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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Aus (Lhristmn Gottfried Körners Reisewgebüchern.

(welche wenige Jahre später von dem Berliner Karl Philipp Moritz in seiner
"Fußreise eines Deutschen in England" vortrefflich geschildert ward), um unsern
ästhetisch gestimmten Freund in seine eigentliche Natur zurückzuversetzen. Wie
lange die momentane Veränderung vorgehalten, ist leider nicht ersichtlich -- vom
24, Juni ab sind wieder Stücke des Tagebuchs verloren. Wir wissen nicht
genau, wenn Körner und Graf Schönburg England verließen. Aber an
September 1780, von wo an wieder Aufzeichnungen vorhanden sind, hatten
sie bereits die im vorigen Herbst vcrschvbne Reise durch die niederländischen
Provinzen und den größern Theil Belgiens hinter sich und wendeten sich über
Spa und Verviers nach Aachen, Bei Düsseldorf erreichten die Reisenden wieder
bekannten, schon im vorigen Jahre betretenen Boden. In Pempelfort machte
diesmal Körner "des Geheimen Raths Jaeobis und seines Bruders des Dichters
Bekanntschaft."

Die letzten Blätter der Körnerschen Reisetagebücher zeigen uns die Reisenden
auf dem Wege über Frankfurt um Main, Darmstadt und Straßburg und beim
Eintritt in die Schweiz. In Emmendingen lernt Körner Goethes Schwager
Schlosser kennen, den er gereizt und verstimmt findet. In den Worten: "Man
sucht im Durlachschen sehr die Erziehung des Landvolks zu verbessern, aber
nicht allemal mit gehöriger Klugheit, indem die Kinder oft zu sehr von der
Landwirthschaft abgezogen werden" spürt man einen Nachklang der Unterhaltung
mit Schlosser. An den Tagen vom I. bis zum 4. Oetober 1780 war Körner
in Zürich, und von hier stammen die spätesten Aufzeichnungen, die nach der
Beschaffenheit des Manuscripts von Körner überhaupt nicht fortgesetzt worden
find, sondern plötzlich abbrechen. Am 1. Oetober machte er Lavaters Bekannt¬
schaft: "Er predigt sehr plan und allgemeinfaßlich, mit beständiger Beziehung
auf die Bibel. Im Umgange ist er natürlich, ohne Prätention und Affectation,
spricht über jede Sache als ein Mann von Geist, aber von interessanten Dingen
nur auf Veranlassung und von seinen eigensten religiösen und philosophischen
Ideen nur mit seinen Freunden oder solchen, bei denen er Sinn sür diese
Sachen und aufrichtigen Antheil daran bemerkt szu denen natürlich Körner
gehörtes Er wird von einer großen Menge geliebt und geschätzt und seine
Predigten sind sehr voll. In seiner Stube ist ein großes Gemälde von Christus
mit einem Knaben, das ihm West gemalt und geschenkt hat. Auch besitzt er
einen Christuskopf, zwar nicht von hohem Ideal, aber mit ungemeiner Wahrheit
als Darstellung eines vorzüglich guten Menschen von einem unbekannten Meister,"
Am 4. Oetober lernte Körner eine künstlerisch-poetische Berühmtheit kennen, die
schon der Vergangenheit der deutschen Literatur angehörte: Salomon Geßner,
den Jdyllcndichter. Mit der Nachricht, daß der Patriarch Bodmer, der noch
vor kurzem Trauerspiele gedichtet, sich "jetzt mit Manuscripten von alten deut¬
schen Gedichten beschäftigt, die er zum Theil herausgeben will," also mit einer
hoffnungsreichen Aussicht schließe" die uns vorliegenden Neisetagebücher. Körner


Aus (Lhristmn Gottfried Körners Reisewgebüchern.

(welche wenige Jahre später von dem Berliner Karl Philipp Moritz in seiner
„Fußreise eines Deutschen in England" vortrefflich geschildert ward), um unsern
ästhetisch gestimmten Freund in seine eigentliche Natur zurückzuversetzen. Wie
lange die momentane Veränderung vorgehalten, ist leider nicht ersichtlich -- vom
24, Juni ab sind wieder Stücke des Tagebuchs verloren. Wir wissen nicht
genau, wenn Körner und Graf Schönburg England verließen. Aber an
September 1780, von wo an wieder Aufzeichnungen vorhanden sind, hatten
sie bereits die im vorigen Herbst vcrschvbne Reise durch die niederländischen
Provinzen und den größern Theil Belgiens hinter sich und wendeten sich über
Spa und Verviers nach Aachen, Bei Düsseldorf erreichten die Reisenden wieder
bekannten, schon im vorigen Jahre betretenen Boden. In Pempelfort machte
diesmal Körner „des Geheimen Raths Jaeobis und seines Bruders des Dichters
Bekanntschaft."

Die letzten Blätter der Körnerschen Reisetagebücher zeigen uns die Reisenden
auf dem Wege über Frankfurt um Main, Darmstadt und Straßburg und beim
Eintritt in die Schweiz. In Emmendingen lernt Körner Goethes Schwager
Schlosser kennen, den er gereizt und verstimmt findet. In den Worten: „Man
sucht im Durlachschen sehr die Erziehung des Landvolks zu verbessern, aber
nicht allemal mit gehöriger Klugheit, indem die Kinder oft zu sehr von der
Landwirthschaft abgezogen werden" spürt man einen Nachklang der Unterhaltung
mit Schlosser. An den Tagen vom I. bis zum 4. Oetober 1780 war Körner
in Zürich, und von hier stammen die spätesten Aufzeichnungen, die nach der
Beschaffenheit des Manuscripts von Körner überhaupt nicht fortgesetzt worden
find, sondern plötzlich abbrechen. Am 1. Oetober machte er Lavaters Bekannt¬
schaft: „Er predigt sehr plan und allgemeinfaßlich, mit beständiger Beziehung
auf die Bibel. Im Umgange ist er natürlich, ohne Prätention und Affectation,
spricht über jede Sache als ein Mann von Geist, aber von interessanten Dingen
nur auf Veranlassung und von seinen eigensten religiösen und philosophischen
Ideen nur mit seinen Freunden oder solchen, bei denen er Sinn sür diese
Sachen und aufrichtigen Antheil daran bemerkt szu denen natürlich Körner
gehörtes Er wird von einer großen Menge geliebt und geschätzt und seine
Predigten sind sehr voll. In seiner Stube ist ein großes Gemälde von Christus
mit einem Knaben, das ihm West gemalt und geschenkt hat. Auch besitzt er
einen Christuskopf, zwar nicht von hohem Ideal, aber mit ungemeiner Wahrheit
als Darstellung eines vorzüglich guten Menschen von einem unbekannten Meister,"
Am 4. Oetober lernte Körner eine künstlerisch-poetische Berühmtheit kennen, die
schon der Vergangenheit der deutschen Literatur angehörte: Salomon Geßner,
den Jdyllcndichter. Mit der Nachricht, daß der Patriarch Bodmer, der noch
vor kurzem Trauerspiele gedichtet, sich „jetzt mit Manuscripten von alten deut¬
schen Gedichten beschäftigt, die er zum Theil herausgeben will," also mit einer
hoffnungsreichen Aussicht schließe» die uns vorliegenden Neisetagebücher. Körner


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[0260] Aus (Lhristmn Gottfried Körners Reisewgebüchern. (welche wenige Jahre später von dem Berliner Karl Philipp Moritz in seiner „Fußreise eines Deutschen in England" vortrefflich geschildert ward), um unsern ästhetisch gestimmten Freund in seine eigentliche Natur zurückzuversetzen. Wie lange die momentane Veränderung vorgehalten, ist leider nicht ersichtlich -- vom 24, Juni ab sind wieder Stücke des Tagebuchs verloren. Wir wissen nicht genau, wenn Körner und Graf Schönburg England verließen. Aber an September 1780, von wo an wieder Aufzeichnungen vorhanden sind, hatten sie bereits die im vorigen Herbst vcrschvbne Reise durch die niederländischen Provinzen und den größern Theil Belgiens hinter sich und wendeten sich über Spa und Verviers nach Aachen, Bei Düsseldorf erreichten die Reisenden wieder bekannten, schon im vorigen Jahre betretenen Boden. In Pempelfort machte diesmal Körner „des Geheimen Raths Jaeobis und seines Bruders des Dichters Bekanntschaft." Die letzten Blätter der Körnerschen Reisetagebücher zeigen uns die Reisenden auf dem Wege über Frankfurt um Main, Darmstadt und Straßburg und beim Eintritt in die Schweiz. In Emmendingen lernt Körner Goethes Schwager Schlosser kennen, den er gereizt und verstimmt findet. In den Worten: „Man sucht im Durlachschen sehr die Erziehung des Landvolks zu verbessern, aber nicht allemal mit gehöriger Klugheit, indem die Kinder oft zu sehr von der Landwirthschaft abgezogen werden" spürt man einen Nachklang der Unterhaltung mit Schlosser. An den Tagen vom I. bis zum 4. Oetober 1780 war Körner in Zürich, und von hier stammen die spätesten Aufzeichnungen, die nach der Beschaffenheit des Manuscripts von Körner überhaupt nicht fortgesetzt worden find, sondern plötzlich abbrechen. Am 1. Oetober machte er Lavaters Bekannt¬ schaft: „Er predigt sehr plan und allgemeinfaßlich, mit beständiger Beziehung auf die Bibel. Im Umgange ist er natürlich, ohne Prätention und Affectation, spricht über jede Sache als ein Mann von Geist, aber von interessanten Dingen nur auf Veranlassung und von seinen eigensten religiösen und philosophischen Ideen nur mit seinen Freunden oder solchen, bei denen er Sinn sür diese Sachen und aufrichtigen Antheil daran bemerkt szu denen natürlich Körner gehörtes Er wird von einer großen Menge geliebt und geschätzt und seine Predigten sind sehr voll. In seiner Stube ist ein großes Gemälde von Christus mit einem Knaben, das ihm West gemalt und geschenkt hat. Auch besitzt er einen Christuskopf, zwar nicht von hohem Ideal, aber mit ungemeiner Wahrheit als Darstellung eines vorzüglich guten Menschen von einem unbekannten Meister," Am 4. Oetober lernte Körner eine künstlerisch-poetische Berühmtheit kennen, die schon der Vergangenheit der deutschen Literatur angehörte: Salomon Geßner, den Jdyllcndichter. Mit der Nachricht, daß der Patriarch Bodmer, der noch vor kurzem Trauerspiele gedichtet, sich „jetzt mit Manuscripten von alten deut¬ schen Gedichten beschäftigt, die er zum Theil herausgeben will," also mit einer hoffnungsreichen Aussicht schließe» die uns vorliegenden Neisetagebücher. Körner

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/260>, abgerufen am 01.09.2024.