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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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Macchiavelli als militärischer Techniker.
von Max Jahns.

n den der militärischen Technik gewidmeten Abschnitten von Macchia-
vellis ^rtv Ävllg. Aasrrg. tritt der echte Charakter der Renaissmiee
insofern deutlich hervor, als die darin niedergelegten Anschauungen
und Vorschläge eine untrennbare Verbindung scharfer, unmittel¬
barer Beobachtung und antiker Reminiscenzen sind. Bald waltet
das eine, bald das andre Element vor.

Als Ideal eines Fußvolks erscheint dem großen Florentiner natürlich das
römische. Er kennt die Klagen des Vegetius über die Verzärtelung der spätrömischen
Legionäre, welche die alten Schutzwaffen verschmähten, auf denen doch die Mög¬
lichkeit des Nahgefechtes beruhte, und schließt sich diesen Klagen für seine eigne
Zeit mit vollem Rechte an, "Unser heutiges Fußvolk," sagt er, "trägt zu seiner
Vertheidigung ein eisernes Bruststück.... nur wenige haben auch Rücken und
Arme bewehrt, keiner den Kopf. . , , Diese Art der Bewaffnung ist zweckmäßig
für die Erleichterung der Märsche und Evolutionen, Ohne Schutzwaffen ist aber
der Mann jedem Schlage preisgegeben; er ist geradezu unbrauchbar beim Angriffe
auf Befestigungen, ja überall, wo er auf ernsten, kräftigen Widerstand stößt, also
auch gegen tüchtige Infanterie. Sobald ein gutes mit Schutzwaffen und Degen
versehenes Fußvolk den Schweizern so nahe ans den Leib rückt, daß ihnen die
Pike nicht mehr nützt, sind sie doch auch auf den Degen angewiesen, und dann
kommen sie wegen des Mangels an Schutzwaffen in Nachtheil."

In taktischer Beziehung war gerade zu Anfang des 16. Jahrhunderts durch
die großen genierten Haufen der Schweizer und Landsknechte der Gedanke der
Defensive leitend geworden. Da mit reiner Defensive aber keine Entscheidung
zu gewinnen ist, so galt es, Formen zu finden, welche dem Fnßvoltc günstige
Bedingungen für den Angriff sicherten. Als Mittel dazu erschien den Taktikern
die Verbreiterung der Gesammtfront des Heeres und das Neservesystem. Praktisch
wurde beides längst von den Schweizern in ihrer staffelförmigen Schlachtordnung
angewendet; theoretisch aber hat Macchiavelli diese Dinge nicht nur zuerst gründ¬
lich auseinandergesetzt, sondern sie mich weiter entwickelt und zwar zunächst ledig¬
lich in Anwendung auf die blanken Waffen, da er auf die Feuerwirkung noch
ungemein wenig Werth legt.

"Ihr theilt -- so ruft er seinen Zeitgenossen zu -- eure Heere in drei
große Haufen, Avantgarde, Vataille, Nrriüregarde; aber es sind nur drei Namen;


Macchiavelli als militärischer Techniker.
von Max Jahns.

n den der militärischen Technik gewidmeten Abschnitten von Macchia-
vellis ^rtv Ävllg. Aasrrg. tritt der echte Charakter der Renaissmiee
insofern deutlich hervor, als die darin niedergelegten Anschauungen
und Vorschläge eine untrennbare Verbindung scharfer, unmittel¬
barer Beobachtung und antiker Reminiscenzen sind. Bald waltet
das eine, bald das andre Element vor.

Als Ideal eines Fußvolks erscheint dem großen Florentiner natürlich das
römische. Er kennt die Klagen des Vegetius über die Verzärtelung der spätrömischen
Legionäre, welche die alten Schutzwaffen verschmähten, auf denen doch die Mög¬
lichkeit des Nahgefechtes beruhte, und schließt sich diesen Klagen für seine eigne
Zeit mit vollem Rechte an, „Unser heutiges Fußvolk," sagt er, „trägt zu seiner
Vertheidigung ein eisernes Bruststück.... nur wenige haben auch Rücken und
Arme bewehrt, keiner den Kopf. . , , Diese Art der Bewaffnung ist zweckmäßig
für die Erleichterung der Märsche und Evolutionen, Ohne Schutzwaffen ist aber
der Mann jedem Schlage preisgegeben; er ist geradezu unbrauchbar beim Angriffe
auf Befestigungen, ja überall, wo er auf ernsten, kräftigen Widerstand stößt, also
auch gegen tüchtige Infanterie. Sobald ein gutes mit Schutzwaffen und Degen
versehenes Fußvolk den Schweizern so nahe ans den Leib rückt, daß ihnen die
Pike nicht mehr nützt, sind sie doch auch auf den Degen angewiesen, und dann
kommen sie wegen des Mangels an Schutzwaffen in Nachtheil."

In taktischer Beziehung war gerade zu Anfang des 16. Jahrhunderts durch
die großen genierten Haufen der Schweizer und Landsknechte der Gedanke der
Defensive leitend geworden. Da mit reiner Defensive aber keine Entscheidung
zu gewinnen ist, so galt es, Formen zu finden, welche dem Fnßvoltc günstige
Bedingungen für den Angriff sicherten. Als Mittel dazu erschien den Taktikern
die Verbreiterung der Gesammtfront des Heeres und das Neservesystem. Praktisch
wurde beides längst von den Schweizern in ihrer staffelförmigen Schlachtordnung
angewendet; theoretisch aber hat Macchiavelli diese Dinge nicht nur zuerst gründ¬
lich auseinandergesetzt, sondern sie mich weiter entwickelt und zwar zunächst ledig¬
lich in Anwendung auf die blanken Waffen, da er auf die Feuerwirkung noch
ungemein wenig Werth legt.

„Ihr theilt — so ruft er seinen Zeitgenossen zu — eure Heere in drei
große Haufen, Avantgarde, Vataille, Nrriüregarde; aber es sind nur drei Namen;


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[0561] Macchiavelli als militärischer Techniker. von Max Jahns. n den der militärischen Technik gewidmeten Abschnitten von Macchia- vellis ^rtv Ävllg. Aasrrg. tritt der echte Charakter der Renaissmiee insofern deutlich hervor, als die darin niedergelegten Anschauungen und Vorschläge eine untrennbare Verbindung scharfer, unmittel¬ barer Beobachtung und antiker Reminiscenzen sind. Bald waltet das eine, bald das andre Element vor. Als Ideal eines Fußvolks erscheint dem großen Florentiner natürlich das römische. Er kennt die Klagen des Vegetius über die Verzärtelung der spätrömischen Legionäre, welche die alten Schutzwaffen verschmähten, auf denen doch die Mög¬ lichkeit des Nahgefechtes beruhte, und schließt sich diesen Klagen für seine eigne Zeit mit vollem Rechte an, „Unser heutiges Fußvolk," sagt er, „trägt zu seiner Vertheidigung ein eisernes Bruststück.... nur wenige haben auch Rücken und Arme bewehrt, keiner den Kopf. . , , Diese Art der Bewaffnung ist zweckmäßig für die Erleichterung der Märsche und Evolutionen, Ohne Schutzwaffen ist aber der Mann jedem Schlage preisgegeben; er ist geradezu unbrauchbar beim Angriffe auf Befestigungen, ja überall, wo er auf ernsten, kräftigen Widerstand stößt, also auch gegen tüchtige Infanterie. Sobald ein gutes mit Schutzwaffen und Degen versehenes Fußvolk den Schweizern so nahe ans den Leib rückt, daß ihnen die Pike nicht mehr nützt, sind sie doch auch auf den Degen angewiesen, und dann kommen sie wegen des Mangels an Schutzwaffen in Nachtheil." In taktischer Beziehung war gerade zu Anfang des 16. Jahrhunderts durch die großen genierten Haufen der Schweizer und Landsknechte der Gedanke der Defensive leitend geworden. Da mit reiner Defensive aber keine Entscheidung zu gewinnen ist, so galt es, Formen zu finden, welche dem Fnßvoltc günstige Bedingungen für den Angriff sicherten. Als Mittel dazu erschien den Taktikern die Verbreiterung der Gesammtfront des Heeres und das Neservesystem. Praktisch wurde beides längst von den Schweizern in ihrer staffelförmigen Schlachtordnung angewendet; theoretisch aber hat Macchiavelli diese Dinge nicht nur zuerst gründ¬ lich auseinandergesetzt, sondern sie mich weiter entwickelt und zwar zunächst ledig¬ lich in Anwendung auf die blanken Waffen, da er auf die Feuerwirkung noch ungemein wenig Werth legt. „Ihr theilt — so ruft er seinen Zeitgenossen zu — eure Heere in drei große Haufen, Avantgarde, Vataille, Nrriüregarde; aber es sind nur drei Namen;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/561>, abgerufen am 26.12.2024.