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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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Gesetzgebung und Rechtspflege nicht überlassen werden können. Der Staat
würde gleich leiden, ob das eine oder das andere Gebiet gegen die Natur der
Sache erweitert oder eingeschränkt werden sollte."

Endlich gehört zu den Faktoren, durch die sich die Entwickelung der Staaten
vollzieht, ganz wesentlich auch die providenzielle Einwirkung, der gegenüber
jede menschliche Gesetzgebung unwirksam erscheint. Ans diesem Gebiet ist un¬
zweifelhaft das Auftreten gewaltiger, durch Intelligenz und Charakterstärke
gleich ausgezeichneter Persönlichkeiten oder die sonstige individuelle Eigenthüm¬
lichkeit derjenigen, welche durch Gesetz oder auf andere Weise an hervorragende
und einflußreiche Stellen gerufen sind, eine der nächstliegenden, und zwar be¬
steht das Providenzielle nicht in einer besonderen providenziellen Natur ge¬
wisser Menschen, sondern darin, daß stets den außerordentlichen Umständen
entsprechende Menschen vorhanden sind. Durch den Konstitutionalismus soll
die Bedeutung dieses Moments gänzlich hinweggefallen sein. Mit Recht aber
erklärt Held diese Meinung für irrthiimlich. Wahr ist nur, daß durch den Konsti¬
tutionalismus gewisse frühere rein persönliche Einwirkungen, und zwar nicht
blos üble, sondern auch gute aufgehoben oder beschränkt worden sind. Falsch
dagegen ist der Glaube, daß alle derartigen Einwirkungen durch den Konsti-
tutionalismus abgethan sind oder abgethan werden können; denn es darf nicht
übersehen werden, daß gerade durch die konstitutionellen Einrichtungen eine
Meuge anderer persönlicher Einwirkungen ans den Staat unvermeidlich ge¬
H worden ist.




Jas technische Unterrichtswesen Ureuszen's.

Das preußische Abgeordnetenhaus hat sich in zwei der letzten Sitzungen
mit einer für die vaterländische Industrie äußerst wichtigen Angelegenheit, mit
dem technischen Unterrichtswesen, eingehend beschäftigt-und durch seiue Beschlüsse
ein Stück des künftigen Unterrichtsgesetzes gleichsam vorweggenommen. Drei
Punkte waren es in der Hauptsache, um welche sich die Verhandlungen drehten:
Der Uebergang des technischen Unterrichtswesens auf das Kultusministerium,
die technische Hochschule zu Berlin und der Reformplan für die Gewerbeschule"
unter Zugrundelegung der Wehrenpfennig'schen Denkschrift.

Der erste Punkt darf, obgleich es äußerlich nicht so scheint, nach Lage der
Sache das meiste Interesse in Anspruch nehmen; er ist für alle Spezialfragen


Gesetzgebung und Rechtspflege nicht überlassen werden können. Der Staat
würde gleich leiden, ob das eine oder das andere Gebiet gegen die Natur der
Sache erweitert oder eingeschränkt werden sollte."

Endlich gehört zu den Faktoren, durch die sich die Entwickelung der Staaten
vollzieht, ganz wesentlich auch die providenzielle Einwirkung, der gegenüber
jede menschliche Gesetzgebung unwirksam erscheint. Ans diesem Gebiet ist un¬
zweifelhaft das Auftreten gewaltiger, durch Intelligenz und Charakterstärke
gleich ausgezeichneter Persönlichkeiten oder die sonstige individuelle Eigenthüm¬
lichkeit derjenigen, welche durch Gesetz oder auf andere Weise an hervorragende
und einflußreiche Stellen gerufen sind, eine der nächstliegenden, und zwar be¬
steht das Providenzielle nicht in einer besonderen providenziellen Natur ge¬
wisser Menschen, sondern darin, daß stets den außerordentlichen Umständen
entsprechende Menschen vorhanden sind. Durch den Konstitutionalismus soll
die Bedeutung dieses Moments gänzlich hinweggefallen sein. Mit Recht aber
erklärt Held diese Meinung für irrthiimlich. Wahr ist nur, daß durch den Konsti¬
tutionalismus gewisse frühere rein persönliche Einwirkungen, und zwar nicht
blos üble, sondern auch gute aufgehoben oder beschränkt worden sind. Falsch
dagegen ist der Glaube, daß alle derartigen Einwirkungen durch den Konsti-
tutionalismus abgethan sind oder abgethan werden können; denn es darf nicht
übersehen werden, daß gerade durch die konstitutionellen Einrichtungen eine
Meuge anderer persönlicher Einwirkungen ans den Staat unvermeidlich ge¬
H worden ist.




Jas technische Unterrichtswesen Ureuszen's.

Das preußische Abgeordnetenhaus hat sich in zwei der letzten Sitzungen
mit einer für die vaterländische Industrie äußerst wichtigen Angelegenheit, mit
dem technischen Unterrichtswesen, eingehend beschäftigt-und durch seiue Beschlüsse
ein Stück des künftigen Unterrichtsgesetzes gleichsam vorweggenommen. Drei
Punkte waren es in der Hauptsache, um welche sich die Verhandlungen drehten:
Der Uebergang des technischen Unterrichtswesens auf das Kultusministerium,
die technische Hochschule zu Berlin und der Reformplan für die Gewerbeschule»
unter Zugrundelegung der Wehrenpfennig'schen Denkschrift.

Der erste Punkt darf, obgleich es äußerlich nicht so scheint, nach Lage der
Sache das meiste Interesse in Anspruch nehmen; er ist für alle Spezialfragen


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[0258] Gesetzgebung und Rechtspflege nicht überlassen werden können. Der Staat würde gleich leiden, ob das eine oder das andere Gebiet gegen die Natur der Sache erweitert oder eingeschränkt werden sollte." Endlich gehört zu den Faktoren, durch die sich die Entwickelung der Staaten vollzieht, ganz wesentlich auch die providenzielle Einwirkung, der gegenüber jede menschliche Gesetzgebung unwirksam erscheint. Ans diesem Gebiet ist un¬ zweifelhaft das Auftreten gewaltiger, durch Intelligenz und Charakterstärke gleich ausgezeichneter Persönlichkeiten oder die sonstige individuelle Eigenthüm¬ lichkeit derjenigen, welche durch Gesetz oder auf andere Weise an hervorragende und einflußreiche Stellen gerufen sind, eine der nächstliegenden, und zwar be¬ steht das Providenzielle nicht in einer besonderen providenziellen Natur ge¬ wisser Menschen, sondern darin, daß stets den außerordentlichen Umständen entsprechende Menschen vorhanden sind. Durch den Konstitutionalismus soll die Bedeutung dieses Moments gänzlich hinweggefallen sein. Mit Recht aber erklärt Held diese Meinung für irrthiimlich. Wahr ist nur, daß durch den Konsti¬ tutionalismus gewisse frühere rein persönliche Einwirkungen, und zwar nicht blos üble, sondern auch gute aufgehoben oder beschränkt worden sind. Falsch dagegen ist der Glaube, daß alle derartigen Einwirkungen durch den Konsti- tutionalismus abgethan sind oder abgethan werden können; denn es darf nicht übersehen werden, daß gerade durch die konstitutionellen Einrichtungen eine Meuge anderer persönlicher Einwirkungen ans den Staat unvermeidlich ge¬ H worden ist. Jas technische Unterrichtswesen Ureuszen's. Das preußische Abgeordnetenhaus hat sich in zwei der letzten Sitzungen mit einer für die vaterländische Industrie äußerst wichtigen Angelegenheit, mit dem technischen Unterrichtswesen, eingehend beschäftigt-und durch seiue Beschlüsse ein Stück des künftigen Unterrichtsgesetzes gleichsam vorweggenommen. Drei Punkte waren es in der Hauptsache, um welche sich die Verhandlungen drehten: Der Uebergang des technischen Unterrichtswesens auf das Kultusministerium, die technische Hochschule zu Berlin und der Reformplan für die Gewerbeschule» unter Zugrundelegung der Wehrenpfennig'schen Denkschrift. Der erste Punkt darf, obgleich es äußerlich nicht so scheint, nach Lage der Sache das meiste Interesse in Anspruch nehmen; er ist für alle Spezialfragen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/258>, abgerufen am 29.06.2024.