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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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Manches gefallen lassen, aber mit ziemlicher Sicherheit ist anzunehmen, daß er
eher von seinem Posten zurücktreten, als einer Verurtheilung seiner früheren
Rathgeber zustimmen wird. Es handelt sich ferner um die Beiseiteschaffung
der antirepublikanischen Elemente unter den Verwaltungsbeamten, um die
Ueberwindung des Widerstandes, den eine Anzahl von Vertretern des Richter¬
standes leistet, wobei vorzüglich die Absetzung der Generalprokuratoren am
Kassationshofe und einigen Appellhöfen in Betracht kommt, um das Verhältniß
des Staates zur Geistlichkeit, um eine mehr oder minder umfassende Amnestie
für politische Verbrechen der letzten Zeit, endlich um bessere Besetzung der
höheren Befehlshaberstellen im Heere -- Fragen, zu deren ersprießlichem Aus¬
trag es auf Seiten der einen Partei guten Willens, auf Seiten der andern
weiser Mäßigung bedürfen wird. Die letztere ist bisher von Gambetta ver¬
treten worden, die neu gewählten Senatoren gehören so wenig zu den Extremen
der einen, wie zu denen der andern Partei, das Ministerium Dufaure wird
sich nach Möglichkeit nachgiebig zeigen, und so werden diese Fragen und später
vielleicht auch andere durch Kompromisse gelöst werden, die, wenn auch nicht
Alle, doch die große Mehrheit im Parlament und im Lande draußen be¬
friedigen.

Was freilich die fernere Zukunft bringen, ob der Wunsch nach Ruhe nicht
mit der Zeit dem nach Veränderung überwiegen, was geschehen wird, wenn
das Septennat abläuft, ob Gambetta, augenscheinlich der Befähigtste unter den
Republikanern, feinen Ehrgeiz immer zu zügeln und den Verhältnissen anzu¬
passen die Selbstüberwindung besitzen wird, sind Fragen, die sich nicht beant¬
worten lassen. Es genügt, daß die Gegenwart und die nächste Zukunft Frank¬
reich's nur leicht bewölkt erscheinen. Steigen später einmal Wolken auf, die
uns bedrohen, so wird man bei uns Rath wissen.




Jer Ursprung der Mraöel von den drei Klugen.

Woher Lessing die Parabel von den drei Ringen genommen, die er in seinen
"Nathan" verwoben, ist allbekannt. Es hat sich Niemand um die Quelle zu
bemühen brauchen, wir kennen sie aus seinem eigenen Munde. In einem
Briefe vom 11. August 1778*) schreibt er an seinen Bruder mit Bezug auf



*) Es ist diesen Winter just 100 Jahre her, daß Lessing den "Nathan" schrieb. Am
14. November 1773 begann er mit der Bersifikation des ersten Aktes, und im Mai 1779

Manches gefallen lassen, aber mit ziemlicher Sicherheit ist anzunehmen, daß er
eher von seinem Posten zurücktreten, als einer Verurtheilung seiner früheren
Rathgeber zustimmen wird. Es handelt sich ferner um die Beiseiteschaffung
der antirepublikanischen Elemente unter den Verwaltungsbeamten, um die
Ueberwindung des Widerstandes, den eine Anzahl von Vertretern des Richter¬
standes leistet, wobei vorzüglich die Absetzung der Generalprokuratoren am
Kassationshofe und einigen Appellhöfen in Betracht kommt, um das Verhältniß
des Staates zur Geistlichkeit, um eine mehr oder minder umfassende Amnestie
für politische Verbrechen der letzten Zeit, endlich um bessere Besetzung der
höheren Befehlshaberstellen im Heere — Fragen, zu deren ersprießlichem Aus¬
trag es auf Seiten der einen Partei guten Willens, auf Seiten der andern
weiser Mäßigung bedürfen wird. Die letztere ist bisher von Gambetta ver¬
treten worden, die neu gewählten Senatoren gehören so wenig zu den Extremen
der einen, wie zu denen der andern Partei, das Ministerium Dufaure wird
sich nach Möglichkeit nachgiebig zeigen, und so werden diese Fragen und später
vielleicht auch andere durch Kompromisse gelöst werden, die, wenn auch nicht
Alle, doch die große Mehrheit im Parlament und im Lande draußen be¬
friedigen.

Was freilich die fernere Zukunft bringen, ob der Wunsch nach Ruhe nicht
mit der Zeit dem nach Veränderung überwiegen, was geschehen wird, wenn
das Septennat abläuft, ob Gambetta, augenscheinlich der Befähigtste unter den
Republikanern, feinen Ehrgeiz immer zu zügeln und den Verhältnissen anzu¬
passen die Selbstüberwindung besitzen wird, sind Fragen, die sich nicht beant¬
worten lassen. Es genügt, daß die Gegenwart und die nächste Zukunft Frank¬
reich's nur leicht bewölkt erscheinen. Steigen später einmal Wolken auf, die
uns bedrohen, so wird man bei uns Rath wissen.




Jer Ursprung der Mraöel von den drei Klugen.

Woher Lessing die Parabel von den drei Ringen genommen, die er in seinen
„Nathan" verwoben, ist allbekannt. Es hat sich Niemand um die Quelle zu
bemühen brauchen, wir kennen sie aus seinem eigenen Munde. In einem
Briefe vom 11. August 1778*) schreibt er an seinen Bruder mit Bezug auf



*) Es ist diesen Winter just 100 Jahre her, daß Lessing den „Nathan" schrieb. Am
14. November 1773 begann er mit der Bersifikation des ersten Aktes, und im Mai 1779
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[0135] Manches gefallen lassen, aber mit ziemlicher Sicherheit ist anzunehmen, daß er eher von seinem Posten zurücktreten, als einer Verurtheilung seiner früheren Rathgeber zustimmen wird. Es handelt sich ferner um die Beiseiteschaffung der antirepublikanischen Elemente unter den Verwaltungsbeamten, um die Ueberwindung des Widerstandes, den eine Anzahl von Vertretern des Richter¬ standes leistet, wobei vorzüglich die Absetzung der Generalprokuratoren am Kassationshofe und einigen Appellhöfen in Betracht kommt, um das Verhältniß des Staates zur Geistlichkeit, um eine mehr oder minder umfassende Amnestie für politische Verbrechen der letzten Zeit, endlich um bessere Besetzung der höheren Befehlshaberstellen im Heere — Fragen, zu deren ersprießlichem Aus¬ trag es auf Seiten der einen Partei guten Willens, auf Seiten der andern weiser Mäßigung bedürfen wird. Die letztere ist bisher von Gambetta ver¬ treten worden, die neu gewählten Senatoren gehören so wenig zu den Extremen der einen, wie zu denen der andern Partei, das Ministerium Dufaure wird sich nach Möglichkeit nachgiebig zeigen, und so werden diese Fragen und später vielleicht auch andere durch Kompromisse gelöst werden, die, wenn auch nicht Alle, doch die große Mehrheit im Parlament und im Lande draußen be¬ friedigen. Was freilich die fernere Zukunft bringen, ob der Wunsch nach Ruhe nicht mit der Zeit dem nach Veränderung überwiegen, was geschehen wird, wenn das Septennat abläuft, ob Gambetta, augenscheinlich der Befähigtste unter den Republikanern, feinen Ehrgeiz immer zu zügeln und den Verhältnissen anzu¬ passen die Selbstüberwindung besitzen wird, sind Fragen, die sich nicht beant¬ worten lassen. Es genügt, daß die Gegenwart und die nächste Zukunft Frank¬ reich's nur leicht bewölkt erscheinen. Steigen später einmal Wolken auf, die uns bedrohen, so wird man bei uns Rath wissen. Jer Ursprung der Mraöel von den drei Klugen. Woher Lessing die Parabel von den drei Ringen genommen, die er in seinen „Nathan" verwoben, ist allbekannt. Es hat sich Niemand um die Quelle zu bemühen brauchen, wir kennen sie aus seinem eigenen Munde. In einem Briefe vom 11. August 1778*) schreibt er an seinen Bruder mit Bezug auf *) Es ist diesen Winter just 100 Jahre her, daß Lessing den „Nathan" schrieb. Am 14. November 1773 begann er mit der Bersifikation des ersten Aktes, und im Mai 1779

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/135>, abgerufen am 29.06.2024.