Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

von Gewerbekammern bitten, zur Tagesordnung überzugehen in der Erwägung,
daß den Handwerkern in der gesetzlich gewährten Befugniß der Bildung von
Innungen ein leider noch zu wenig benutztes Mittel, ihre Interessen zu fördern,
geboten sei, zunächst auch abzuwarten sei, welchen Erfolg die von dem Han¬
delsminister gegebene Anregung haben werde. Diese Entschließung wurde im
EinVerständniß mit der Regierung gefaßt, die ebenfalls bei dieser Gelegenheit
zu erkennen gab, daß sie die Regelung, welche das Innungswesen in der deut¬
schen Gewerbeordnung gefunden habe, im Großen und Ganzen als eine aus¬
reichende Grundlage für eine zweckmäßige Organisation des Handwerks betrachte.

Auch im Reichstage wird die Angelegenheit bald zur Sprache kommen,
theils auf Anregung zahlreicher Petitionen, unter denen die der Schneider von
Dessau hervorragt, weil sie den Gewerbebetrieb wieder von einer Prüfung und
einem bestimmten Lebensalter abhängig gemacht wissen will, theils durch einen
Antrag der konservativen Partei, welcher eine völlige Umarbeitung des Titels V
der Gewerbeordnung (Innungswesen) im Sinne einer weiteren Entwickelung
der den Innungen zustehenden gewerblichen Befugnisse bezweckt. Die Gesichts¬
punkte, nach denen diese Umgestaltung erfolgen soll, sind dem Antrage beige¬
geben. Sie gehen über das Osnabrücker Statut hinaus Und sehen die Innung
dem Staate gegenüber als alleinigen Vertreter des Gewerbes an. Nur die
Innungen sollen die Vertreter zu den Gewerbegerichten und den sonstigen ge¬
werblichen Körperschaften wählen. Sie sollen die Aufsicht über die Fachschulen
und das Lehrlingswesen haben, und nur ihre Mitglieder berechtigt sein, Lehr¬
linge auszubilden. Endlich sollen sie selbst die Befugniß bekommen, die
Jnnungsbeiträge und Strafgelder durch die Verwaltungsorgane des Staates
und der Gemeinde beizutreiben. Dieser Antrag wird schwerlich Annahme finden,
da auch die Regierungen sich ohne Zweifel ablehnend dagegen verhalten werden.

Sicherlich wird, der Natur der Sache nach, die Frage wegen Gründung
neuer gewerblicher Jnnungsverbände ihre Lösung erst in einer längeren Reihe
von Jahren finden können. Uns kam es hier darauf an, unsere Leser nur in
aller Kürze über den dermaligen Stand der Frage zu orientiren.




Literatur.
Polen's Auflösung. Kulturgeschichtliche Skizzen ans den letzten Jahrzehnten der
polnischen Selbständigkeit von Freiherrn Ernst von der Brügge n. Leipzig, Veit
und Comp. 1878.

Das vorliegende Buch schildert die politischen und gesellschaftlichen Zu¬
stünde Polen's etwa im letzten Jahrhundert seiner Existenz als selbständiger


von Gewerbekammern bitten, zur Tagesordnung überzugehen in der Erwägung,
daß den Handwerkern in der gesetzlich gewährten Befugniß der Bildung von
Innungen ein leider noch zu wenig benutztes Mittel, ihre Interessen zu fördern,
geboten sei, zunächst auch abzuwarten sei, welchen Erfolg die von dem Han¬
delsminister gegebene Anregung haben werde. Diese Entschließung wurde im
EinVerständniß mit der Regierung gefaßt, die ebenfalls bei dieser Gelegenheit
zu erkennen gab, daß sie die Regelung, welche das Innungswesen in der deut¬
schen Gewerbeordnung gefunden habe, im Großen und Ganzen als eine aus¬
reichende Grundlage für eine zweckmäßige Organisation des Handwerks betrachte.

Auch im Reichstage wird die Angelegenheit bald zur Sprache kommen,
theils auf Anregung zahlreicher Petitionen, unter denen die der Schneider von
Dessau hervorragt, weil sie den Gewerbebetrieb wieder von einer Prüfung und
einem bestimmten Lebensalter abhängig gemacht wissen will, theils durch einen
Antrag der konservativen Partei, welcher eine völlige Umarbeitung des Titels V
der Gewerbeordnung (Innungswesen) im Sinne einer weiteren Entwickelung
der den Innungen zustehenden gewerblichen Befugnisse bezweckt. Die Gesichts¬
punkte, nach denen diese Umgestaltung erfolgen soll, sind dem Antrage beige¬
geben. Sie gehen über das Osnabrücker Statut hinaus Und sehen die Innung
dem Staate gegenüber als alleinigen Vertreter des Gewerbes an. Nur die
Innungen sollen die Vertreter zu den Gewerbegerichten und den sonstigen ge¬
werblichen Körperschaften wählen. Sie sollen die Aufsicht über die Fachschulen
und das Lehrlingswesen haben, und nur ihre Mitglieder berechtigt sein, Lehr¬
linge auszubilden. Endlich sollen sie selbst die Befugniß bekommen, die
Jnnungsbeiträge und Strafgelder durch die Verwaltungsorgane des Staates
und der Gemeinde beizutreiben. Dieser Antrag wird schwerlich Annahme finden,
da auch die Regierungen sich ohne Zweifel ablehnend dagegen verhalten werden.

Sicherlich wird, der Natur der Sache nach, die Frage wegen Gründung
neuer gewerblicher Jnnungsverbände ihre Lösung erst in einer längeren Reihe
von Jahren finden können. Uns kam es hier darauf an, unsere Leser nur in
aller Kürze über den dermaligen Stand der Frage zu orientiren.




Literatur.
Polen's Auflösung. Kulturgeschichtliche Skizzen ans den letzten Jahrzehnten der
polnischen Selbständigkeit von Freiherrn Ernst von der Brügge n. Leipzig, Veit
und Comp. 1878.

Das vorliegende Buch schildert die politischen und gesellschaftlichen Zu¬
stünde Polen's etwa im letzten Jahrhundert seiner Existenz als selbständiger


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0500" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/141911"/>
          <p xml:id="ID_1486" prev="#ID_1485"> von Gewerbekammern bitten, zur Tagesordnung überzugehen in der Erwägung,<lb/>
daß den Handwerkern in der gesetzlich gewährten Befugniß der Bildung von<lb/>
Innungen ein leider noch zu wenig benutztes Mittel, ihre Interessen zu fördern,<lb/>
geboten sei, zunächst auch abzuwarten sei, welchen Erfolg die von dem Han¬<lb/>
delsminister gegebene Anregung haben werde. Diese Entschließung wurde im<lb/>
EinVerständniß mit der Regierung gefaßt, die ebenfalls bei dieser Gelegenheit<lb/>
zu erkennen gab, daß sie die Regelung, welche das Innungswesen in der deut¬<lb/>
schen Gewerbeordnung gefunden habe, im Großen und Ganzen als eine aus¬<lb/>
reichende Grundlage für eine zweckmäßige Organisation des Handwerks betrachte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1487"> Auch im Reichstage wird die Angelegenheit bald zur Sprache kommen,<lb/>
theils auf Anregung zahlreicher Petitionen, unter denen die der Schneider von<lb/>
Dessau hervorragt, weil sie den Gewerbebetrieb wieder von einer Prüfung und<lb/>
einem bestimmten Lebensalter abhängig gemacht wissen will, theils durch einen<lb/>
Antrag der konservativen Partei, welcher eine völlige Umarbeitung des Titels V<lb/>
der Gewerbeordnung (Innungswesen) im Sinne einer weiteren Entwickelung<lb/>
der den Innungen zustehenden gewerblichen Befugnisse bezweckt. Die Gesichts¬<lb/>
punkte, nach denen diese Umgestaltung erfolgen soll, sind dem Antrage beige¬<lb/>
geben. Sie gehen über das Osnabrücker Statut hinaus Und sehen die Innung<lb/>
dem Staate gegenüber als alleinigen Vertreter des Gewerbes an. Nur die<lb/>
Innungen sollen die Vertreter zu den Gewerbegerichten und den sonstigen ge¬<lb/>
werblichen Körperschaften wählen. Sie sollen die Aufsicht über die Fachschulen<lb/>
und das Lehrlingswesen haben, und nur ihre Mitglieder berechtigt sein, Lehr¬<lb/>
linge auszubilden. Endlich sollen sie selbst die Befugniß bekommen, die<lb/>
Jnnungsbeiträge und Strafgelder durch die Verwaltungsorgane des Staates<lb/>
und der Gemeinde beizutreiben. Dieser Antrag wird schwerlich Annahme finden,<lb/>
da auch die Regierungen sich ohne Zweifel ablehnend dagegen verhalten werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1488"> Sicherlich wird, der Natur der Sache nach, die Frage wegen Gründung<lb/>
neuer gewerblicher Jnnungsverbände ihre Lösung erst in einer längeren Reihe<lb/>
von Jahren finden können. Uns kam es hier darauf an, unsere Leser nur in<lb/>
aller Kürze über den dermaligen Stand der Frage zu orientiren.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Literatur.</head><lb/>
          <div n="2">
            <head> Polen's Auflösung. Kulturgeschichtliche Skizzen ans den letzten Jahrzehnten der<lb/>
polnischen Selbständigkeit von Freiherrn Ernst von der Brügge n.  Leipzig, Veit<lb/>
und Comp. 1878.</head><lb/>
            <p xml:id="ID_1489" next="#ID_1490"> Das vorliegende Buch schildert die politischen und gesellschaftlichen Zu¬<lb/>
stünde Polen's etwa im letzten Jahrhundert seiner Existenz als selbständiger</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0500] von Gewerbekammern bitten, zur Tagesordnung überzugehen in der Erwägung, daß den Handwerkern in der gesetzlich gewährten Befugniß der Bildung von Innungen ein leider noch zu wenig benutztes Mittel, ihre Interessen zu fördern, geboten sei, zunächst auch abzuwarten sei, welchen Erfolg die von dem Han¬ delsminister gegebene Anregung haben werde. Diese Entschließung wurde im EinVerständniß mit der Regierung gefaßt, die ebenfalls bei dieser Gelegenheit zu erkennen gab, daß sie die Regelung, welche das Innungswesen in der deut¬ schen Gewerbeordnung gefunden habe, im Großen und Ganzen als eine aus¬ reichende Grundlage für eine zweckmäßige Organisation des Handwerks betrachte. Auch im Reichstage wird die Angelegenheit bald zur Sprache kommen, theils auf Anregung zahlreicher Petitionen, unter denen die der Schneider von Dessau hervorragt, weil sie den Gewerbebetrieb wieder von einer Prüfung und einem bestimmten Lebensalter abhängig gemacht wissen will, theils durch einen Antrag der konservativen Partei, welcher eine völlige Umarbeitung des Titels V der Gewerbeordnung (Innungswesen) im Sinne einer weiteren Entwickelung der den Innungen zustehenden gewerblichen Befugnisse bezweckt. Die Gesichts¬ punkte, nach denen diese Umgestaltung erfolgen soll, sind dem Antrage beige¬ geben. Sie gehen über das Osnabrücker Statut hinaus Und sehen die Innung dem Staate gegenüber als alleinigen Vertreter des Gewerbes an. Nur die Innungen sollen die Vertreter zu den Gewerbegerichten und den sonstigen ge¬ werblichen Körperschaften wählen. Sie sollen die Aufsicht über die Fachschulen und das Lehrlingswesen haben, und nur ihre Mitglieder berechtigt sein, Lehr¬ linge auszubilden. Endlich sollen sie selbst die Befugniß bekommen, die Jnnungsbeiträge und Strafgelder durch die Verwaltungsorgane des Staates und der Gemeinde beizutreiben. Dieser Antrag wird schwerlich Annahme finden, da auch die Regierungen sich ohne Zweifel ablehnend dagegen verhalten werden. Sicherlich wird, der Natur der Sache nach, die Frage wegen Gründung neuer gewerblicher Jnnungsverbände ihre Lösung erst in einer längeren Reihe von Jahren finden können. Uns kam es hier darauf an, unsere Leser nur in aller Kürze über den dermaligen Stand der Frage zu orientiren. Literatur. Polen's Auflösung. Kulturgeschichtliche Skizzen ans den letzten Jahrzehnten der polnischen Selbständigkeit von Freiherrn Ernst von der Brügge n. Leipzig, Veit und Comp. 1878. Das vorliegende Buch schildert die politischen und gesellschaftlichen Zu¬ stünde Polen's etwa im letzten Jahrhundert seiner Existenz als selbständiger

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/500
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/500>, abgerufen am 29.06.2024.