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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.

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keit zu belügen, nicht ohne eine die Person selbst in ihrer Ehre empfindlich
treffende Strafe hingehen läßt, man sollte meinen, daß durch nichts so sehr
und so sicher unser Volk zur Wahrhaftigkeit erzogen werden könnte als dnrch
ein solches Verfahren von Seiten des Staates, zumal wenn Schule und Kirche
dies Ziel als eins ihrer hauptsächlichsten gleichzeitig mit aller Energie zu er¬
reichen strebten.

Jedenfalls mochten wir glauben, daß auch in Bezug aus den Eid und die
Maßnahmen, welche dazu dienen sollen, die Menschen an die Wahrheit und Treue
ihres Wortes zu binden, die Gesetzgebung noch nicht das letzte Worte gesprochen
hat, und wenn nicht heute und morgen, so wird man doch früher oder später
einmal in Erwägung ziehen müßen, ob es nicht gerathen sei, Maßregeln ganz
zu unterlassen, deren Werth zweifelhaft ist und bei deren Anwendung eine
Gleichheit vor dem Gesetz sich erwiesenermaßen nun einmal nicht herstellen
läßt, wenn mau sich nicht allerlei Gewissensbedrückungen will zu schulde" kommen
lassen. Der Eid verhindert nicht, daß Meineide geschworen und falsche Urtheile
von den Gerichten abgegeben werden; ein Wegfallen des Eides aber würde
eine geordnete und ihrer Aufgabe genügende Rechtspflege gewiß nicht unmöglich
machen.




Die Geschichte des Kölner Domes.
von Friedrich Goeler von Ravensburg.

Es ist ein schönes, interessantes Kapitel Kunst- und Culturgeschichte, das
am 14. August 1880 seinen Abschluß gefunden, außerordentlich ist es und
eigenartig wie das große Werk selbst, vou dem es handelt, das Kapitel vom
Kölner Dom bau. Heute, wo wir bewundernd vor dem vollendeten Werke
stehen, ist unser Interesse ihm doppelt lebhaft zugewandt. Was geworden ist,
steht vor uns in Größe und Herrlichkeit. So wollen wir sehen, wie es geworden.

Die meisten unserer großen mittelalterlichen Dome und Münster find dadurch
entstanden, daß ältere, bescheidenere Bauten der wachsenden Macht und dem
wachsenden Ansehen der Kirche, der Zunahme-der Wallfahrten und des Reliquien-
mltus, dem steigenden Reichthum der Bischöfe, der geistlichen Kapitel und der
Städte nicht mehr genügten und deshalb durch theilweise oder gänzliche Neu-
bauten in großartigem Stile ersetzt wurden. So war es auch in Köln. Zwar


keit zu belügen, nicht ohne eine die Person selbst in ihrer Ehre empfindlich
treffende Strafe hingehen läßt, man sollte meinen, daß durch nichts so sehr
und so sicher unser Volk zur Wahrhaftigkeit erzogen werden könnte als dnrch
ein solches Verfahren von Seiten des Staates, zumal wenn Schule und Kirche
dies Ziel als eins ihrer hauptsächlichsten gleichzeitig mit aller Energie zu er¬
reichen strebten.

Jedenfalls mochten wir glauben, daß auch in Bezug aus den Eid und die
Maßnahmen, welche dazu dienen sollen, die Menschen an die Wahrheit und Treue
ihres Wortes zu binden, die Gesetzgebung noch nicht das letzte Worte gesprochen
hat, und wenn nicht heute und morgen, so wird man doch früher oder später
einmal in Erwägung ziehen müßen, ob es nicht gerathen sei, Maßregeln ganz
zu unterlassen, deren Werth zweifelhaft ist und bei deren Anwendung eine
Gleichheit vor dem Gesetz sich erwiesenermaßen nun einmal nicht herstellen
läßt, wenn mau sich nicht allerlei Gewissensbedrückungen will zu schulde» kommen
lassen. Der Eid verhindert nicht, daß Meineide geschworen und falsche Urtheile
von den Gerichten abgegeben werden; ein Wegfallen des Eides aber würde
eine geordnete und ihrer Aufgabe genügende Rechtspflege gewiß nicht unmöglich
machen.




Die Geschichte des Kölner Domes.
von Friedrich Goeler von Ravensburg.

Es ist ein schönes, interessantes Kapitel Kunst- und Culturgeschichte, das
am 14. August 1880 seinen Abschluß gefunden, außerordentlich ist es und
eigenartig wie das große Werk selbst, vou dem es handelt, das Kapitel vom
Kölner Dom bau. Heute, wo wir bewundernd vor dem vollendeten Werke
stehen, ist unser Interesse ihm doppelt lebhaft zugewandt. Was geworden ist,
steht vor uns in Größe und Herrlichkeit. So wollen wir sehen, wie es geworden.

Die meisten unserer großen mittelalterlichen Dome und Münster find dadurch
entstanden, daß ältere, bescheidenere Bauten der wachsenden Macht und dem
wachsenden Ansehen der Kirche, der Zunahme-der Wallfahrten und des Reliquien-
mltus, dem steigenden Reichthum der Bischöfe, der geistlichen Kapitel und der
Städte nicht mehr genügten und deshalb durch theilweise oder gänzliche Neu-
bauten in großartigem Stile ersetzt wurden. So war es auch in Köln. Zwar


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157695/118>, abgerufen am 27.12.2024.