Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

jedoch höchst ungünstig aufgenommen. "Kleist schob die Schuld auf Goethe
und wollte ihn fordern" (Biedermann a.. a. O. S. 64). Mag dies anch nur
Weimarer Klatsch gewesen sein, jedenfalls ist der Bruch zwischen Kleist und
Goethe damals eingetreten und ein unheilbarer geworden,

Philipp Otto Runge (geb. 23. Juli 1777, geht. 2. Dezember 1810) hat
Goethe's Interesse vor allem dadurch auf sich gezogen, daß er ein Anhänger
seiner Farbenlehre war, diese dnrch eigene Studien vom Standpunkte des Malers
förderte und fortführte. So fanden denn auch seine Zeichnungen, die er Goethe
sandte, namentlich die der vier Tageszeiten (vgl. über diese: Hinterlassene
Schriften v. P. O. Runge, Hamburg 1840,1. Bd. S. 226 fig.), bei diesem freund¬
liche Aufnahme und Besprechung -- vergl. Werke sHempelj 28, S. 798 fig., Ueber
Kunst und Alterthum in den Rhein- und Main-Gegenden, Heft 2 v. Jahre
1817 S. 35 fig. --, an welcher letzteren Stelle es jedoch von den vier Tages¬
zeiten heißt: "Darstellungen einer neuen wundersamen Art; ihrem äußern
Aussehn uach dem Fach der sogenannten Grotesken verwandt, hinsichtlich auf
den Sinu aber wahre Hieroglyphen." Des Dichters warmes Interesse für den
Maler hat sich oft bekundet (Tag- und Jahreshefte, Absatz 707). Als er von
Perthes die Nachricht erhielt, daß Runge dem Tode unrettbar verfallen, schreibt
er am 16. November 1810 (Runge's Hinterlassene Schriften II, S. 423):
"Daß wir Herrn Runge verlieren sollen, schmerzt mich sehr. Doch er ist jung,
Hoffnung ist bey den Lebenden, und meine Wünsche können ihn nicht loslassen.
Es ist ein Individuum, wie sie selten geboren werden. Sein vorzüglich Talent,
sein wahres treues Wesen als Künstler und Mensch, erweckte schon längst
Neigung und Anhänglichkeit bey mir; und wenn seine Richtung ihn von dem
Wege ablenkte, den ich für den rechten halte, so erregte es in mir kein Mi߬
fallen, fondern ich begleitete ihn gern, wohin seine eigenthümliche Art ihn
trug. Möchte er sich doch nicht so geschwind' in die ätherischen Räume ver¬
lieren! Lassen Sie meine Grüße an ihn recht aufrichtig theilnehmend und
herzlich seyn."


W. Arndt.


Ile Seelenfrage.

Der Materialismus der Gegenwart hat seinen Höhepunkt überschritten und
ist im Niedergang begriffen. Die philosophische Forschung, welchen Standort
sie auch einnimmt, hat ihn wissenschaftlich überwunden und als das erwiesen,


jedoch höchst ungünstig aufgenommen. „Kleist schob die Schuld auf Goethe
und wollte ihn fordern" (Biedermann a.. a. O. S. 64). Mag dies anch nur
Weimarer Klatsch gewesen sein, jedenfalls ist der Bruch zwischen Kleist und
Goethe damals eingetreten und ein unheilbarer geworden,

Philipp Otto Runge (geb. 23. Juli 1777, geht. 2. Dezember 1810) hat
Goethe's Interesse vor allem dadurch auf sich gezogen, daß er ein Anhänger
seiner Farbenlehre war, diese dnrch eigene Studien vom Standpunkte des Malers
förderte und fortführte. So fanden denn auch seine Zeichnungen, die er Goethe
sandte, namentlich die der vier Tageszeiten (vgl. über diese: Hinterlassene
Schriften v. P. O. Runge, Hamburg 1840,1. Bd. S. 226 fig.), bei diesem freund¬
liche Aufnahme und Besprechung — vergl. Werke sHempelj 28, S. 798 fig., Ueber
Kunst und Alterthum in den Rhein- und Main-Gegenden, Heft 2 v. Jahre
1817 S. 35 fig. —, an welcher letzteren Stelle es jedoch von den vier Tages¬
zeiten heißt: „Darstellungen einer neuen wundersamen Art; ihrem äußern
Aussehn uach dem Fach der sogenannten Grotesken verwandt, hinsichtlich auf
den Sinu aber wahre Hieroglyphen." Des Dichters warmes Interesse für den
Maler hat sich oft bekundet (Tag- und Jahreshefte, Absatz 707). Als er von
Perthes die Nachricht erhielt, daß Runge dem Tode unrettbar verfallen, schreibt
er am 16. November 1810 (Runge's Hinterlassene Schriften II, S. 423):
„Daß wir Herrn Runge verlieren sollen, schmerzt mich sehr. Doch er ist jung,
Hoffnung ist bey den Lebenden, und meine Wünsche können ihn nicht loslassen.
Es ist ein Individuum, wie sie selten geboren werden. Sein vorzüglich Talent,
sein wahres treues Wesen als Künstler und Mensch, erweckte schon längst
Neigung und Anhänglichkeit bey mir; und wenn seine Richtung ihn von dem
Wege ablenkte, den ich für den rechten halte, so erregte es in mir kein Mi߬
fallen, fondern ich begleitete ihn gern, wohin seine eigenthümliche Art ihn
trug. Möchte er sich doch nicht so geschwind' in die ätherischen Räume ver¬
lieren! Lassen Sie meine Grüße an ihn recht aufrichtig theilnehmend und
herzlich seyn."


W. Arndt.


Ile Seelenfrage.

Der Materialismus der Gegenwart hat seinen Höhepunkt überschritten und
ist im Niedergang begriffen. Die philosophische Forschung, welchen Standort
sie auch einnimmt, hat ihn wissenschaftlich überwunden und als das erwiesen,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0356" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/142853"/>
            <p xml:id="ID_1036" prev="#ID_1035"> jedoch höchst ungünstig aufgenommen. &#x201E;Kleist schob die Schuld auf Goethe<lb/>
und wollte ihn fordern" (Biedermann a.. a. O. S. 64). Mag dies anch nur<lb/>
Weimarer Klatsch gewesen sein, jedenfalls ist der Bruch zwischen Kleist und<lb/>
Goethe damals eingetreten und ein unheilbarer geworden,</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1037"> Philipp Otto Runge (geb. 23. Juli 1777, geht. 2. Dezember 1810) hat<lb/>
Goethe's Interesse vor allem dadurch auf sich gezogen, daß er ein Anhänger<lb/>
seiner Farbenlehre war, diese dnrch eigene Studien vom Standpunkte des Malers<lb/>
förderte und fortführte. So fanden denn auch seine Zeichnungen, die er Goethe<lb/>
sandte, namentlich die der vier Tageszeiten (vgl. über diese: Hinterlassene<lb/>
Schriften v. P. O. Runge, Hamburg 1840,1. Bd. S. 226 fig.), bei diesem freund¬<lb/>
liche Aufnahme und Besprechung &#x2014; vergl. Werke sHempelj 28, S. 798 fig., Ueber<lb/>
Kunst und Alterthum in den Rhein- und Main-Gegenden, Heft 2 v. Jahre<lb/>
1817 S. 35 fig. &#x2014;, an welcher letzteren Stelle es jedoch von den vier Tages¬<lb/>
zeiten heißt: &#x201E;Darstellungen einer neuen wundersamen Art; ihrem äußern<lb/>
Aussehn uach dem Fach der sogenannten Grotesken verwandt, hinsichtlich auf<lb/>
den Sinu aber wahre Hieroglyphen." Des Dichters warmes Interesse für den<lb/>
Maler hat sich oft bekundet (Tag- und Jahreshefte, Absatz 707). Als er von<lb/>
Perthes die Nachricht erhielt, daß Runge dem Tode unrettbar verfallen, schreibt<lb/>
er am 16. November 1810 (Runge's Hinterlassene Schriften II, S. 423):<lb/>
&#x201E;Daß wir Herrn Runge verlieren sollen, schmerzt mich sehr. Doch er ist jung,<lb/>
Hoffnung ist bey den Lebenden, und meine Wünsche können ihn nicht loslassen.<lb/>
Es ist ein Individuum, wie sie selten geboren werden. Sein vorzüglich Talent,<lb/>
sein wahres treues Wesen als Künstler und Mensch, erweckte schon längst<lb/>
Neigung und Anhänglichkeit bey mir; und wenn seine Richtung ihn von dem<lb/>
Wege ablenkte, den ich für den rechten halte, so erregte es in mir kein Mi߬<lb/>
fallen, fondern ich begleitete ihn gern, wohin seine eigenthümliche Art ihn<lb/>
trug. Möchte er sich doch nicht so geschwind' in die ätherischen Räume ver¬<lb/>
lieren! Lassen Sie meine Grüße an ihn recht aufrichtig theilnehmend und<lb/>
herzlich seyn."</p><lb/>
            <note type="byline"> W. Arndt.</note><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Ile Seelenfrage.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1038" next="#ID_1039"> Der Materialismus der Gegenwart hat seinen Höhepunkt überschritten und<lb/>
ist im Niedergang begriffen. Die philosophische Forschung, welchen Standort<lb/>
sie auch einnimmt, hat ihn wissenschaftlich überwunden und als das erwiesen,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0356] jedoch höchst ungünstig aufgenommen. „Kleist schob die Schuld auf Goethe und wollte ihn fordern" (Biedermann a.. a. O. S. 64). Mag dies anch nur Weimarer Klatsch gewesen sein, jedenfalls ist der Bruch zwischen Kleist und Goethe damals eingetreten und ein unheilbarer geworden, Philipp Otto Runge (geb. 23. Juli 1777, geht. 2. Dezember 1810) hat Goethe's Interesse vor allem dadurch auf sich gezogen, daß er ein Anhänger seiner Farbenlehre war, diese dnrch eigene Studien vom Standpunkte des Malers förderte und fortführte. So fanden denn auch seine Zeichnungen, die er Goethe sandte, namentlich die der vier Tageszeiten (vgl. über diese: Hinterlassene Schriften v. P. O. Runge, Hamburg 1840,1. Bd. S. 226 fig.), bei diesem freund¬ liche Aufnahme und Besprechung — vergl. Werke sHempelj 28, S. 798 fig., Ueber Kunst und Alterthum in den Rhein- und Main-Gegenden, Heft 2 v. Jahre 1817 S. 35 fig. —, an welcher letzteren Stelle es jedoch von den vier Tages¬ zeiten heißt: „Darstellungen einer neuen wundersamen Art; ihrem äußern Aussehn uach dem Fach der sogenannten Grotesken verwandt, hinsichtlich auf den Sinu aber wahre Hieroglyphen." Des Dichters warmes Interesse für den Maler hat sich oft bekundet (Tag- und Jahreshefte, Absatz 707). Als er von Perthes die Nachricht erhielt, daß Runge dem Tode unrettbar verfallen, schreibt er am 16. November 1810 (Runge's Hinterlassene Schriften II, S. 423): „Daß wir Herrn Runge verlieren sollen, schmerzt mich sehr. Doch er ist jung, Hoffnung ist bey den Lebenden, und meine Wünsche können ihn nicht loslassen. Es ist ein Individuum, wie sie selten geboren werden. Sein vorzüglich Talent, sein wahres treues Wesen als Künstler und Mensch, erweckte schon längst Neigung und Anhänglichkeit bey mir; und wenn seine Richtung ihn von dem Wege ablenkte, den ich für den rechten halte, so erregte es in mir kein Mi߬ fallen, fondern ich begleitete ihn gern, wohin seine eigenthümliche Art ihn trug. Möchte er sich doch nicht so geschwind' in die ätherischen Räume ver¬ lieren! Lassen Sie meine Grüße an ihn recht aufrichtig theilnehmend und herzlich seyn." W. Arndt. Ile Seelenfrage. Der Materialismus der Gegenwart hat seinen Höhepunkt überschritten und ist im Niedergang begriffen. Die philosophische Forschung, welchen Standort sie auch einnimmt, hat ihn wissenschaftlich überwunden und als das erwiesen,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/356
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/356>, abgerufen am 27.07.2024.