Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.Streben der irdischen Kraft und Durchbildung uach jenem unerreichbaren Ueber¬ So liegt eine tiefe Symbolik auch in dem Vorgange, daß die Ultramon- ^ ^ Literatur. Zur politischen Geschichte Islands. Gesammelte Aufsätze von Konrad Island ist ein in mehrfacher Beziehung interessantes Land. Bedeutsam Ursprünglich höchst wahrscheinlich unbewohnt, wurde Island zuerst gegen Streben der irdischen Kraft und Durchbildung uach jenem unerreichbaren Ueber¬ So liegt eine tiefe Symbolik auch in dem Vorgange, daß die Ultramon- ^ ^ Literatur. Zur politischen Geschichte Islands. Gesammelte Aufsätze von Konrad Island ist ein in mehrfacher Beziehung interessantes Land. Bedeutsam Ursprünglich höchst wahrscheinlich unbewohnt, wurde Island zuerst gegen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0165" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/147812"/> <p xml:id="ID_466" prev="#ID_465"> Streben der irdischen Kraft und Durchbildung uach jenem unerreichbaren Ueber¬<lb/> irdischen. Die Reformation hat nichts gethan, als das Streben der Seele über<lb/> ihr irdisches Dasein hinaus in ihre eigene moralische Nervollkommuuug zu ver¬<lb/> legen, deren Ergänzung aber immerdar jenes Ueberirdische bleibt, das als Gnade<lb/> dem wahrhaft und rein strebenden Willen sich darbietet. Der Katholicismus<lb/> aber will das Ueberirdische auf Erden sein, er hält die Gnade in seiner Huld<lb/> und theilt sie aus. In das irdische Abbild des Göttlichen, in die Kirche soll<lb/> die Seele sich versenken und aus ihr, nicht ans der unsichtbaren Himmelsgewalt,<lb/> die Gnade schöpfen durch Unterwerfung und momentane Zerknirschung, nicht<lb/> dnrch lauteres Streben ohne Unterlaß.</p><lb/> <p xml:id="ID_467"> So liegt eine tiefe Symbolik auch in dem Vorgange, daß die Ultramon-<lb/> tanen die Vollendung des Kölner Domes nicht mitgefeiert haben. Die Abwe¬<lb/> senheit ihres Erzbischofs gab deu äußeren Anlaß, aber der Ultramontanismus<lb/> ahnt, daß er in dem Kölner Dom keinen Zeugen seines Strebens hat. Die<lb/> kommenden Jahrhunderte werden richten, ob der Kölner Dom, der Zeuge des<lb/> deutscheu Glaubens und des Reiches, das von diesem Glanben ins Leben ge¬<lb/> rufen, dauerhafter sein wird, dauerhafter im Sammeln der Geister, oder die<lb/> Peterskirche, ob die Zukunft Europas dem Läuterungsstrebeu der Rationell oder<lb/> der Ergebung in den ewig fertigen Universalstaat der römischen Kirche gehört.</p><lb/> <note type="byline"> ^<lb/> ^</note><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Literatur.</head><lb/> <p xml:id="ID_468"> Zur politischen Geschichte Islands. Gesammelte Aufsätze von Konrad<lb/> Maurer. Leipzig, B. Schlicke, 1880.</p><lb/> <p xml:id="ID_469"> Island ist ein in mehrfacher Beziehung interessantes Land. Bedeutsam<lb/> vor allem ist das Studium seiner Literatur, zumal der aus der älteren Zeit,<lb/> die namentlich deshalb werthvoll ist, weil sie uns Zeugniß über die eigenartige<lb/> Cultur der nordischen Borzeit ablegt. In hohem Grade anziehend und lehr¬<lb/> reich ist aber auch die Verfolgung seiner eigenthümlichen staatlichen und recht¬<lb/> lichen Entwicklung.</p><lb/> <p xml:id="ID_470" next="#ID_471"> Ursprünglich höchst wahrscheinlich unbewohnt, wurde Island zuerst gegen<lb/> Ende des 8. Jahrhunderts vou irischen Mönchen besucht. Diese zogen aber,<lb/> als heidnische Colonisten in größerer Zahl sich ans der Insel niederzulassen<lb/> anfingen, wieder fort, um die störende Berührung mit diesen zu meiden. Seit<lb/> 874 nämlich, zu der Zeit, wo sich Harald der schönhaarige der Alleinherrschaft<lb/> über Norwegen bemächtigte, wandten sich uach der Insel helle Haufen skandi¬<lb/> navischer Männer, vorwiegend Norweger, zum guten Theil die höchste Aristo¬<lb/> kratie des Landes, die mit der Neuerung der Dinge unzufrieden war. Nicht</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0165]
Streben der irdischen Kraft und Durchbildung uach jenem unerreichbaren Ueber¬
irdischen. Die Reformation hat nichts gethan, als das Streben der Seele über
ihr irdisches Dasein hinaus in ihre eigene moralische Nervollkommuuug zu ver¬
legen, deren Ergänzung aber immerdar jenes Ueberirdische bleibt, das als Gnade
dem wahrhaft und rein strebenden Willen sich darbietet. Der Katholicismus
aber will das Ueberirdische auf Erden sein, er hält die Gnade in seiner Huld
und theilt sie aus. In das irdische Abbild des Göttlichen, in die Kirche soll
die Seele sich versenken und aus ihr, nicht ans der unsichtbaren Himmelsgewalt,
die Gnade schöpfen durch Unterwerfung und momentane Zerknirschung, nicht
dnrch lauteres Streben ohne Unterlaß.
So liegt eine tiefe Symbolik auch in dem Vorgange, daß die Ultramon-
tanen die Vollendung des Kölner Domes nicht mitgefeiert haben. Die Abwe¬
senheit ihres Erzbischofs gab deu äußeren Anlaß, aber der Ultramontanismus
ahnt, daß er in dem Kölner Dom keinen Zeugen seines Strebens hat. Die
kommenden Jahrhunderte werden richten, ob der Kölner Dom, der Zeuge des
deutscheu Glaubens und des Reiches, das von diesem Glanben ins Leben ge¬
rufen, dauerhafter sein wird, dauerhafter im Sammeln der Geister, oder die
Peterskirche, ob die Zukunft Europas dem Läuterungsstrebeu der Rationell oder
der Ergebung in den ewig fertigen Universalstaat der römischen Kirche gehört.
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Literatur.
Zur politischen Geschichte Islands. Gesammelte Aufsätze von Konrad
Maurer. Leipzig, B. Schlicke, 1880.
Island ist ein in mehrfacher Beziehung interessantes Land. Bedeutsam
vor allem ist das Studium seiner Literatur, zumal der aus der älteren Zeit,
die namentlich deshalb werthvoll ist, weil sie uns Zeugniß über die eigenartige
Cultur der nordischen Borzeit ablegt. In hohem Grade anziehend und lehr¬
reich ist aber auch die Verfolgung seiner eigenthümlichen staatlichen und recht¬
lichen Entwicklung.
Ursprünglich höchst wahrscheinlich unbewohnt, wurde Island zuerst gegen
Ende des 8. Jahrhunderts vou irischen Mönchen besucht. Diese zogen aber,
als heidnische Colonisten in größerer Zahl sich ans der Insel niederzulassen
anfingen, wieder fort, um die störende Berührung mit diesen zu meiden. Seit
874 nämlich, zu der Zeit, wo sich Harald der schönhaarige der Alleinherrschaft
über Norwegen bemächtigte, wandten sich uach der Insel helle Haufen skandi¬
navischer Männer, vorwiegend Norweger, zum guten Theil die höchste Aristo¬
kratie des Landes, die mit der Neuerung der Dinge unzufrieden war. Nicht
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