieb. Was
sür die Beurteilung des Schriftstellers wichtiger ist: auch sein inneres poetisches
Leben scheint in zwei Hälften getrennt gewesen zu sein. Einer Periode des
Aufnehmens, Anschauens, innern Erlebens und Genießens ist offenbar eine solche
der reinen Arbeit gefolgt. Es macht den Eindruck, als hätte Höfer Jahre hin¬
durch Eindrücke, Stoffe, Empfindungen, alle Menschengestalten, mit denen das
Leben ihn zusammengeführt, alle Landschaften und Hänser, die er gesehen, wie
einen heimlichen Schatz aufgespeichert, von dem er, nachdem er ihn so hoch ge¬
häuft, daß er sür ein ganzes Leben auszureichen schien, dann eben so viele
Jahre gezehrt hat. Im Gegensatz zu der Mehrzahl der deutschen Dichter, welche
früh mit ihren ersten Produktionen hervortreten und darnach, je uach dem
Gange ihres Lebens, die Anschauungen und Eindrücke zu weiteren Schöpfungen
empfangen, so daß sich die einzelnen Entwicklungsmomentc und Bildungsstufen
durch die ganze Reihe ihrer Bücher hindurch verfolgen und nachweisen lassen,
ist Höfer gleich mit seinen ersten „Geschichten" als ein fertiger Schriftsteller
hervorgetreten. Hintergrund, Gestaltnngsweise und Empfindung sind beinahe in
allen seinen Produktionen die gleichen geblieben, fort und fort hat er, erst ans
dem Bollen und darnach immer zögernder, immer sparsamer, aus einem Schatz
von norddeutschen Erinnerungen, ans Jugendeindrücken geschöpft, zu denen sich
keine weiteren hinzugesellten. Und da geschah es denn, daß die Gestalten, die
Situationen wie die Landschaftsbilder in Hofers Romanen sich zu wiederholen
anfingen, daß an die Stelle der etwas knorrigen, aber frischen, vollen Origi¬
nalität des Erzählers eine gewisse Manier trat, daß die spätern äußerlichen Be¬
richte von Schicksalen und Abenteuern, an denen der Erzähler nicht mehr den
gleichen frischen Anteil nehmen konnte, eben weil er sie für sein poetisches Be¬
dürfen schon oft genug und zu oft erzählt hatte, den Reiz des Persönlichen ver¬
loren. Auch in der „objektivster" Erzählung bedarf es eines Lichts, das aus
dem Innern des Erzählers strahlt, und dies Licht ward in den spätern Erzäh-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/132>, abgerufen am 03.07.2024.