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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Calderon.
Line literarhistorische Studie zu seiner Gedächtnißfeier,
von Paul Schönfeld. (Fortsetzung.)

icht minder hoch als der "Wunderthätige Magus" steht die Tra¬
gödie "Der standhafte Prinz,"*) in welcher der Dichter, im wesent¬
lichen an die geschichtliche Ueberlieferung sich haltend, wobei er
freilich bisweilen zeitlich anseinandcrliegendes zusammenrückt, das
Schicksal des 1443 in maurischer Gefangenschaft freiwillig unter-
gegangnen portugiesischen Infanten Fernando in ergreifenden Scenen voll der
mächtigsten Spannung und Steigerung vorführt. Durch diese wie die vorher
besprochne Tragödie wird die Ansicht gründlich widerlegt, daß ein Märtyrer sich
nicht für die Bühne eigne; freilich ist hier das Martyrium kein bloßes Leiden,
sondern in lebendige, packende Netion umgesetzt. Die Geschlossenheit der Hand¬
lung, die künstlerische Oekonomie, die keine überflüssige Scene, keine für den
Gang der Handlung bedeutungslose Nebenperson duldet, ist in diesem Stücke
musterhaft zu nennen, und die innere Folgerichtigkeit des Geschehenden liegt in
unübertrefflicher Klarheit und Durchsichtigkeit zu Tage. Eine Darlegung des
Inhalts, wie kurz auch immer, wird dies bestätigen.

Im ersten Acte eröffnet der König von Fez seiner Tochter Phönix, daß
Marokkos König Tarudante um ihre Hand werbe und ihm zugleich seinen Bei¬
stand anbiete, um Ceuta von den Portugiesen zurückzuerobern. Muley, der Feld¬
herr des Königs von Fez, der die Prinzessin liebt und von ihr seine Neigung
erwiedert sieht, erscheint mit der Nachricht, daß die Infanten Don Enrique und
Fernando im Auftrage ihres Bruders, des Königs Eduard von Portugal, mit
einer stattlichen Flotte zur Eroberung Tangers anrücken. Er erhält den Befehl,
ihnen entgegenzuziehcn, und entspricht dieser Weisung, nachdem er noch eine
Unterredung mit Phönix gehabt und in ihren Händen voll Eifersucht das Bild
Tarudantes bemerkt hat, das ihr Vater ihr gegeben. In der nächsten Seene
steigen die portugiesischen Infanten mit Don Juan Cvutinho und kriegerischem
Gefolge bei Tanger ans Land. Muley wird im Kampfe besiegt, erhält jedoch
von Fernando Leben und Freiheit geschenkt, nachdem er diesem von seiner un¬
glücklichen Liebe berichtet:



Eine treffliche Ausgabe des Urtextes mit deutschen Anmerkungen von Berus. Leh-
mann erschien 1877 zu Frankfurt a. M. Uebersetzt findet sich das Stück im 2. Bde. von
A. W. Schlegels Spanischen Theater.
Calderon.
Line literarhistorische Studie zu seiner Gedächtnißfeier,
von Paul Schönfeld. (Fortsetzung.)

icht minder hoch als der „Wunderthätige Magus" steht die Tra¬
gödie „Der standhafte Prinz,"*) in welcher der Dichter, im wesent¬
lichen an die geschichtliche Ueberlieferung sich haltend, wobei er
freilich bisweilen zeitlich anseinandcrliegendes zusammenrückt, das
Schicksal des 1443 in maurischer Gefangenschaft freiwillig unter-
gegangnen portugiesischen Infanten Fernando in ergreifenden Scenen voll der
mächtigsten Spannung und Steigerung vorführt. Durch diese wie die vorher
besprochne Tragödie wird die Ansicht gründlich widerlegt, daß ein Märtyrer sich
nicht für die Bühne eigne; freilich ist hier das Martyrium kein bloßes Leiden,
sondern in lebendige, packende Netion umgesetzt. Die Geschlossenheit der Hand¬
lung, die künstlerische Oekonomie, die keine überflüssige Scene, keine für den
Gang der Handlung bedeutungslose Nebenperson duldet, ist in diesem Stücke
musterhaft zu nennen, und die innere Folgerichtigkeit des Geschehenden liegt in
unübertrefflicher Klarheit und Durchsichtigkeit zu Tage. Eine Darlegung des
Inhalts, wie kurz auch immer, wird dies bestätigen.

Im ersten Acte eröffnet der König von Fez seiner Tochter Phönix, daß
Marokkos König Tarudante um ihre Hand werbe und ihm zugleich seinen Bei¬
stand anbiete, um Ceuta von den Portugiesen zurückzuerobern. Muley, der Feld¬
herr des Königs von Fez, der die Prinzessin liebt und von ihr seine Neigung
erwiedert sieht, erscheint mit der Nachricht, daß die Infanten Don Enrique und
Fernando im Auftrage ihres Bruders, des Königs Eduard von Portugal, mit
einer stattlichen Flotte zur Eroberung Tangers anrücken. Er erhält den Befehl,
ihnen entgegenzuziehcn, und entspricht dieser Weisung, nachdem er noch eine
Unterredung mit Phönix gehabt und in ihren Händen voll Eifersucht das Bild
Tarudantes bemerkt hat, das ihr Vater ihr gegeben. In der nächsten Seene
steigen die portugiesischen Infanten mit Don Juan Cvutinho und kriegerischem
Gefolge bei Tanger ans Land. Muley wird im Kampfe besiegt, erhält jedoch
von Fernando Leben und Freiheit geschenkt, nachdem er diesem von seiner un¬
glücklichen Liebe berichtet:



Eine treffliche Ausgabe des Urtextes mit deutschen Anmerkungen von Berus. Leh-
mann erschien 1877 zu Frankfurt a. M. Uebersetzt findet sich das Stück im 2. Bde. von
A. W. Schlegels Spanischen Theater.
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[0274] Calderon. Line literarhistorische Studie zu seiner Gedächtnißfeier, von Paul Schönfeld. (Fortsetzung.) icht minder hoch als der „Wunderthätige Magus" steht die Tra¬ gödie „Der standhafte Prinz,"*) in welcher der Dichter, im wesent¬ lichen an die geschichtliche Ueberlieferung sich haltend, wobei er freilich bisweilen zeitlich anseinandcrliegendes zusammenrückt, das Schicksal des 1443 in maurischer Gefangenschaft freiwillig unter- gegangnen portugiesischen Infanten Fernando in ergreifenden Scenen voll der mächtigsten Spannung und Steigerung vorführt. Durch diese wie die vorher besprochne Tragödie wird die Ansicht gründlich widerlegt, daß ein Märtyrer sich nicht für die Bühne eigne; freilich ist hier das Martyrium kein bloßes Leiden, sondern in lebendige, packende Netion umgesetzt. Die Geschlossenheit der Hand¬ lung, die künstlerische Oekonomie, die keine überflüssige Scene, keine für den Gang der Handlung bedeutungslose Nebenperson duldet, ist in diesem Stücke musterhaft zu nennen, und die innere Folgerichtigkeit des Geschehenden liegt in unübertrefflicher Klarheit und Durchsichtigkeit zu Tage. Eine Darlegung des Inhalts, wie kurz auch immer, wird dies bestätigen. Im ersten Acte eröffnet der König von Fez seiner Tochter Phönix, daß Marokkos König Tarudante um ihre Hand werbe und ihm zugleich seinen Bei¬ stand anbiete, um Ceuta von den Portugiesen zurückzuerobern. Muley, der Feld¬ herr des Königs von Fez, der die Prinzessin liebt und von ihr seine Neigung erwiedert sieht, erscheint mit der Nachricht, daß die Infanten Don Enrique und Fernando im Auftrage ihres Bruders, des Königs Eduard von Portugal, mit einer stattlichen Flotte zur Eroberung Tangers anrücken. Er erhält den Befehl, ihnen entgegenzuziehcn, und entspricht dieser Weisung, nachdem er noch eine Unterredung mit Phönix gehabt und in ihren Händen voll Eifersucht das Bild Tarudantes bemerkt hat, das ihr Vater ihr gegeben. In der nächsten Seene steigen die portugiesischen Infanten mit Don Juan Cvutinho und kriegerischem Gefolge bei Tanger ans Land. Muley wird im Kampfe besiegt, erhält jedoch von Fernando Leben und Freiheit geschenkt, nachdem er diesem von seiner un¬ glücklichen Liebe berichtet: Eine treffliche Ausgabe des Urtextes mit deutschen Anmerkungen von Berus. Leh- mann erschien 1877 zu Frankfurt a. M. Uebersetzt findet sich das Stück im 2. Bde. von A. W. Schlegels Spanischen Theater.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/274>, abgerufen am 29.06.2024.