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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Gladstones Programm und (Lrfolge.

or einigen Wochen, kurz mich der Thronbesteigung des jetzige"
russischen Kaisers, schriebe" wir: "Kronprinzen verbreiten häufig
um sich den Ruf, entgegengesetzter politischer Meinung zu sein als
der Throninhaber, namentlich liberal zu sei", wenn dieser con-
servativ, oder sehr liberal zu sein, wen" dieser eS "ur mäßig ist.
Kommen sie dann zur Gewalt und mit ihr zur Verantwortlichkeit für ihre Ent¬
schließung und Richtung, so treten sie ans der Theorie, we"n sie ihr übcrha"Pt
im Ernste gehuldigt haben, in die Praxis und vor die Welt der Thatsachen,
und hier geben nicht Velleitäten, sondern die Umstünde, die Verhältnisse den
Ausschlag."

Aehnliches gilt von populären Politikern, die nach der Stelle am Nuder
des Staates trachten, oder denen man diese Stelle von Seiten ihrer Partei
wünscht und mit mehr oder weniger Recht voraussagt, Ihr Streben hat Er¬
folg, weil sie sich die Macht zu verschaffen verstanden haben, welche in parla¬
mentarisch regierten Staaten in der öffentlichen Meinung liegt, der Wunsch und
die Weissagung erfüllen sich, der Parteiführer wird Premierminister oder Präsi¬
dent, und was sehen wir um? In der Regel ist der Gnug der Dinge folgender:
Der strebsame Politiker, welcher die Macht gewonnen hatte, die bisherige Re¬
gierung zum Rücktritte zu zwingen, ist, indem er deren Stelle einmmmt, sofort
insofern weniger mächtig geworden, als er nun für das, was er beabsichtigt,
die Verantwortlichkeit zu tragen hat; er muß mit den Thatsachen rechnen, sich
vor ihnen beschränken, sich in den Zwang der Verhältnisse fügen und häufig
dasselbe thu", was er, als er "och Oppvsitivusmnnu, noch Kritiker war, herb


Grenzboten 11. 1881. 49


Gladstones Programm und (Lrfolge.

or einigen Wochen, kurz mich der Thronbesteigung des jetzige»
russischen Kaisers, schriebe» wir: „Kronprinzen verbreiten häufig
um sich den Ruf, entgegengesetzter politischer Meinung zu sein als
der Throninhaber, namentlich liberal zu sei», wenn dieser con-
servativ, oder sehr liberal zu sein, wen» dieser eS »ur mäßig ist.
Kommen sie dann zur Gewalt und mit ihr zur Verantwortlichkeit für ihre Ent¬
schließung und Richtung, so treten sie ans der Theorie, we»n sie ihr übcrha»Pt
im Ernste gehuldigt haben, in die Praxis und vor die Welt der Thatsachen,
und hier geben nicht Velleitäten, sondern die Umstünde, die Verhältnisse den
Ausschlag."

Aehnliches gilt von populären Politikern, die nach der Stelle am Nuder
des Staates trachten, oder denen man diese Stelle von Seiten ihrer Partei
wünscht und mit mehr oder weniger Recht voraussagt, Ihr Streben hat Er¬
folg, weil sie sich die Macht zu verschaffen verstanden haben, welche in parla¬
mentarisch regierten Staaten in der öffentlichen Meinung liegt, der Wunsch und
die Weissagung erfüllen sich, der Parteiführer wird Premierminister oder Präsi¬
dent, und was sehen wir um? In der Regel ist der Gnug der Dinge folgender:
Der strebsame Politiker, welcher die Macht gewonnen hatte, die bisherige Re¬
gierung zum Rücktritte zu zwingen, ist, indem er deren Stelle einmmmt, sofort
insofern weniger mächtig geworden, als er nun für das, was er beabsichtigt,
die Verantwortlichkeit zu tragen hat; er muß mit den Thatsachen rechnen, sich
vor ihnen beschränken, sich in den Zwang der Verhältnisse fügen und häufig
dasselbe thu», was er, als er »och Oppvsitivusmnnu, noch Kritiker war, herb


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[0389] [Abbildung] Gladstones Programm und (Lrfolge. or einigen Wochen, kurz mich der Thronbesteigung des jetzige» russischen Kaisers, schriebe» wir: „Kronprinzen verbreiten häufig um sich den Ruf, entgegengesetzter politischer Meinung zu sein als der Throninhaber, namentlich liberal zu sei», wenn dieser con- servativ, oder sehr liberal zu sein, wen» dieser eS »ur mäßig ist. Kommen sie dann zur Gewalt und mit ihr zur Verantwortlichkeit für ihre Ent¬ schließung und Richtung, so treten sie ans der Theorie, we»n sie ihr übcrha»Pt im Ernste gehuldigt haben, in die Praxis und vor die Welt der Thatsachen, und hier geben nicht Velleitäten, sondern die Umstünde, die Verhältnisse den Ausschlag." Aehnliches gilt von populären Politikern, die nach der Stelle am Nuder des Staates trachten, oder denen man diese Stelle von Seiten ihrer Partei wünscht und mit mehr oder weniger Recht voraussagt, Ihr Streben hat Er¬ folg, weil sie sich die Macht zu verschaffen verstanden haben, welche in parla¬ mentarisch regierten Staaten in der öffentlichen Meinung liegt, der Wunsch und die Weissagung erfüllen sich, der Parteiführer wird Premierminister oder Präsi¬ dent, und was sehen wir um? In der Regel ist der Gnug der Dinge folgender: Der strebsame Politiker, welcher die Macht gewonnen hatte, die bisherige Re¬ gierung zum Rücktritte zu zwingen, ist, indem er deren Stelle einmmmt, sofort insofern weniger mächtig geworden, als er nun für das, was er beabsichtigt, die Verantwortlichkeit zu tragen hat; er muß mit den Thatsachen rechnen, sich vor ihnen beschränken, sich in den Zwang der Verhältnisse fügen und häufig dasselbe thu», was er, als er »och Oppvsitivusmnnu, noch Kritiker war, herb Grenzboten 11. 1881. 49

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/389>, abgerufen am 29.06.2024.