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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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des Abgeordnetenhauses vom 11. Dezember vorigen Jahres aussprach: "Ich
halte die Abänderung der Kulturkampfgesetze selbst im Interesse des Friedens
für das erste Erforderniß, denn ohne eine solche Abänderung hätte man nie
eine Garantie, ein Ministerium zu haben, welches die Gesetze mild und wohl¬
wollend auslegte. Ist es doch mit wenigen Unterbrechungen von jeher eine
preußische Tradition gewesen, den Katholizismus zu unterdrücken." Mag die
preußische Regierung noch so duldsam und friedfertig sein, sie wird nie die
Zustimmung einer Partei erlangen, die es noch heute gerne sähe, wenn die
"calvinistische Rotte" vernichtet und "Brandenburg gänzlich supprimirt" werde.




Hoethe und Wammittane La Koche.

Hirzel's köstliches Vermächtniß, sein "Junger Goethe", ist gerade in seiner
Geschlossenheit und Abrundung ein so herrliches Buch, daß man beinahe den
lächerlichen Wunsch haben könnte, es möchte das darin vereinigte Material in den
nächsten zehn Jahren keinen weiteren Zuwachs erfahren, damit man nicht immer
die schmerzliche Vorstellung habe, daß dies Buch, das doch einen vorläufigen Ab¬
schluß bilden sollte, nun auch schon wieder unvollständig geworden sei. Und
doch muß man froh sein über jede Zeile von Goethe's Hand, wie viel mehr
über eine ganze Suite von Briefen, die aus den Jugendjahren des Dichters
zu Tage kommt.

Mit solchen zwiespältigen Empfindungen legt man das Buch aus der
Hand, das vor wenigen Tagen der Verlag von W. Hertz in Berlin uns ge¬
bracht hat: Briefe Goethe's an Sophie von La Roche und Bettina
Brentano nebst dichterischen Beilagen herausgegeben von G. von Loeper.
Bildet es doch eine Bereicherung unserer Kenntniß vor allem des "jungen" Goethe,
für die man dem gütigen Geschick entschieden danken muß; Hirzel's Buch aber
hat -- das ist ebenso gewiß --, nun diese Briefe neben und nicht in ihm
stehen, leider von jetzt an eine empfindliche Lücke.

Die "dichterischen Beilagen", die der Titel nennt, und die hier zum ersten
Male publizirt werden, sind ein kleiner Dialog zwischen Meister und Jünger,
"Des Künstlers Vergötterung", der wohl für "Künstlers Erdewallen" bestimmt
war, aber 1774 bei der Herausgabe desselben unterdrückt wurde und später in
völlig anderer Gestalt als "Künstlers Apotheose" an die Öffentlichkeit trat, und
Goethe's Uebersetzung des Hohenliedes aus dem Jahre 1775. Im Uebrigen
bedarf der Titel keiner näheren Bestimmung.


des Abgeordnetenhauses vom 11. Dezember vorigen Jahres aussprach: „Ich
halte die Abänderung der Kulturkampfgesetze selbst im Interesse des Friedens
für das erste Erforderniß, denn ohne eine solche Abänderung hätte man nie
eine Garantie, ein Ministerium zu haben, welches die Gesetze mild und wohl¬
wollend auslegte. Ist es doch mit wenigen Unterbrechungen von jeher eine
preußische Tradition gewesen, den Katholizismus zu unterdrücken." Mag die
preußische Regierung noch so duldsam und friedfertig sein, sie wird nie die
Zustimmung einer Partei erlangen, die es noch heute gerne sähe, wenn die
„calvinistische Rotte" vernichtet und „Brandenburg gänzlich supprimirt" werde.




Hoethe und Wammittane La Koche.

Hirzel's köstliches Vermächtniß, sein „Junger Goethe", ist gerade in seiner
Geschlossenheit und Abrundung ein so herrliches Buch, daß man beinahe den
lächerlichen Wunsch haben könnte, es möchte das darin vereinigte Material in den
nächsten zehn Jahren keinen weiteren Zuwachs erfahren, damit man nicht immer
die schmerzliche Vorstellung habe, daß dies Buch, das doch einen vorläufigen Ab¬
schluß bilden sollte, nun auch schon wieder unvollständig geworden sei. Und
doch muß man froh sein über jede Zeile von Goethe's Hand, wie viel mehr
über eine ganze Suite von Briefen, die aus den Jugendjahren des Dichters
zu Tage kommt.

Mit solchen zwiespältigen Empfindungen legt man das Buch aus der
Hand, das vor wenigen Tagen der Verlag von W. Hertz in Berlin uns ge¬
bracht hat: Briefe Goethe's an Sophie von La Roche und Bettina
Brentano nebst dichterischen Beilagen herausgegeben von G. von Loeper.
Bildet es doch eine Bereicherung unserer Kenntniß vor allem des „jungen" Goethe,
für die man dem gütigen Geschick entschieden danken muß; Hirzel's Buch aber
hat — das ist ebenso gewiß —, nun diese Briefe neben und nicht in ihm
stehen, leider von jetzt an eine empfindliche Lücke.

Die „dichterischen Beilagen", die der Titel nennt, und die hier zum ersten
Male publizirt werden, sind ein kleiner Dialog zwischen Meister und Jünger,
„Des Künstlers Vergötterung", der wohl für „Künstlers Erdewallen" bestimmt
war, aber 1774 bei der Herausgabe desselben unterdrückt wurde und später in
völlig anderer Gestalt als „Künstlers Apotheose" an die Öffentlichkeit trat, und
Goethe's Uebersetzung des Hohenliedes aus dem Jahre 1775. Im Uebrigen
bedarf der Titel keiner näheren Bestimmung.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/354>, abgerufen am 29.06.2024.