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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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Ausschüssen, kurz ihre Organisation erscheint zur Uebernahme derartiger Func-
tionen ganz wie geschaffen. Zugleich würde dadurch der Vortheil erreicht, daß
der Bezirk die von ihm geschaffenen Bezirksanstalten (Krankenhäuser, Waisen-
Häuser, Zwangsarbeitsanstalten :e.) zugleich für die Zwecke des Landarmen¬
wesens verwerthen könnte.

Eine gewisse Schwierigkeit bieten nur die Städte Dresden, Leipzig und
Chemnitz, welche selbständige Bezirksverbände bilden. Hier würde also der
Ortsarmenverband mit dem Landarmenverband zusammenfallen und doch
könnte man diesen Städten kaum zumuthen, die Landarmenlasten, welche ihnen
der Staat bisher abgenommen hat, aus eigenen Mitteln zu übertragen.
Wenigstens müßte durch Gewährung von Zuschüssen aus der Staatscasse ein
theilweiser Ausgleich herbeigeführt werden.

Das gegenwärtige Provisorium, wonach der Staat bis auf weiteres die
Landarmenangelegenheiten fortführen solle, darf keinesfalls in einen dauernden
Zustand übergehen. Denn die Armengesetzgebung beruht fast allenthalben in
Deutschland auf dem Gemeindeprincip und die Armenpflege kann nur von den
Gemeinden -- seien es einzelne Gemeinden oder Gemeindeverbände -- zweck¬
Max Wtttgenstetn. mäßig verwaltet werden.




Dom preußischen Landtag.

Am 20. März hielt das Herrenhaus, welches seit der Eröffnungssitzung
keine gehabt, seine zweite Sitzung ab. Graf Udo zu Stolberg interpellirte
den Handelsminister, ob die Staatsregierung beabsichtige, dem Landtag ein
Gesetz vorzulegen, betreffend die Abtretung der preußischen Staatsbahnen an
das Reich. Nachdem der Interpellant sich für einen Anhänger des Ueber¬
gangs der Eisenbahnen an das Reich erklärt und nachdem er die Uebelstände
des jetzigen gemischten Systems der Staatsbahnen und Privatbahnen mit
einigen schlagenden Beispielen beleuchtet, antwortete der Handelsminister, in¬
dem er die Absicht der Regierung, einen Gesetzentwurf im Sinne des Inter¬
pellanten einzubringen, bejahte. Gleichzeitig lehnte er jedoch bei der nahen
Einbringung des betreffenden Entwurfes einstweilen jedes Eingehen auf die
Motive desselben ab. Diesem Beispiel werden wir bis zur parlamentarischen
Erörterung der Vorlage folgen müssen. Am 21. März hatte das Herrenhaus
seine dritte Sitzung. Hier kamen technische Gesetze und Petitionen zur Sprache.


Ausschüssen, kurz ihre Organisation erscheint zur Uebernahme derartiger Func-
tionen ganz wie geschaffen. Zugleich würde dadurch der Vortheil erreicht, daß
der Bezirk die von ihm geschaffenen Bezirksanstalten (Krankenhäuser, Waisen-
Häuser, Zwangsarbeitsanstalten :e.) zugleich für die Zwecke des Landarmen¬
wesens verwerthen könnte.

Eine gewisse Schwierigkeit bieten nur die Städte Dresden, Leipzig und
Chemnitz, welche selbständige Bezirksverbände bilden. Hier würde also der
Ortsarmenverband mit dem Landarmenverband zusammenfallen und doch
könnte man diesen Städten kaum zumuthen, die Landarmenlasten, welche ihnen
der Staat bisher abgenommen hat, aus eigenen Mitteln zu übertragen.
Wenigstens müßte durch Gewährung von Zuschüssen aus der Staatscasse ein
theilweiser Ausgleich herbeigeführt werden.

Das gegenwärtige Provisorium, wonach der Staat bis auf weiteres die
Landarmenangelegenheiten fortführen solle, darf keinesfalls in einen dauernden
Zustand übergehen. Denn die Armengesetzgebung beruht fast allenthalben in
Deutschland auf dem Gemeindeprincip und die Armenpflege kann nur von den
Gemeinden — seien es einzelne Gemeinden oder Gemeindeverbände — zweck¬
Max Wtttgenstetn. mäßig verwaltet werden.




Dom preußischen Landtag.

Am 20. März hielt das Herrenhaus, welches seit der Eröffnungssitzung
keine gehabt, seine zweite Sitzung ab. Graf Udo zu Stolberg interpellirte
den Handelsminister, ob die Staatsregierung beabsichtige, dem Landtag ein
Gesetz vorzulegen, betreffend die Abtretung der preußischen Staatsbahnen an
das Reich. Nachdem der Interpellant sich für einen Anhänger des Ueber¬
gangs der Eisenbahnen an das Reich erklärt und nachdem er die Uebelstände
des jetzigen gemischten Systems der Staatsbahnen und Privatbahnen mit
einigen schlagenden Beispielen beleuchtet, antwortete der Handelsminister, in¬
dem er die Absicht der Regierung, einen Gesetzentwurf im Sinne des Inter¬
pellanten einzubringen, bejahte. Gleichzeitig lehnte er jedoch bei der nahen
Einbringung des betreffenden Entwurfes einstweilen jedes Eingehen auf die
Motive desselben ab. Diesem Beispiel werden wir bis zur parlamentarischen
Erörterung der Vorlage folgen müssen. Am 21. März hatte das Herrenhaus
seine dritte Sitzung. Hier kamen technische Gesetze und Petitionen zur Sprache.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/40>, abgerufen am 23.11.2024.