Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.greller Weise undankbar -- undankbar gegen den greisen, von Mörderhand Kußland und die Aussen. V H. v. Clausewitz. onHI. Mit der Zeit bildete sich aus dem Stande der Tschinowniks (Beamten) Den größten Theil der Schuld, daß es so gekommen ist -- das muß von greller Weise undankbar — undankbar gegen den greisen, von Mörderhand Kußland und die Aussen. V H. v. Clausewitz. onHI. Mit der Zeit bildete sich aus dem Stande der Tschinowniks (Beamten) Den größten Theil der Schuld, daß es so gekommen ist — das muß von <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0377" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/141788"/> <p xml:id="ID_1095" prev="#ID_1094"> greller Weise undankbar — undankbar gegen den greisen, von Mörderhand<lb/> getroffenen Kaiser, der entschieden 1866 und 1870, aber auch schon 1864, wo<lb/> eine Koalition der Mächte gegen ihn nichts weniger als undenkbar gewesen,<lb/> für Preußen und dadurch für Deutschland seine Krone gewagt hatte. Wir<lb/> fragen, wo hier die Rücksichtslosigkeit und die Undankbarkeit ist: auf Seiten<lb/> dessen, dem man sie zuschreiben möchte, oder auf Seiten der Partei, die durch<lb/><note type="byline"> H></note> den Mund eines ihrer Hauptsprecher den Kanzler anklagen läßt? </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Kußland und die Aussen.<lb/> V<note type="byline"> H. v. Clausewitz.</note> onHI.</head><lb/> <p xml:id="ID_1096"> Mit der Zeit bildete sich aus dem Stande der Tschinowniks (Beamten)<lb/> in ihrer Gesammtheit ein Gegengewicht aus gegen die absolutistische Gewalt<lb/> des Herrschers, das eines gewissen wohlthätigen Einflusses nicht entbehrte, und,<lb/> traurig aber wahr: dieser wohlthätige Einfluß wurde gesteigert durch den<lb/> furchtbaren Krebsschaden, der heute noch, obwohl in geringerem Maße, nicht<lb/> blos das Staatsleben, nein geradezu das Volk Rußland's vergiftet. Dies ist<lb/> die Bestechlichkeit der Beamten. Hunderte von Anekdoten sind in Jedermanns<lb/> Munde über dieses Uebel, das so alt, eingewurzelt und verbreitet ist, daß es<lb/> dem Russen der alten Zeit gar nicht mehr als ein Uebel, sondern als der<lb/> natürliche Zustand der Dinge erscheint, dagegen ein ehrenhafter unbestechlicher<lb/> Beamtenstand ihm für eine unbequeme, lächerliche Neuerung gilt, die bald<lb/> wieder verschwinden wird, wie andere dumme Moden. Alle Erzählungen, so<lb/> übertrieben sie auch dem Ausländer klingen mögen, können die tiefen morali¬<lb/> schen und physischen Schäden nicht schildern, welche dem allgemeinen Besten<lb/> aus diesem fluchwürdigen Nationallaster erwachsen sind.</p><lb/> <p xml:id="ID_1097" next="#ID_1098"> Den größten Theil der Schuld, daß es so gekommen ist — das muß von<lb/> vornherein gesagt werden — tragen die Herrscher Rußland's selbst. Da sie<lb/> Niemandem verantwortlich sind, als der Geschichte, so hat diese denn auch über<lb/> sie zu Gericht gesessen und diese schwere Schuld lediglich an ihre Namen ge¬<lb/> heftet. Mit rücksichtsloser Willkür verfügte der Herrscher über die Finanzen,<lb/> wie über alle anderen Zweige der Staatsverwaltung, und selbst bei dem besten<lb/> Willen mußte Mangel und Geldnoth eintreten, da jede geordnete Kontrole des</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0377]
greller Weise undankbar — undankbar gegen den greisen, von Mörderhand
getroffenen Kaiser, der entschieden 1866 und 1870, aber auch schon 1864, wo
eine Koalition der Mächte gegen ihn nichts weniger als undenkbar gewesen,
für Preußen und dadurch für Deutschland seine Krone gewagt hatte. Wir
fragen, wo hier die Rücksichtslosigkeit und die Undankbarkeit ist: auf Seiten
dessen, dem man sie zuschreiben möchte, oder auf Seiten der Partei, die durch
H> den Mund eines ihrer Hauptsprecher den Kanzler anklagen läßt?
Kußland und die Aussen.
V H. v. Clausewitz. onHI.
Mit der Zeit bildete sich aus dem Stande der Tschinowniks (Beamten)
in ihrer Gesammtheit ein Gegengewicht aus gegen die absolutistische Gewalt
des Herrschers, das eines gewissen wohlthätigen Einflusses nicht entbehrte, und,
traurig aber wahr: dieser wohlthätige Einfluß wurde gesteigert durch den
furchtbaren Krebsschaden, der heute noch, obwohl in geringerem Maße, nicht
blos das Staatsleben, nein geradezu das Volk Rußland's vergiftet. Dies ist
die Bestechlichkeit der Beamten. Hunderte von Anekdoten sind in Jedermanns
Munde über dieses Uebel, das so alt, eingewurzelt und verbreitet ist, daß es
dem Russen der alten Zeit gar nicht mehr als ein Uebel, sondern als der
natürliche Zustand der Dinge erscheint, dagegen ein ehrenhafter unbestechlicher
Beamtenstand ihm für eine unbequeme, lächerliche Neuerung gilt, die bald
wieder verschwinden wird, wie andere dumme Moden. Alle Erzählungen, so
übertrieben sie auch dem Ausländer klingen mögen, können die tiefen morali¬
schen und physischen Schäden nicht schildern, welche dem allgemeinen Besten
aus diesem fluchwürdigen Nationallaster erwachsen sind.
Den größten Theil der Schuld, daß es so gekommen ist — das muß von
vornherein gesagt werden — tragen die Herrscher Rußland's selbst. Da sie
Niemandem verantwortlich sind, als der Geschichte, so hat diese denn auch über
sie zu Gericht gesessen und diese schwere Schuld lediglich an ihre Namen ge¬
heftet. Mit rücksichtsloser Willkür verfügte der Herrscher über die Finanzen,
wie über alle anderen Zweige der Staatsverwaltung, und selbst bei dem besten
Willen mußte Mangel und Geldnoth eintreten, da jede geordnete Kontrole des
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