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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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Italien durch die klerikalen Machinationen sich hingedrängt sieht, "den ge¬
borenen Feind des Katholicismus und den alten Nebenbuhler des lateinischen
Stammes" und prophezeit nichts Geringeres, als daß "das neue Deutschland
sich Italiens bedienen wird, um Frankreich zu zertreten, dann auch Italien
zertreten oder wenigstens schwächen und so der teutonischen Race die Herrschaft
über das ganze südliche und westliche Europa sichern wird, während der Ost¬
streifen dem slavischen Reiche dient. Es- sind furchtbar traurige Prophezeiun¬
gen, ich sehe es; und wer in dieser Welt auch nichts weiter liebte als Italien,
müßte darüber sein Herz sich zusammenziehen und sich fast zur Verzweiflung
getrieben fühlen." --

Wir sind überzeugt, bester Pater, daß die Absichten Deutschlands nicht
dazu angethan sind, Italien zur Verzweiflung zu treiben, -- im Gegentheil!
Nichtsdestoweniger wollen wir im Folgenden die auf Vermeidung der ver¬
zweiflungsvollen Ereignisse gerichteten Vorschlüge der Betrachtung unterziehen.




Mahmud Mscha, der Eroberer von Konftanünopel.
Aus einem ungedruckten türkischen Volksbuch übersetzt von
Gustav v. Eckenbrecher.

Wenn man von der Galata-Brücke in Konstantinopel nach dem großen
Bazar Stambuls hinaufsteigt, führt der Weg durch eine lange, nur aus Kauf¬
gewölben und Läden bestehende, und von dem Gewühl einer handeltreibenden
Menge aller Nationen tagtäglich wimmelnde Straße, welche dort unter dem
Namen "Mahmud Pascha" allgemein bekannt ist: an ihr liegt auch das be¬
rühmteste der prachtvollen Bäder Stambuls, das ebenfalls diesen Namen trägt,
und wenn man unfern des großen Bazars links von jener Straße abbiegt,
und ein Gewirr von kleinen Gassen durchschneidet, so tritt man auf einen
stillen freien Platz, von einigen alten Bäumen und Weinstöcken beschattet, auf
dem eine Moschee aus der ältesten Zeit Stambuls steht, reich geziert mit dem
Schmuck orientalischer Baukunst: auch sie führt den Namen Mahmud Pascha.
Es ist das Gedächtniß eines der denkwürdigsten Männer der türkischen Ge¬
schichte, welches an diesen Namen sich knüpft. Mahmud Pascha war der Groß-
vezier Muhammed's II., des Eroberers von Konstantinopel, und stand diesem
fast während seiner ganzen Regierung theils als weiser Rathgeber, theils als


Italien durch die klerikalen Machinationen sich hingedrängt sieht, „den ge¬
borenen Feind des Katholicismus und den alten Nebenbuhler des lateinischen
Stammes" und prophezeit nichts Geringeres, als daß „das neue Deutschland
sich Italiens bedienen wird, um Frankreich zu zertreten, dann auch Italien
zertreten oder wenigstens schwächen und so der teutonischen Race die Herrschaft
über das ganze südliche und westliche Europa sichern wird, während der Ost¬
streifen dem slavischen Reiche dient. Es- sind furchtbar traurige Prophezeiun¬
gen, ich sehe es; und wer in dieser Welt auch nichts weiter liebte als Italien,
müßte darüber sein Herz sich zusammenziehen und sich fast zur Verzweiflung
getrieben fühlen." —

Wir sind überzeugt, bester Pater, daß die Absichten Deutschlands nicht
dazu angethan sind, Italien zur Verzweiflung zu treiben, — im Gegentheil!
Nichtsdestoweniger wollen wir im Folgenden die auf Vermeidung der ver¬
zweiflungsvollen Ereignisse gerichteten Vorschlüge der Betrachtung unterziehen.




Mahmud Mscha, der Eroberer von Konftanünopel.
Aus einem ungedruckten türkischen Volksbuch übersetzt von
Gustav v. Eckenbrecher.

Wenn man von der Galata-Brücke in Konstantinopel nach dem großen
Bazar Stambuls hinaufsteigt, führt der Weg durch eine lange, nur aus Kauf¬
gewölben und Läden bestehende, und von dem Gewühl einer handeltreibenden
Menge aller Nationen tagtäglich wimmelnde Straße, welche dort unter dem
Namen „Mahmud Pascha" allgemein bekannt ist: an ihr liegt auch das be¬
rühmteste der prachtvollen Bäder Stambuls, das ebenfalls diesen Namen trägt,
und wenn man unfern des großen Bazars links von jener Straße abbiegt,
und ein Gewirr von kleinen Gassen durchschneidet, so tritt man auf einen
stillen freien Platz, von einigen alten Bäumen und Weinstöcken beschattet, auf
dem eine Moschee aus der ältesten Zeit Stambuls steht, reich geziert mit dem
Schmuck orientalischer Baukunst: auch sie führt den Namen Mahmud Pascha.
Es ist das Gedächtniß eines der denkwürdigsten Männer der türkischen Ge¬
schichte, welches an diesen Namen sich knüpft. Mahmud Pascha war der Groß-
vezier Muhammed's II., des Eroberers von Konstantinopel, und stand diesem
fast während seiner ganzen Regierung theils als weiser Rathgeber, theils als


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[0232] Italien durch die klerikalen Machinationen sich hingedrängt sieht, „den ge¬ borenen Feind des Katholicismus und den alten Nebenbuhler des lateinischen Stammes" und prophezeit nichts Geringeres, als daß „das neue Deutschland sich Italiens bedienen wird, um Frankreich zu zertreten, dann auch Italien zertreten oder wenigstens schwächen und so der teutonischen Race die Herrschaft über das ganze südliche und westliche Europa sichern wird, während der Ost¬ streifen dem slavischen Reiche dient. Es- sind furchtbar traurige Prophezeiun¬ gen, ich sehe es; und wer in dieser Welt auch nichts weiter liebte als Italien, müßte darüber sein Herz sich zusammenziehen und sich fast zur Verzweiflung getrieben fühlen." — Wir sind überzeugt, bester Pater, daß die Absichten Deutschlands nicht dazu angethan sind, Italien zur Verzweiflung zu treiben, — im Gegentheil! Nichtsdestoweniger wollen wir im Folgenden die auf Vermeidung der ver¬ zweiflungsvollen Ereignisse gerichteten Vorschlüge der Betrachtung unterziehen. Mahmud Mscha, der Eroberer von Konftanünopel. Aus einem ungedruckten türkischen Volksbuch übersetzt von Gustav v. Eckenbrecher. Wenn man von der Galata-Brücke in Konstantinopel nach dem großen Bazar Stambuls hinaufsteigt, führt der Weg durch eine lange, nur aus Kauf¬ gewölben und Läden bestehende, und von dem Gewühl einer handeltreibenden Menge aller Nationen tagtäglich wimmelnde Straße, welche dort unter dem Namen „Mahmud Pascha" allgemein bekannt ist: an ihr liegt auch das be¬ rühmteste der prachtvollen Bäder Stambuls, das ebenfalls diesen Namen trägt, und wenn man unfern des großen Bazars links von jener Straße abbiegt, und ein Gewirr von kleinen Gassen durchschneidet, so tritt man auf einen stillen freien Platz, von einigen alten Bäumen und Weinstöcken beschattet, auf dem eine Moschee aus der ältesten Zeit Stambuls steht, reich geziert mit dem Schmuck orientalischer Baukunst: auch sie führt den Namen Mahmud Pascha. Es ist das Gedächtniß eines der denkwürdigsten Männer der türkischen Ge¬ schichte, welches an diesen Namen sich knüpft. Mahmud Pascha war der Groß- vezier Muhammed's II., des Eroberers von Konstantinopel, und stand diesem fast während seiner ganzen Regierung theils als weiser Rathgeber, theils als

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/232>, abgerufen am 28.12.2024.