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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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Wir hören den Einwand gegen diese Darstellung der Sache: Ja, aber
man muß nach dem Obigen doch zugeben, daß der Export deutscher Papiere
und Papierfabrikate mit jedem Jahre zugenommen und sich auch nach 1873
bedeutend gesteigert hat. Möge darauf die Denkschrift selbst antworten. Zu¬
gestanden, sagt sie, aber "man darf sich dadurch nicht blenden lassen. Seit
Jahren ist die Papierfabrikation bei uns unrentabel gewesen, und die Unter¬
nehmer waren, wenn sie ihr Anlagekapital nur einigermaßen verzinst haben
wollten, genöthigt, mit Hilfe der Surrogate ihre Fabrikation auszudehnen, um
dadurch an Generalkosten zu sparen. Die dadurch entstandene Ueberproduktion
mußten sie ohne Gewinn, vielleicht sogar mit Verlust im Auslande absetzen.
Schon aber treten bedenkliche Symptome hervor, unter Anderm die Mehrein¬
fuhr von Lumpen und der Rückgang in der Fabrikation der besseren Papier¬
sorten."

Die vergleichende Untersuchung des Papiers der verschiedenen Länder auf
der letzten Weltausstellung hat den Rückgang der deutschen Papierfabrikation
H in der Qualität erwiesen.




Die Veränderungen im technischen Unterrichtswesen
Preußens.

Auf wirthschaftlichem Gebiete hat unser Vaterland im letzten Jahrzehnt
bittere Erfahrungen machen müssen. Zum Glück haben sie in mehrfacher
Beziehung zur heilsamen Selbsterkenntniß geführt und -- auf den Weg zur
Besserung wenigstens auf zwei Gebieten, dem der Zollpolitik und des techni¬
schen Unterrichtswesens. Daß der Mangel einer tüchtigen gewerblichen Fach¬
bildung eine der Hauptursachen des Rückganges im deutschen Gewerbe und
Handwerk sei, diese Erkenntniß hat sich seit etwa zwei Jahren sowohl in der
Regierung wie in Abgeordnetenkreisen allmählich Bahn gebrochen. Die preu¬
ßische Regierung hatte seit den fünfziger Jahren mit ihren Gewerbeschulen viel
experimentirt, aber zu durchgreifenden Reformen hatte sie es nicht bringen
können. So kam es, daß Preußen in dieser Beziehung hinter anderen deutschen
Staaten (z. B. Württemberg und Sachsen) und hinter Oesterreich, namentlich
aber hinter Frankreich, das in dieser Beziehung stets den ersten Rang einnahm,
bedeutend zurückgeblieben war. In dieser Ueberzeugung sandte man die


Wir hören den Einwand gegen diese Darstellung der Sache: Ja, aber
man muß nach dem Obigen doch zugeben, daß der Export deutscher Papiere
und Papierfabrikate mit jedem Jahre zugenommen und sich auch nach 1873
bedeutend gesteigert hat. Möge darauf die Denkschrift selbst antworten. Zu¬
gestanden, sagt sie, aber „man darf sich dadurch nicht blenden lassen. Seit
Jahren ist die Papierfabrikation bei uns unrentabel gewesen, und die Unter¬
nehmer waren, wenn sie ihr Anlagekapital nur einigermaßen verzinst haben
wollten, genöthigt, mit Hilfe der Surrogate ihre Fabrikation auszudehnen, um
dadurch an Generalkosten zu sparen. Die dadurch entstandene Ueberproduktion
mußten sie ohne Gewinn, vielleicht sogar mit Verlust im Auslande absetzen.
Schon aber treten bedenkliche Symptome hervor, unter Anderm die Mehrein¬
fuhr von Lumpen und der Rückgang in der Fabrikation der besseren Papier¬
sorten."

Die vergleichende Untersuchung des Papiers der verschiedenen Länder auf
der letzten Weltausstellung hat den Rückgang der deutschen Papierfabrikation
H in der Qualität erwiesen.




Die Veränderungen im technischen Unterrichtswesen
Preußens.

Auf wirthschaftlichem Gebiete hat unser Vaterland im letzten Jahrzehnt
bittere Erfahrungen machen müssen. Zum Glück haben sie in mehrfacher
Beziehung zur heilsamen Selbsterkenntniß geführt und — auf den Weg zur
Besserung wenigstens auf zwei Gebieten, dem der Zollpolitik und des techni¬
schen Unterrichtswesens. Daß der Mangel einer tüchtigen gewerblichen Fach¬
bildung eine der Hauptursachen des Rückganges im deutschen Gewerbe und
Handwerk sei, diese Erkenntniß hat sich seit etwa zwei Jahren sowohl in der
Regierung wie in Abgeordnetenkreisen allmählich Bahn gebrochen. Die preu¬
ßische Regierung hatte seit den fünfziger Jahren mit ihren Gewerbeschulen viel
experimentirt, aber zu durchgreifenden Reformen hatte sie es nicht bringen
können. So kam es, daß Preußen in dieser Beziehung hinter anderen deutschen
Staaten (z. B. Württemberg und Sachsen) und hinter Oesterreich, namentlich
aber hinter Frankreich, das in dieser Beziehung stets den ersten Rang einnahm,
bedeutend zurückgeblieben war. In dieser Ueberzeugung sandte man die


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[0120] Wir hören den Einwand gegen diese Darstellung der Sache: Ja, aber man muß nach dem Obigen doch zugeben, daß der Export deutscher Papiere und Papierfabrikate mit jedem Jahre zugenommen und sich auch nach 1873 bedeutend gesteigert hat. Möge darauf die Denkschrift selbst antworten. Zu¬ gestanden, sagt sie, aber „man darf sich dadurch nicht blenden lassen. Seit Jahren ist die Papierfabrikation bei uns unrentabel gewesen, und die Unter¬ nehmer waren, wenn sie ihr Anlagekapital nur einigermaßen verzinst haben wollten, genöthigt, mit Hilfe der Surrogate ihre Fabrikation auszudehnen, um dadurch an Generalkosten zu sparen. Die dadurch entstandene Ueberproduktion mußten sie ohne Gewinn, vielleicht sogar mit Verlust im Auslande absetzen. Schon aber treten bedenkliche Symptome hervor, unter Anderm die Mehrein¬ fuhr von Lumpen und der Rückgang in der Fabrikation der besseren Papier¬ sorten." Die vergleichende Untersuchung des Papiers der verschiedenen Länder auf der letzten Weltausstellung hat den Rückgang der deutschen Papierfabrikation H in der Qualität erwiesen. Die Veränderungen im technischen Unterrichtswesen Preußens. Auf wirthschaftlichem Gebiete hat unser Vaterland im letzten Jahrzehnt bittere Erfahrungen machen müssen. Zum Glück haben sie in mehrfacher Beziehung zur heilsamen Selbsterkenntniß geführt und — auf den Weg zur Besserung wenigstens auf zwei Gebieten, dem der Zollpolitik und des techni¬ schen Unterrichtswesens. Daß der Mangel einer tüchtigen gewerblichen Fach¬ bildung eine der Hauptursachen des Rückganges im deutschen Gewerbe und Handwerk sei, diese Erkenntniß hat sich seit etwa zwei Jahren sowohl in der Regierung wie in Abgeordnetenkreisen allmählich Bahn gebrochen. Die preu¬ ßische Regierung hatte seit den fünfziger Jahren mit ihren Gewerbeschulen viel experimentirt, aber zu durchgreifenden Reformen hatte sie es nicht bringen können. So kam es, daß Preußen in dieser Beziehung hinter anderen deutschen Staaten (z. B. Württemberg und Sachsen) und hinter Oesterreich, namentlich aber hinter Frankreich, das in dieser Beziehung stets den ersten Rang einnahm, bedeutend zurückgeblieben war. In dieser Ueberzeugung sandte man die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/120>, abgerufen am 29.06.2024.