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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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Jer Komponist Kayser und
seine Ireunde aus der Sturm- und Arangperiode.
C. A. H. Burkhardt. Von I.

Philipp Christoph Kayser*) wurde den 10. März 1755 zu Frankfurt
am Main als ältester Sohn des Organisten an der Katharinenkirche Johann
Matthäus Kayser geboren. So weit sich nachkommen läßt, war der Vater
Philipp Christoph's wahrscheinlich aus Thüringen nach Frankfurt eingewandert
und hatte sich mit einer gleichnamigen, doch nicht verwandten Frankfurterin,
Christine Philippine Kayser, verheirathet, welche die Mutter einer zahlreichen
Familie wurde und hochbetagt, über 80 Jahre alt, zu Frankfurt starb.

Der Organist Kayser, dessen musikalische Bedeutung wohl noch nicht hin¬
reichend gewürdigt ist, war ein gesuchter Musiklehrer, der das Talent Philipp
Christoph's sehr früh erkannte und den Knaben zum Musiker auszubilden suchte.
Im siebenten Jahre spielte derselbe bereits fertig Klavier, besuchte von 1762
bis 1768 das Gymnasium, ohne dasselbe jedoch, wie es scheint, vollständig zu
absolviren. Im Jahre 1769 verließ der junge Musiker Frankfurt, um auf An¬
weisung des Vaters die musikalische Theorie bei dem in weiten Kreisen be¬
kannten Musiker G. A. Sorge in Lobenstein zu studiren, wo er ein volles Jahr
verblieb, um dann nach Frankfurt zurückzukehren.

Von dieser Zeit an bis zu seinem Weggange nach Zürich scheint Kayser die
Vaterstadt auf längere Dauer nicht verlassen zu haben. Er beschäftigte sich
mit Ertheilung von Musikunterricht und, angeregt durch Klinger und Goethe,
vielfach auch mit literarischen Dingen. Leider läßt sich nicht feststellen, seit
welcher Zeit vorzüglich Goethe Kayser's Bekanntschaft machte, die, jahrelang
sorgfältig gepflegt, auf das Geschick des jungen Musikers einen tiefen, bestim¬
menden Einfluß ausgeübt hat.

Aus allen gleichzeitigen und späteren Briefen, welche die Sturm- und Drang-
Periode, wenn auch nicht vollständig, beleuchten, zeigt sich unerschütterliche Freund¬
schaft, tiefe gegenseitige Bewunderung trefflicher Eigenschaften und Talente,
inniges Streben nach Vervollkommnung, aber freilich auch die Verherrlichung



*) Die bisherige landläufige Kunde von Kayser war eine äußerst dürftige. Sie ging
auf die wenigen, unsicher gefaßten Zeilen zurück, die 1790 Gerber in seinem "Lexikon der
Tonkünstler" über ihn schrieb, und in denen nicht einmal die Vornamen des Künstlers
richtig angegeben sind. In verdünntem Aufguß sind Gerber's Angaben in?6dis' Sioxra-
xlns Sss Nusioisiis, in noch dünnerem in das traurige Mendel-Reißmann'sche Machwerk
üb D. Red. ergegangen.
Jer Komponist Kayser und
seine Ireunde aus der Sturm- und Arangperiode.
C. A. H. Burkhardt. Von I.

Philipp Christoph Kayser*) wurde den 10. März 1755 zu Frankfurt
am Main als ältester Sohn des Organisten an der Katharinenkirche Johann
Matthäus Kayser geboren. So weit sich nachkommen läßt, war der Vater
Philipp Christoph's wahrscheinlich aus Thüringen nach Frankfurt eingewandert
und hatte sich mit einer gleichnamigen, doch nicht verwandten Frankfurterin,
Christine Philippine Kayser, verheirathet, welche die Mutter einer zahlreichen
Familie wurde und hochbetagt, über 80 Jahre alt, zu Frankfurt starb.

Der Organist Kayser, dessen musikalische Bedeutung wohl noch nicht hin¬
reichend gewürdigt ist, war ein gesuchter Musiklehrer, der das Talent Philipp
Christoph's sehr früh erkannte und den Knaben zum Musiker auszubilden suchte.
Im siebenten Jahre spielte derselbe bereits fertig Klavier, besuchte von 1762
bis 1768 das Gymnasium, ohne dasselbe jedoch, wie es scheint, vollständig zu
absolviren. Im Jahre 1769 verließ der junge Musiker Frankfurt, um auf An¬
weisung des Vaters die musikalische Theorie bei dem in weiten Kreisen be¬
kannten Musiker G. A. Sorge in Lobenstein zu studiren, wo er ein volles Jahr
verblieb, um dann nach Frankfurt zurückzukehren.

Von dieser Zeit an bis zu seinem Weggange nach Zürich scheint Kayser die
Vaterstadt auf längere Dauer nicht verlassen zu haben. Er beschäftigte sich
mit Ertheilung von Musikunterricht und, angeregt durch Klinger und Goethe,
vielfach auch mit literarischen Dingen. Leider läßt sich nicht feststellen, seit
welcher Zeit vorzüglich Goethe Kayser's Bekanntschaft machte, die, jahrelang
sorgfältig gepflegt, auf das Geschick des jungen Musikers einen tiefen, bestim¬
menden Einfluß ausgeübt hat.

Aus allen gleichzeitigen und späteren Briefen, welche die Sturm- und Drang-
Periode, wenn auch nicht vollständig, beleuchten, zeigt sich unerschütterliche Freund¬
schaft, tiefe gegenseitige Bewunderung trefflicher Eigenschaften und Talente,
inniges Streben nach Vervollkommnung, aber freilich auch die Verherrlichung



*) Die bisherige landläufige Kunde von Kayser war eine äußerst dürftige. Sie ging
auf die wenigen, unsicher gefaßten Zeilen zurück, die 1790 Gerber in seinem „Lexikon der
Tonkünstler" über ihn schrieb, und in denen nicht einmal die Vornamen des Künstlers
richtig angegeben sind. In verdünntem Aufguß sind Gerber's Angaben in?6dis' Sioxra-
xlns Sss Nusioisiis, in noch dünnerem in das traurige Mendel-Reißmann'sche Machwerk
üb D. Red. ergegangen.
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[0475] Jer Komponist Kayser und seine Ireunde aus der Sturm- und Arangperiode. C. A. H. Burkhardt. Von I. Philipp Christoph Kayser*) wurde den 10. März 1755 zu Frankfurt am Main als ältester Sohn des Organisten an der Katharinenkirche Johann Matthäus Kayser geboren. So weit sich nachkommen läßt, war der Vater Philipp Christoph's wahrscheinlich aus Thüringen nach Frankfurt eingewandert und hatte sich mit einer gleichnamigen, doch nicht verwandten Frankfurterin, Christine Philippine Kayser, verheirathet, welche die Mutter einer zahlreichen Familie wurde und hochbetagt, über 80 Jahre alt, zu Frankfurt starb. Der Organist Kayser, dessen musikalische Bedeutung wohl noch nicht hin¬ reichend gewürdigt ist, war ein gesuchter Musiklehrer, der das Talent Philipp Christoph's sehr früh erkannte und den Knaben zum Musiker auszubilden suchte. Im siebenten Jahre spielte derselbe bereits fertig Klavier, besuchte von 1762 bis 1768 das Gymnasium, ohne dasselbe jedoch, wie es scheint, vollständig zu absolviren. Im Jahre 1769 verließ der junge Musiker Frankfurt, um auf An¬ weisung des Vaters die musikalische Theorie bei dem in weiten Kreisen be¬ kannten Musiker G. A. Sorge in Lobenstein zu studiren, wo er ein volles Jahr verblieb, um dann nach Frankfurt zurückzukehren. Von dieser Zeit an bis zu seinem Weggange nach Zürich scheint Kayser die Vaterstadt auf längere Dauer nicht verlassen zu haben. Er beschäftigte sich mit Ertheilung von Musikunterricht und, angeregt durch Klinger und Goethe, vielfach auch mit literarischen Dingen. Leider läßt sich nicht feststellen, seit welcher Zeit vorzüglich Goethe Kayser's Bekanntschaft machte, die, jahrelang sorgfältig gepflegt, auf das Geschick des jungen Musikers einen tiefen, bestim¬ menden Einfluß ausgeübt hat. Aus allen gleichzeitigen und späteren Briefen, welche die Sturm- und Drang- Periode, wenn auch nicht vollständig, beleuchten, zeigt sich unerschütterliche Freund¬ schaft, tiefe gegenseitige Bewunderung trefflicher Eigenschaften und Talente, inniges Streben nach Vervollkommnung, aber freilich auch die Verherrlichung *) Die bisherige landläufige Kunde von Kayser war eine äußerst dürftige. Sie ging auf die wenigen, unsicher gefaßten Zeilen zurück, die 1790 Gerber in seinem „Lexikon der Tonkünstler" über ihn schrieb, und in denen nicht einmal die Vornamen des Künstlers richtig angegeben sind. In verdünntem Aufguß sind Gerber's Angaben in?6dis' Sioxra- xlns Sss Nusioisiis, in noch dünnerem in das traurige Mendel-Reißmann'sche Machwerk üb D. Red. ergegangen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/475>, abgerufen am 29.06.2024.