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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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zuzutheilen, ist kein Einwand mehr zu erheben. Am weitesten ging Virchow,
indem er den Wunsch aussprach, daß für das gesammte Gebiet des Unterrichts¬
wesens eine derartige begutachtende Behörde unter dem Namen "Unterrichtsrath"
geschaffen werden solle. Sein dahin zielender Antrag fand ebenfalls Annahme,
aber nicht die Billigung der Regierungsvertreter, und wird, da eine so allge¬
meine Organisationsfrage nicht unbedingt vorliegt, im Plenum höchstens als
schätzbares Material für das kommende Unterrichtsgesetz der Regierung über¬
wiesen werden. Welchen segensreichen Einfluß aber derartige Sachverständigen-
Kommissionen haben können und wie mildernd sie ans die Bureaukratie ein¬
wirken können, hat die Erfahrung im Justizministerium und vor allen Dingen
im landwirthschaftlichen Ministerium gezeigt, wo bereits solche Einrichtungen
für Veterinär- und Mooranlegenheiten bestehen. Auch der Unterrichtsminister
hat sich schon häufig der Gutachten von Sachverständigen bedient und wird
dem weitestgehenden Antrage nicht gar zu abhold sein.

So weit sind die Angelegenheiten gegenwärtig vorgeschritten. Unmittelbar
nach den Ferien sollen sie vor das Plenum des Abgeordnetenhauses gelangen.
Hoffen wir, daß die wichtigen und folgenschweren Entschließungen desselben
dem Lande zum Heile gereichen werden.




Literaten.
Gesetz und Budget. Konstitutionelle Streitfragen aus der preußischen Ministerkrisis
von 1878. Berlin, Julius Springer, 1879.

In der Hauptsache eine Gelegenheitsschrift. Wie bekannt, verlangte das
preußische Ministerium vor einiger Zeit vom Abgeordnetenhause das Gehalt
für einen neuzuschaffenden Eisenbahn-Minister, dann Trennung der Zentral¬
verwaltung der Domänen und Forsten vom Finanzministerium, endlich das
Gehalt für einen etwa zu ernennenden Vizepräsidenten des Staatsministeriums.
Die letzte dieser drei Forderungen wurde bewilligt, die beiden anderen lehnte
man ab, und zwar vorzüglich deshalb, weil man annahm, die Verfassung des
Staatsministeriums sei eine durch Gesetz geordnete, und bei einer Veränderung
in den Ressorts der Ministerien müßten die einzelnen Gesetzbestimmungen, die
einem Ministerdepartement gewisse Befugnisse zusprächen, geändert werden.
Gneist leugnete die Begründung dieser Einrede, indem er namentlich aus dem


zuzutheilen, ist kein Einwand mehr zu erheben. Am weitesten ging Virchow,
indem er den Wunsch aussprach, daß für das gesammte Gebiet des Unterrichts¬
wesens eine derartige begutachtende Behörde unter dem Namen „Unterrichtsrath"
geschaffen werden solle. Sein dahin zielender Antrag fand ebenfalls Annahme,
aber nicht die Billigung der Regierungsvertreter, und wird, da eine so allge¬
meine Organisationsfrage nicht unbedingt vorliegt, im Plenum höchstens als
schätzbares Material für das kommende Unterrichtsgesetz der Regierung über¬
wiesen werden. Welchen segensreichen Einfluß aber derartige Sachverständigen-
Kommissionen haben können und wie mildernd sie ans die Bureaukratie ein¬
wirken können, hat die Erfahrung im Justizministerium und vor allen Dingen
im landwirthschaftlichen Ministerium gezeigt, wo bereits solche Einrichtungen
für Veterinär- und Mooranlegenheiten bestehen. Auch der Unterrichtsminister
hat sich schon häufig der Gutachten von Sachverständigen bedient und wird
dem weitestgehenden Antrage nicht gar zu abhold sein.

So weit sind die Angelegenheiten gegenwärtig vorgeschritten. Unmittelbar
nach den Ferien sollen sie vor das Plenum des Abgeordnetenhauses gelangen.
Hoffen wir, daß die wichtigen und folgenschweren Entschließungen desselben
dem Lande zum Heile gereichen werden.




Literaten.
Gesetz und Budget. Konstitutionelle Streitfragen aus der preußischen Ministerkrisis
von 1878. Berlin, Julius Springer, 1879.

In der Hauptsache eine Gelegenheitsschrift. Wie bekannt, verlangte das
preußische Ministerium vor einiger Zeit vom Abgeordnetenhause das Gehalt
für einen neuzuschaffenden Eisenbahn-Minister, dann Trennung der Zentral¬
verwaltung der Domänen und Forsten vom Finanzministerium, endlich das
Gehalt für einen etwa zu ernennenden Vizepräsidenten des Staatsministeriums.
Die letzte dieser drei Forderungen wurde bewilligt, die beiden anderen lehnte
man ab, und zwar vorzüglich deshalb, weil man annahm, die Verfassung des
Staatsministeriums sei eine durch Gesetz geordnete, und bei einer Veränderung
in den Ressorts der Ministerien müßten die einzelnen Gesetzbestimmungen, die
einem Ministerdepartement gewisse Befugnisse zusprächen, geändert werden.
Gneist leugnete die Begründung dieser Einrede, indem er namentlich aus dem


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[0123] zuzutheilen, ist kein Einwand mehr zu erheben. Am weitesten ging Virchow, indem er den Wunsch aussprach, daß für das gesammte Gebiet des Unterrichts¬ wesens eine derartige begutachtende Behörde unter dem Namen „Unterrichtsrath" geschaffen werden solle. Sein dahin zielender Antrag fand ebenfalls Annahme, aber nicht die Billigung der Regierungsvertreter, und wird, da eine so allge¬ meine Organisationsfrage nicht unbedingt vorliegt, im Plenum höchstens als schätzbares Material für das kommende Unterrichtsgesetz der Regierung über¬ wiesen werden. Welchen segensreichen Einfluß aber derartige Sachverständigen- Kommissionen haben können und wie mildernd sie ans die Bureaukratie ein¬ wirken können, hat die Erfahrung im Justizministerium und vor allen Dingen im landwirthschaftlichen Ministerium gezeigt, wo bereits solche Einrichtungen für Veterinär- und Mooranlegenheiten bestehen. Auch der Unterrichtsminister hat sich schon häufig der Gutachten von Sachverständigen bedient und wird dem weitestgehenden Antrage nicht gar zu abhold sein. So weit sind die Angelegenheiten gegenwärtig vorgeschritten. Unmittelbar nach den Ferien sollen sie vor das Plenum des Abgeordnetenhauses gelangen. Hoffen wir, daß die wichtigen und folgenschweren Entschließungen desselben dem Lande zum Heile gereichen werden. Literaten. Gesetz und Budget. Konstitutionelle Streitfragen aus der preußischen Ministerkrisis von 1878. Berlin, Julius Springer, 1879. In der Hauptsache eine Gelegenheitsschrift. Wie bekannt, verlangte das preußische Ministerium vor einiger Zeit vom Abgeordnetenhause das Gehalt für einen neuzuschaffenden Eisenbahn-Minister, dann Trennung der Zentral¬ verwaltung der Domänen und Forsten vom Finanzministerium, endlich das Gehalt für einen etwa zu ernennenden Vizepräsidenten des Staatsministeriums. Die letzte dieser drei Forderungen wurde bewilligt, die beiden anderen lehnte man ab, und zwar vorzüglich deshalb, weil man annahm, die Verfassung des Staatsministeriums sei eine durch Gesetz geordnete, und bei einer Veränderung in den Ressorts der Ministerien müßten die einzelnen Gesetzbestimmungen, die einem Ministerdepartement gewisse Befugnisse zusprächen, geändert werden. Gneist leugnete die Begründung dieser Einrede, indem er namentlich aus dem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/123>, abgerufen am 29.06.2024.