Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.Das deutsche Volk und seine Repräsentanten sind also vollauf berechtigt, die Otto Kaemmel. Me erste Woche des deutschen Aeichstags. Mit der seit vielen Jahren stärksten Präsenzziffer (von 271 Mitgliedern), Schon vor dem Zusammentritte des Reichstags hatte die offiziöse Pro- Das deutsche Volk und seine Repräsentanten sind also vollauf berechtigt, die Otto Kaemmel. Me erste Woche des deutschen Aeichstags. Mit der seit vielen Jahren stärksten Präsenzziffer (von 271 Mitgliedern), Schon vor dem Zusammentritte des Reichstags hatte die offiziöse Pro- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0482" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/140833"/> <p xml:id="ID_1466" prev="#ID_1465"> Das deutsche Volk und seine Repräsentanten sind also vollauf berechtigt, die<lb/> deutschen Sozialisten für Unthaten verantwortlich zu machen, die sie von sich<lb/> abzuwälzen suchten, die aber ein Fremder ans Grund derselben sozialistischen<lb/> Anschauung als Heldenthaten preist.</p><lb/> <note type="byline"> Otto Kaemmel.</note><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Me erste Woche des deutschen Aeichstags.</head><lb/> <p xml:id="ID_1467"> Mit der seit vielen Jahren stärksten Präsenzziffer (von 271 Mitgliedern),<lb/> ist der Reichstag am 9. d. M. zu seiner ersten Sitzung zusammengetreten.<lb/> Schon diese Thatsache darf als ein erfreuliches Anzeichen dafür augesehen<lb/> werden, daß auf allen Seiten der neugewählten Versammlung der hohe Ernst<lb/> und die große Wichtigkeit der Aufgaben erkannt wird, welche den Reichstag<lb/> während dieser außerordentlichen Session beschäftigen sollen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1468" next="#ID_1469"> Schon vor dem Zusammentritte des Reichstags hatte die offiziöse Pro-<lb/> vinzial-Korrespondenz am Schlüsse eines Artikels über „die Aufgabe" dieser<lb/> Reichstagssessiou gesagt: „daß eine Reaktion im wahren Sinne, d. h. der Ver¬<lb/> such, geschweige denn der dauernde Wille, dem wahren Bedürfniß der natio¬<lb/> nalen Entwickelung entgegenzuhandeln, ein unmöglicher Gedanke ist, diese Ueber-<lb/> zeugung soll die deutsche Nation in dem Augenblicke, wo ein schweres Uebel<lb/> dnrch fernere Vernachlässigung zum Unheil heranzuwachsen droht, aus dem<lb/> Vertrauen zu sich selbst schöpfen." Diese Erklärung wäre zwei Monate früher<lb/> vom heilvollsten Einflüsse auf die Wahlen gewesen. Sie hätte gehindert, daß<lb/> alle Reichsfeinde aus den prahlerischer Worten, mit welchen vor den Wahlen<lb/> die deutsch-konservativen Organe und selbst ein Theil der Regierungsblätter,<lb/> der ganzen modernen Freiheit der deutschen Gesetzgebung den Krieg bis aufs<lb/> Messer erklärten, den größten Vortheil zogen, und dadurch die Reihen der ab¬<lb/> soluten Gegner des Sozialisten-Gesetzes, der Ultramontanen, Welsen, Demo¬<lb/> kraten u. f. w. auf Kosten der nationalen Elemente um dreißig bis vierzig<lb/> Sitze verstärkten. Dennoch bilden jene nationalen Elemente, welche das Heil<lb/> des Vaterlandes über Alles stellen, und sich nicht beirren lassen dnrch Frnk-<lb/> tivnsvorurtheile, dnrch doktrinäre Liebhabereien und persönliche Verstimmungen<lb/> oder Kränkungen auch jetzt noch, wir sind dessen überzeugt, die Mehrheit im<lb/> deutschen Reichstage. Sie werden bei der Prüfung, welche die Thronrede dein<lb/> Reichstag vertrauensvoll überträgt: „ob das bestehende Recht genügende Hand-<lb/> haben zur Unschädlichkeit jener Bestrebungen bietet, deren dem Reiche und der<lb/> ganzen bürgerlichen Gesellschaft drohende Gefahr durch ein erneutes Verbrechen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0482]
Das deutsche Volk und seine Repräsentanten sind also vollauf berechtigt, die
deutschen Sozialisten für Unthaten verantwortlich zu machen, die sie von sich
abzuwälzen suchten, die aber ein Fremder ans Grund derselben sozialistischen
Anschauung als Heldenthaten preist.
Otto Kaemmel.
Me erste Woche des deutschen Aeichstags.
Mit der seit vielen Jahren stärksten Präsenzziffer (von 271 Mitgliedern),
ist der Reichstag am 9. d. M. zu seiner ersten Sitzung zusammengetreten.
Schon diese Thatsache darf als ein erfreuliches Anzeichen dafür augesehen
werden, daß auf allen Seiten der neugewählten Versammlung der hohe Ernst
und die große Wichtigkeit der Aufgaben erkannt wird, welche den Reichstag
während dieser außerordentlichen Session beschäftigen sollen.
Schon vor dem Zusammentritte des Reichstags hatte die offiziöse Pro-
vinzial-Korrespondenz am Schlüsse eines Artikels über „die Aufgabe" dieser
Reichstagssessiou gesagt: „daß eine Reaktion im wahren Sinne, d. h. der Ver¬
such, geschweige denn der dauernde Wille, dem wahren Bedürfniß der natio¬
nalen Entwickelung entgegenzuhandeln, ein unmöglicher Gedanke ist, diese Ueber-
zeugung soll die deutsche Nation in dem Augenblicke, wo ein schweres Uebel
dnrch fernere Vernachlässigung zum Unheil heranzuwachsen droht, aus dem
Vertrauen zu sich selbst schöpfen." Diese Erklärung wäre zwei Monate früher
vom heilvollsten Einflüsse auf die Wahlen gewesen. Sie hätte gehindert, daß
alle Reichsfeinde aus den prahlerischer Worten, mit welchen vor den Wahlen
die deutsch-konservativen Organe und selbst ein Theil der Regierungsblätter,
der ganzen modernen Freiheit der deutschen Gesetzgebung den Krieg bis aufs
Messer erklärten, den größten Vortheil zogen, und dadurch die Reihen der ab¬
soluten Gegner des Sozialisten-Gesetzes, der Ultramontanen, Welsen, Demo¬
kraten u. f. w. auf Kosten der nationalen Elemente um dreißig bis vierzig
Sitze verstärkten. Dennoch bilden jene nationalen Elemente, welche das Heil
des Vaterlandes über Alles stellen, und sich nicht beirren lassen dnrch Frnk-
tivnsvorurtheile, dnrch doktrinäre Liebhabereien und persönliche Verstimmungen
oder Kränkungen auch jetzt noch, wir sind dessen überzeugt, die Mehrheit im
deutschen Reichstage. Sie werden bei der Prüfung, welche die Thronrede dein
Reichstag vertrauensvoll überträgt: „ob das bestehende Recht genügende Hand-
haben zur Unschädlichkeit jener Bestrebungen bietet, deren dem Reiche und der
ganzen bürgerlichen Gesellschaft drohende Gefahr durch ein erneutes Verbrechen
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