Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.lich von Heine und von Strauß verfochten worden ist. Heine sprach es in Aber die Heutigen, welche noch so denken, befinden sich in tiefem Irrthum, lich von Heine und von Strauß verfochten worden ist. Heine sprach es in Aber die Heutigen, welche noch so denken, befinden sich in tiefem Irrthum, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0164" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/147811"/> <p xml:id="ID_464" prev="#ID_463"> lich von Heine und von Strauß verfochten worden ist. Heine sprach es in<lb/> seinen Versen aus, daß die Reformation den Kölner Dom gezwungen, als<lb/> Ruine stehen zu bleiben, und daß er in seiner Trümmerhaftigkeit das Denkmal<lb/> der Reformation geworden. Strauß ergänzte in Prosa, daß der Ausbau des<lb/> Kölner Domes nur eine Huldigung und eine Unterstützung für die Zwecke des<lb/> Ultramontanismus, eine Verleugnung der Reformation sei. Der Dichter und<lb/> der Philosoph, welche so vielen Einfluß auf den Geist ihrer Zeitgenossen geübt,<lb/> würden in der heutigen Festfreude mit manchen der heutigen Zeitgenossen viel¬<lb/> leicht das Umbiegen in die Bahn der sogenannten Reaktion sehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_465" next="#ID_466"> Aber die Heutigen, welche noch so denken, befinden sich in tiefem Irrthum,<lb/> und wenn die Oetvbertage in Köln die Einseitigkeit Friedrich Wilhelms IV.<lb/> nicht ausgelöscht haben, so haben sie noch weniger der Einseitigkeit seiner Gegner<lb/> einen Triumph gelassen. Denn dieser Kölner Dom, dessen Grundstein ein nltra-<lb/> mvntcmer, reichsfeindlicher Kirchenfürst vor sechs Jahrhunderten in Gegenwart<lb/> jenes elenden Wilhelm von Holland, des Schattenkönigs, welchen die Ultramon-<lb/> tanen dem großen Hohenstaufen-Kaiser gegenüber zu stellen suchten, gelegt, dieser<lb/> Dom ist kein katholisches, sondern ein echt deutsches Werk. Merkwürdig ist es,<lb/> wie Strauß den gothischen Baustil als reinsten Ausdruck des Katholicismus<lb/> charakteriesiren konnte. Der Vielbelesene wußte vieles uicht, aber daß der gothi¬<lb/> sche Baustil wohl ein Ausdruck des Mittelalters, aber kein Ausdruck des Katho¬<lb/> licismus ist, hätte Strauß von dem Philosophen lernen können, den er bis zu<lb/> seinem traurigen Ende im Materialismus als Meister verehrt hat. Wie viel<lb/> wir über den gothischen Baustil, seine Entstehung, seine Bedingungen und Ten¬<lb/> denzen in den letzten Jahren erfahren haben, feinen Charakter hat niemand<lb/> schöner als Hegel bezeichnet: es ist das Hinansstreben über die Endlichkeit, die<lb/> Stärke der Grundlage und die Vergeistigung der in die Höhe strebenden Theile,<lb/> das mystische Dunkel und die überirdische Klarheit. Das alles entspricht nicht<lb/> dem Katholicismus, der völlig er selbst geworden. Völlig zu sich selbst gekom¬<lb/> men ist der Katholicismus mit Hilfe der Renaissance durch den Gegensatz zur<lb/> Reformation. Der gothische Baustil, wie er in den Entwürfen zum Kölner Dom<lb/> sein höchstes Ziel erreichte, ist dagegen der Vorläufer der Reformation. Als<lb/> im 16. Jahrhundert die Riesenkuppel der Peterskirche zu Rom sich wölbte, da<lb/> hörte der Fortbau des Kölner Domes gänzlich auf. Heute steht der Kölner<lb/> Dom neben der Peterskirche. Ist dies ein Symbol? Man kann den Gegen¬<lb/> satz der beiden Wnnderbauten mit den Schlußversen des „Faust" ausdrücken.<lb/> „Alles Vergängliche ist nur ein Gleichniß," verkündigt der Kölner Dom. „Das<lb/> Unzulängliche, hier wird's Ereigniß," behauptet die Peterskirche. Sie will in<lb/> ihrer Riesenkuppel die sichtbare Unendlichkeit darstellen, der Kölner Dom lenkt<lb/> den Blick in unerreichbare Fernen des Ueberirdischen, er zeigt überall das höchste</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0164]
lich von Heine und von Strauß verfochten worden ist. Heine sprach es in
seinen Versen aus, daß die Reformation den Kölner Dom gezwungen, als
Ruine stehen zu bleiben, und daß er in seiner Trümmerhaftigkeit das Denkmal
der Reformation geworden. Strauß ergänzte in Prosa, daß der Ausbau des
Kölner Domes nur eine Huldigung und eine Unterstützung für die Zwecke des
Ultramontanismus, eine Verleugnung der Reformation sei. Der Dichter und
der Philosoph, welche so vielen Einfluß auf den Geist ihrer Zeitgenossen geübt,
würden in der heutigen Festfreude mit manchen der heutigen Zeitgenossen viel¬
leicht das Umbiegen in die Bahn der sogenannten Reaktion sehen.
Aber die Heutigen, welche noch so denken, befinden sich in tiefem Irrthum,
und wenn die Oetvbertage in Köln die Einseitigkeit Friedrich Wilhelms IV.
nicht ausgelöscht haben, so haben sie noch weniger der Einseitigkeit seiner Gegner
einen Triumph gelassen. Denn dieser Kölner Dom, dessen Grundstein ein nltra-
mvntcmer, reichsfeindlicher Kirchenfürst vor sechs Jahrhunderten in Gegenwart
jenes elenden Wilhelm von Holland, des Schattenkönigs, welchen die Ultramon-
tanen dem großen Hohenstaufen-Kaiser gegenüber zu stellen suchten, gelegt, dieser
Dom ist kein katholisches, sondern ein echt deutsches Werk. Merkwürdig ist es,
wie Strauß den gothischen Baustil als reinsten Ausdruck des Katholicismus
charakteriesiren konnte. Der Vielbelesene wußte vieles uicht, aber daß der gothi¬
sche Baustil wohl ein Ausdruck des Mittelalters, aber kein Ausdruck des Katho¬
licismus ist, hätte Strauß von dem Philosophen lernen können, den er bis zu
seinem traurigen Ende im Materialismus als Meister verehrt hat. Wie viel
wir über den gothischen Baustil, seine Entstehung, seine Bedingungen und Ten¬
denzen in den letzten Jahren erfahren haben, feinen Charakter hat niemand
schöner als Hegel bezeichnet: es ist das Hinansstreben über die Endlichkeit, die
Stärke der Grundlage und die Vergeistigung der in die Höhe strebenden Theile,
das mystische Dunkel und die überirdische Klarheit. Das alles entspricht nicht
dem Katholicismus, der völlig er selbst geworden. Völlig zu sich selbst gekom¬
men ist der Katholicismus mit Hilfe der Renaissance durch den Gegensatz zur
Reformation. Der gothische Baustil, wie er in den Entwürfen zum Kölner Dom
sein höchstes Ziel erreichte, ist dagegen der Vorläufer der Reformation. Als
im 16. Jahrhundert die Riesenkuppel der Peterskirche zu Rom sich wölbte, da
hörte der Fortbau des Kölner Domes gänzlich auf. Heute steht der Kölner
Dom neben der Peterskirche. Ist dies ein Symbol? Man kann den Gegen¬
satz der beiden Wnnderbauten mit den Schlußversen des „Faust" ausdrücken.
„Alles Vergängliche ist nur ein Gleichniß," verkündigt der Kölner Dom. „Das
Unzulängliche, hier wird's Ereigniß," behauptet die Peterskirche. Sie will in
ihrer Riesenkuppel die sichtbare Unendlichkeit darstellen, der Kölner Dom lenkt
den Blick in unerreichbare Fernen des Ueberirdischen, er zeigt überall das höchste
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