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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Zum Lcipitel der fremden Lcmcurrcuz,

War wieder ganz in den Zauberkreis des damaligen deutschen Geisteslebens zu¬
rückversetzt und mochte sich jener Stimmung gegen die äußere Welt verwandt
fühlen, die in eben dieser Zeit Goethe bei Gelegenheit eines Besuchs von Melchior
Grimm am weimarischen Hofe schroff und scharf in den Worten seines Geheim-
tagebnchs ausdrückte: "Ich fühlte es tief, daß ich dem Manne nichts zu sage"
hatte, der von Petersburg nach Paris ging/' Einseitig wie sie war, hat diese
Stimmung dennoch einen Antheil an unserm besten Leben und Schaffen gehabt,
der jetzt nur zu oft vergesse" oder schlechthin geleugnet wird,

Körner und Graf Schönburg wandten sich über Lausanne und Genf nach
Frankreich, wo sie monatelang verweilten. Ueber den Zeitpunkt der Rückkehr
geben die Lcetionsverzeichnisse der Leipziger Universität einige Auskunft. Nach¬
dem Körners Name in denselben während dreier Semester ausgefallen, kün¬
digt das Verzeichniß der Vorlesungen für den Sommer 1781 wiederum an,
daß Chr, Gottfried Körner, Doctor der Weltweisheit und beider Rechte, vier¬
stündig "Naturrecht nach Achenwall" und zweistündig "Politische Oekonomie"
vortragen werde. Um Ostern 1781 muß er demnach in seiner Vaterstadt wieder
angelangt gewesen sein.




Zum (Lapitel der fremden (Loncurrenz.

e freier sich die sämmtlichen wirthschaftlichen Kräfte eines Landes
entfalten, desto mächtiger wird anch, zum Vortheil der nationalen
wie der internationalen Cultur, ihre Productionen; und umgekehrt:
jede Beschränkung ihres Spielraums vermindert auch ihr Gesammt-
erzeugniß, so gewiß wie das Resultat einer jeden Kraft durch Gegen¬
druck vermindert wird____ Solche Thesen werden bei uns Deutschen
ihre Wirkung nie verfehlen, so lange wir uns noch von der wissenschaftlichen Phrase
in gleicher Weise faseiniren lassen wie der Franzose von der politisch-nationalen.
Doppelt gefährlich aber müssen sie werden zu einer Zeit, in der die zahlreichen
Berufs- und Fncharbeiten die Veschäftignng mit den ernsten Fragen des nationalen
Lebens für die meisten unsrer Mitbürger auf die Stunden der Muße, der Er¬
holung und Unterhaltung beschränken. Da wird ein Satz, der bei einer wissen¬
schaftlichen Form idealistisch anklingt, der offenbar das ganze verworrene Detail
volkswirthschaftlicher Zustände mit einem Schlage in richtiger Perspective er¬
scheinen läßt, der bei seiner augenscheinlichen Unanfechtbarkeit ja jeden weiter",
>'ir die leichte Stimmung der Mußestunden doch stets fatalen Denkproceß er-
Ipart, dem angehende" Politiker stets als ein willkommener Fund erscheinen,
Mich werthvoll für die Erweiterung der eignen Einsicht wie für die Darlegung
derselben bei stürmischer Frühschoppen-Discussion, Wenn wir demzufolge leider


Zum Lcipitel der fremden Lcmcurrcuz,

War wieder ganz in den Zauberkreis des damaligen deutschen Geisteslebens zu¬
rückversetzt und mochte sich jener Stimmung gegen die äußere Welt verwandt
fühlen, die in eben dieser Zeit Goethe bei Gelegenheit eines Besuchs von Melchior
Grimm am weimarischen Hofe schroff und scharf in den Worten seines Geheim-
tagebnchs ausdrückte: „Ich fühlte es tief, daß ich dem Manne nichts zu sage»
hatte, der von Petersburg nach Paris ging/' Einseitig wie sie war, hat diese
Stimmung dennoch einen Antheil an unserm besten Leben und Schaffen gehabt,
der jetzt nur zu oft vergesse« oder schlechthin geleugnet wird,

Körner und Graf Schönburg wandten sich über Lausanne und Genf nach
Frankreich, wo sie monatelang verweilten. Ueber den Zeitpunkt der Rückkehr
geben die Lcetionsverzeichnisse der Leipziger Universität einige Auskunft. Nach¬
dem Körners Name in denselben während dreier Semester ausgefallen, kün¬
digt das Verzeichniß der Vorlesungen für den Sommer 1781 wiederum an,
daß Chr, Gottfried Körner, Doctor der Weltweisheit und beider Rechte, vier¬
stündig „Naturrecht nach Achenwall" und zweistündig „Politische Oekonomie"
vortragen werde. Um Ostern 1781 muß er demnach in seiner Vaterstadt wieder
angelangt gewesen sein.




Zum (Lapitel der fremden (Loncurrenz.

e freier sich die sämmtlichen wirthschaftlichen Kräfte eines Landes
entfalten, desto mächtiger wird anch, zum Vortheil der nationalen
wie der internationalen Cultur, ihre Productionen; und umgekehrt:
jede Beschränkung ihres Spielraums vermindert auch ihr Gesammt-
erzeugniß, so gewiß wie das Resultat einer jeden Kraft durch Gegen¬
druck vermindert wird____ Solche Thesen werden bei uns Deutschen
ihre Wirkung nie verfehlen, so lange wir uns noch von der wissenschaftlichen Phrase
in gleicher Weise faseiniren lassen wie der Franzose von der politisch-nationalen.
Doppelt gefährlich aber müssen sie werden zu einer Zeit, in der die zahlreichen
Berufs- und Fncharbeiten die Veschäftignng mit den ernsten Fragen des nationalen
Lebens für die meisten unsrer Mitbürger auf die Stunden der Muße, der Er¬
holung und Unterhaltung beschränken. Da wird ein Satz, der bei einer wissen¬
schaftlichen Form idealistisch anklingt, der offenbar das ganze verworrene Detail
volkswirthschaftlicher Zustände mit einem Schlage in richtiger Perspective er¬
scheinen läßt, der bei seiner augenscheinlichen Unanfechtbarkeit ja jeden weiter»,
>'ir die leichte Stimmung der Mußestunden doch stets fatalen Denkproceß er-
Ipart, dem angehende» Politiker stets als ein willkommener Fund erscheinen,
Mich werthvoll für die Erweiterung der eignen Einsicht wie für die Darlegung
derselben bei stürmischer Frühschoppen-Discussion, Wenn wir demzufolge leider


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[0261] Zum Lcipitel der fremden Lcmcurrcuz, War wieder ganz in den Zauberkreis des damaligen deutschen Geisteslebens zu¬ rückversetzt und mochte sich jener Stimmung gegen die äußere Welt verwandt fühlen, die in eben dieser Zeit Goethe bei Gelegenheit eines Besuchs von Melchior Grimm am weimarischen Hofe schroff und scharf in den Worten seines Geheim- tagebnchs ausdrückte: „Ich fühlte es tief, daß ich dem Manne nichts zu sage» hatte, der von Petersburg nach Paris ging/' Einseitig wie sie war, hat diese Stimmung dennoch einen Antheil an unserm besten Leben und Schaffen gehabt, der jetzt nur zu oft vergesse« oder schlechthin geleugnet wird, Körner und Graf Schönburg wandten sich über Lausanne und Genf nach Frankreich, wo sie monatelang verweilten. Ueber den Zeitpunkt der Rückkehr geben die Lcetionsverzeichnisse der Leipziger Universität einige Auskunft. Nach¬ dem Körners Name in denselben während dreier Semester ausgefallen, kün¬ digt das Verzeichniß der Vorlesungen für den Sommer 1781 wiederum an, daß Chr, Gottfried Körner, Doctor der Weltweisheit und beider Rechte, vier¬ stündig „Naturrecht nach Achenwall" und zweistündig „Politische Oekonomie" vortragen werde. Um Ostern 1781 muß er demnach in seiner Vaterstadt wieder angelangt gewesen sein. Zum (Lapitel der fremden (Loncurrenz. e freier sich die sämmtlichen wirthschaftlichen Kräfte eines Landes entfalten, desto mächtiger wird anch, zum Vortheil der nationalen wie der internationalen Cultur, ihre Productionen; und umgekehrt: jede Beschränkung ihres Spielraums vermindert auch ihr Gesammt- erzeugniß, so gewiß wie das Resultat einer jeden Kraft durch Gegen¬ druck vermindert wird____ Solche Thesen werden bei uns Deutschen ihre Wirkung nie verfehlen, so lange wir uns noch von der wissenschaftlichen Phrase in gleicher Weise faseiniren lassen wie der Franzose von der politisch-nationalen. Doppelt gefährlich aber müssen sie werden zu einer Zeit, in der die zahlreichen Berufs- und Fncharbeiten die Veschäftignng mit den ernsten Fragen des nationalen Lebens für die meisten unsrer Mitbürger auf die Stunden der Muße, der Er¬ holung und Unterhaltung beschränken. Da wird ein Satz, der bei einer wissen¬ schaftlichen Form idealistisch anklingt, der offenbar das ganze verworrene Detail volkswirthschaftlicher Zustände mit einem Schlage in richtiger Perspective er¬ scheinen läßt, der bei seiner augenscheinlichen Unanfechtbarkeit ja jeden weiter», >'ir die leichte Stimmung der Mußestunden doch stets fatalen Denkproceß er- Ipart, dem angehende» Politiker stets als ein willkommener Fund erscheinen, Mich werthvoll für die Erweiterung der eignen Einsicht wie für die Darlegung derselben bei stürmischer Frühschoppen-Discussion, Wenn wir demzufolge leider

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/261>, abgerufen am 01.09.2024.