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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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Landstreicher hat das Recht, hinter dem Gensdarmen die Zunge herauszurecken
(sie!)," -- der kann nicht beanspruchen, in historischen Dingen ernsthaft ge¬
nommen zu werden, höchstens etwa unter den Historiographen, die in der
"Frankfurter Zeitung" uuter'in Strich das ihnen vertraute Gemüse der Welt¬
geschichte anbauen.

Die Stärke des Verfassers liegt, wie wir zeigten, auf einem andern Ge¬
biete als dem methodischer Geschichtsforschung. Da, wo er das Leben des
Tages der französischen Hauptstadt mit seinem scharfen Blicke, an der Hand
der Kenntnisse und Berufserfahrungen, die ihm eigen sind, betrachtet, fördert
er Interessantes, häufig Neues zu Tage. In dieser Beschränkung liegt seine
Kraft; möge er des wohlmeinenden Rathes eingedenk fein. --




Italienische Aovessisten.

Von der bereits früher*) angezeigten Sammlung Italienischer Novellisten,
die Paul Heyse veranstaltet, sind neuerdings zwei neue Bände erschienen.^)

Die drei zuerst in d. Bl. besprochenen Bände der vorliegenden Sammlung,
die sämmtlich Übersetzungen von Romanen Jppolito Nievo's enthielten, konnten
eingeleitet werden durch ziemlich, reiche biographische Notizen über den früh-
verstorbenen Verfasser der Originale. Bei den jetzt vorliegenden Bünden fehlt
leder biographische Text, ein Mangel, der gewiß von vielen Lesern schmerzlich
empfunden wird und in der Folge nach Möglichkeit vermieden werden sollte.
Der wahre Werth eines Kunstwerkes wird ja natürlich stets gleich freudig ge-
nossen, ob wir nun wissen, welches Lebensschicksal dem Urheber desselben be-
schieden gewesen, oder ob wir das nicht wissen. Wie viele fragen z. B., wenn
sie ein bedeutendes Bild schauen, unter welchen Verhältnissen der Maler groß
geworden und zum künstlerischen Schaffen gediehen sei? Wer denkt, wenn er
Shakespeare oder Goethe liest, zunächst an die Lebenslaufbahn des Dichters?
Aber diese Einwürfe halten wir doch im vorliegenden Falle für wenig be¬
rechtigt. Es handelt sich bei dieser Sammlung darum, dem deutschen Volke
eine größere Anzahl ihm bis dahin völlig oder fast unbekannter italienischer
Novellisten zu erschließen, deutsche Sympathien sür sie zu gewinnen; zudem




") Grenzboten, 1373. I. S. 426, 463.
Leipzig, F. W. Grunow, 1378.
Grenzboten II. 1373.44

Landstreicher hat das Recht, hinter dem Gensdarmen die Zunge herauszurecken
(sie!)," — der kann nicht beanspruchen, in historischen Dingen ernsthaft ge¬
nommen zu werden, höchstens etwa unter den Historiographen, die in der
»Frankfurter Zeitung" uuter'in Strich das ihnen vertraute Gemüse der Welt¬
geschichte anbauen.

Die Stärke des Verfassers liegt, wie wir zeigten, auf einem andern Ge¬
biete als dem methodischer Geschichtsforschung. Da, wo er das Leben des
Tages der französischen Hauptstadt mit seinem scharfen Blicke, an der Hand
der Kenntnisse und Berufserfahrungen, die ihm eigen sind, betrachtet, fördert
er Interessantes, häufig Neues zu Tage. In dieser Beschränkung liegt seine
Kraft; möge er des wohlmeinenden Rathes eingedenk fein. —




Italienische Aovessisten.

Von der bereits früher*) angezeigten Sammlung Italienischer Novellisten,
die Paul Heyse veranstaltet, sind neuerdings zwei neue Bände erschienen.^)

Die drei zuerst in d. Bl. besprochenen Bände der vorliegenden Sammlung,
die sämmtlich Übersetzungen von Romanen Jppolito Nievo's enthielten, konnten
eingeleitet werden durch ziemlich, reiche biographische Notizen über den früh-
verstorbenen Verfasser der Originale. Bei den jetzt vorliegenden Bünden fehlt
leder biographische Text, ein Mangel, der gewiß von vielen Lesern schmerzlich
empfunden wird und in der Folge nach Möglichkeit vermieden werden sollte.
Der wahre Werth eines Kunstwerkes wird ja natürlich stets gleich freudig ge-
nossen, ob wir nun wissen, welches Lebensschicksal dem Urheber desselben be-
schieden gewesen, oder ob wir das nicht wissen. Wie viele fragen z. B., wenn
sie ein bedeutendes Bild schauen, unter welchen Verhältnissen der Maler groß
geworden und zum künstlerischen Schaffen gediehen sei? Wer denkt, wenn er
Shakespeare oder Goethe liest, zunächst an die Lebenslaufbahn des Dichters?
Aber diese Einwürfe halten wir doch im vorliegenden Falle für wenig be¬
rechtigt. Es handelt sich bei dieser Sammlung darum, dem deutschen Volke
eine größere Anzahl ihm bis dahin völlig oder fast unbekannter italienischer
Novellisten zu erschließen, deutsche Sympathien sür sie zu gewinnen; zudem




") Grenzboten, 1373. I. S. 426, 463.
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[0349] Landstreicher hat das Recht, hinter dem Gensdarmen die Zunge herauszurecken (sie!)," — der kann nicht beanspruchen, in historischen Dingen ernsthaft ge¬ nommen zu werden, höchstens etwa unter den Historiographen, die in der »Frankfurter Zeitung" uuter'in Strich das ihnen vertraute Gemüse der Welt¬ geschichte anbauen. Die Stärke des Verfassers liegt, wie wir zeigten, auf einem andern Ge¬ biete als dem methodischer Geschichtsforschung. Da, wo er das Leben des Tages der französischen Hauptstadt mit seinem scharfen Blicke, an der Hand der Kenntnisse und Berufserfahrungen, die ihm eigen sind, betrachtet, fördert er Interessantes, häufig Neues zu Tage. In dieser Beschränkung liegt seine Kraft; möge er des wohlmeinenden Rathes eingedenk fein. — Italienische Aovessisten. Von der bereits früher*) angezeigten Sammlung Italienischer Novellisten, die Paul Heyse veranstaltet, sind neuerdings zwei neue Bände erschienen.^) Die drei zuerst in d. Bl. besprochenen Bände der vorliegenden Sammlung, die sämmtlich Übersetzungen von Romanen Jppolito Nievo's enthielten, konnten eingeleitet werden durch ziemlich, reiche biographische Notizen über den früh- verstorbenen Verfasser der Originale. Bei den jetzt vorliegenden Bünden fehlt leder biographische Text, ein Mangel, der gewiß von vielen Lesern schmerzlich empfunden wird und in der Folge nach Möglichkeit vermieden werden sollte. Der wahre Werth eines Kunstwerkes wird ja natürlich stets gleich freudig ge- nossen, ob wir nun wissen, welches Lebensschicksal dem Urheber desselben be- schieden gewesen, oder ob wir das nicht wissen. Wie viele fragen z. B., wenn sie ein bedeutendes Bild schauen, unter welchen Verhältnissen der Maler groß geworden und zum künstlerischen Schaffen gediehen sei? Wer denkt, wenn er Shakespeare oder Goethe liest, zunächst an die Lebenslaufbahn des Dichters? Aber diese Einwürfe halten wir doch im vorliegenden Falle für wenig be¬ rechtigt. Es handelt sich bei dieser Sammlung darum, dem deutschen Volke eine größere Anzahl ihm bis dahin völlig oder fast unbekannter italienischer Novellisten zu erschließen, deutsche Sympathien sür sie zu gewinnen; zudem ") Grenzboten, 1373. I. S. 426, 463. Leipzig, F. W. Grunow, 1378. Grenzboten II. 1373.44

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/349>, abgerufen am 28.12.2024.