Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Nach den uns vorliegenden Nachrichten haben sich übrigens in Colorado
viele der einflußreichsten Katholiken dahin erklärt, daß sie die Annahme der
Constitution befürworten wollen, gerade weil der Bischof Machebeuf den
Versuch gemacht hat. die katholischen Bürger des Landes gegen ihre anders¬
gläubigen Mitbürger aufzuhetzen; es wird allgemein angenommen, daß der
intelligente Theil der katholischen Bevölkerung Colorado's sich mit den Freun¬
den der Freischulen vereinigen wird, um den durch den Bischof leichtsinnig
heraufbeschwornen Kulturkampf für immer in freisinniger Weise zu beendigen.

Es sind vorzüglich zwei Argumente, welche von den Ultramontanen gegen
das amerikanische Freischulsystem ins Feld geführt werden: 1) die angebliche
Ungerechtigkeit dieses Systems; 2) die Vorzüge und Vortheile der vatikanischen
Confessionsschulen. Dabei suchen sie regelmäßig die ärmeren Gesellschafts¬
klassen gegen die wohlhabenderen aufzureizen. Zu den Hauptgegnern der
Ultramontanen in Amerika zählt der alte Friedrich Hecker, der bereits
in der in Se. Louis im Staate Missouri erscheinenden "Westlichen Post" eine
ganze Reihe von gepfefferter Artikeln gegen ihre Staats- und freiheitsfeindlicher
Wühlereien veröffentlicht hat. So macht er z. B. in einem dieser Artikel
nicht mit Unrecht darauf aufmerksam, daß es doch sehr eigenthümlich, ja
komisch sei, daß die Hauptschreter gegen die Freischulen Mitglieder von
Mönchsorden wären, daß die wesentlichsten Deklamationen dieser Mönchs¬
orden-Mitglieder sich immer über die "xarental ri^Kts", die Rechte der Eltern,
der Familie, in Bezug auf die Erziehung ihrer Kinder verbreiteten, während
diese geistlichen Herren doch Leute seien, die nach ihrem Gelübde weder Eltern
werden, noch Familie haben dürften. Schließlich citirt er mit bitterer Schärfe
den alten Spruch:


"^esuiti sewxer sunt viri,
Ki vero suol trini,
l'ertius est Aeneris temivini."

Rud. Doehn.


Literatur.

Geschichte der quietistischen Mystik in der katholischen Kirche von Dr. Heinrich
Heppe. Berlin, Verlag von Wilhelm Hertz. 187S.

Die katholische Kirche gründet ihre Autorität auf die Lehre, daß Christus
eine Hierarchie geordnet und in deren Hand alle seine Gnadengüter niederge¬
legt habe, damit sie dieselbe der in der Kirche vereinigten Menschheit spende.
So ist die katholische Kirche eine mittlerische Macht geworden, die zwischen


Nach den uns vorliegenden Nachrichten haben sich übrigens in Colorado
viele der einflußreichsten Katholiken dahin erklärt, daß sie die Annahme der
Constitution befürworten wollen, gerade weil der Bischof Machebeuf den
Versuch gemacht hat. die katholischen Bürger des Landes gegen ihre anders¬
gläubigen Mitbürger aufzuhetzen; es wird allgemein angenommen, daß der
intelligente Theil der katholischen Bevölkerung Colorado's sich mit den Freun¬
den der Freischulen vereinigen wird, um den durch den Bischof leichtsinnig
heraufbeschwornen Kulturkampf für immer in freisinniger Weise zu beendigen.

Es sind vorzüglich zwei Argumente, welche von den Ultramontanen gegen
das amerikanische Freischulsystem ins Feld geführt werden: 1) die angebliche
Ungerechtigkeit dieses Systems; 2) die Vorzüge und Vortheile der vatikanischen
Confessionsschulen. Dabei suchen sie regelmäßig die ärmeren Gesellschafts¬
klassen gegen die wohlhabenderen aufzureizen. Zu den Hauptgegnern der
Ultramontanen in Amerika zählt der alte Friedrich Hecker, der bereits
in der in Se. Louis im Staate Missouri erscheinenden „Westlichen Post" eine
ganze Reihe von gepfefferter Artikeln gegen ihre Staats- und freiheitsfeindlicher
Wühlereien veröffentlicht hat. So macht er z. B. in einem dieser Artikel
nicht mit Unrecht darauf aufmerksam, daß es doch sehr eigenthümlich, ja
komisch sei, daß die Hauptschreter gegen die Freischulen Mitglieder von
Mönchsorden wären, daß die wesentlichsten Deklamationen dieser Mönchs¬
orden-Mitglieder sich immer über die „xarental ri^Kts", die Rechte der Eltern,
der Familie, in Bezug auf die Erziehung ihrer Kinder verbreiteten, während
diese geistlichen Herren doch Leute seien, die nach ihrem Gelübde weder Eltern
werden, noch Familie haben dürften. Schließlich citirt er mit bitterer Schärfe
den alten Spruch:


„^esuiti sewxer sunt viri,
Ki vero suol trini,
l'ertius est Aeneris temivini."

Rud. Doehn.


Literatur.

Geschichte der quietistischen Mystik in der katholischen Kirche von Dr. Heinrich
Heppe. Berlin, Verlag von Wilhelm Hertz. 187S.

Die katholische Kirche gründet ihre Autorität auf die Lehre, daß Christus
eine Hierarchie geordnet und in deren Hand alle seine Gnadengüter niederge¬
legt habe, damit sie dieselbe der in der Kirche vereinigten Menschheit spende.
So ist die katholische Kirche eine mittlerische Macht geworden, die zwischen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0241" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/135822"/>
          <p xml:id="ID_775"> Nach den uns vorliegenden Nachrichten haben sich übrigens in Colorado<lb/>
viele der einflußreichsten Katholiken dahin erklärt, daß sie die Annahme der<lb/>
Constitution befürworten wollen, gerade weil der Bischof Machebeuf den<lb/>
Versuch gemacht hat. die katholischen Bürger des Landes gegen ihre anders¬<lb/>
gläubigen Mitbürger aufzuhetzen; es wird allgemein angenommen, daß der<lb/>
intelligente Theil der katholischen Bevölkerung Colorado's sich mit den Freun¬<lb/>
den der Freischulen vereinigen wird, um den durch den Bischof leichtsinnig<lb/>
heraufbeschwornen Kulturkampf für immer in freisinniger Weise zu beendigen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_776"> Es sind vorzüglich zwei Argumente, welche von den Ultramontanen gegen<lb/>
das amerikanische Freischulsystem ins Feld geführt werden: 1) die angebliche<lb/>
Ungerechtigkeit dieses Systems; 2) die Vorzüge und Vortheile der vatikanischen<lb/>
Confessionsschulen. Dabei suchen sie regelmäßig die ärmeren Gesellschafts¬<lb/>
klassen gegen die wohlhabenderen aufzureizen. Zu den Hauptgegnern der<lb/>
Ultramontanen in Amerika zählt der alte Friedrich Hecker, der bereits<lb/>
in der in Se. Louis im Staate Missouri erscheinenden &#x201E;Westlichen Post" eine<lb/>
ganze Reihe von gepfefferter Artikeln gegen ihre Staats- und freiheitsfeindlicher<lb/>
Wühlereien veröffentlicht hat. So macht er z. B. in einem dieser Artikel<lb/>
nicht mit Unrecht darauf aufmerksam, daß es doch sehr eigenthümlich, ja<lb/>
komisch sei, daß die Hauptschreter gegen die Freischulen Mitglieder von<lb/>
Mönchsorden wären, daß die wesentlichsten Deklamationen dieser Mönchs¬<lb/>
orden-Mitglieder sich immer über die &#x201E;xarental ri^Kts", die Rechte der Eltern,<lb/>
der Familie, in Bezug auf die Erziehung ihrer Kinder verbreiteten, während<lb/>
diese geistlichen Herren doch Leute seien, die nach ihrem Gelübde weder Eltern<lb/>
werden, noch Familie haben dürften. Schließlich citirt er mit bitterer Schärfe<lb/>
den alten Spruch:</p><lb/>
          <quote> &#x201E;^esuiti sewxer sunt viri,<lb/>
Ki vero suol trini,<lb/>
l'ertius est Aeneris temivini." </quote><lb/>
          <note type="byline"> Rud. Doehn.</note><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Literatur.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_777"> Geschichte der quietistischen Mystik in der katholischen Kirche von Dr. Heinrich<lb/>
Heppe.  Berlin, Verlag von Wilhelm Hertz. 187S.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_778" next="#ID_779"> Die katholische Kirche gründet ihre Autorität auf die Lehre, daß Christus<lb/>
eine Hierarchie geordnet und in deren Hand alle seine Gnadengüter niederge¬<lb/>
legt habe, damit sie dieselbe der in der Kirche vereinigten Menschheit spende.<lb/>
So ist die katholische Kirche eine mittlerische Macht geworden, die zwischen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0241] Nach den uns vorliegenden Nachrichten haben sich übrigens in Colorado viele der einflußreichsten Katholiken dahin erklärt, daß sie die Annahme der Constitution befürworten wollen, gerade weil der Bischof Machebeuf den Versuch gemacht hat. die katholischen Bürger des Landes gegen ihre anders¬ gläubigen Mitbürger aufzuhetzen; es wird allgemein angenommen, daß der intelligente Theil der katholischen Bevölkerung Colorado's sich mit den Freun¬ den der Freischulen vereinigen wird, um den durch den Bischof leichtsinnig heraufbeschwornen Kulturkampf für immer in freisinniger Weise zu beendigen. Es sind vorzüglich zwei Argumente, welche von den Ultramontanen gegen das amerikanische Freischulsystem ins Feld geführt werden: 1) die angebliche Ungerechtigkeit dieses Systems; 2) die Vorzüge und Vortheile der vatikanischen Confessionsschulen. Dabei suchen sie regelmäßig die ärmeren Gesellschafts¬ klassen gegen die wohlhabenderen aufzureizen. Zu den Hauptgegnern der Ultramontanen in Amerika zählt der alte Friedrich Hecker, der bereits in der in Se. Louis im Staate Missouri erscheinenden „Westlichen Post" eine ganze Reihe von gepfefferter Artikeln gegen ihre Staats- und freiheitsfeindlicher Wühlereien veröffentlicht hat. So macht er z. B. in einem dieser Artikel nicht mit Unrecht darauf aufmerksam, daß es doch sehr eigenthümlich, ja komisch sei, daß die Hauptschreter gegen die Freischulen Mitglieder von Mönchsorden wären, daß die wesentlichsten Deklamationen dieser Mönchs¬ orden-Mitglieder sich immer über die „xarental ri^Kts", die Rechte der Eltern, der Familie, in Bezug auf die Erziehung ihrer Kinder verbreiteten, während diese geistlichen Herren doch Leute seien, die nach ihrem Gelübde weder Eltern werden, noch Familie haben dürften. Schließlich citirt er mit bitterer Schärfe den alten Spruch: „^esuiti sewxer sunt viri, Ki vero suol trini, l'ertius est Aeneris temivini." Rud. Doehn. Literatur. Geschichte der quietistischen Mystik in der katholischen Kirche von Dr. Heinrich Heppe. Berlin, Verlag von Wilhelm Hertz. 187S. Die katholische Kirche gründet ihre Autorität auf die Lehre, daß Christus eine Hierarchie geordnet und in deren Hand alle seine Gnadengüter niederge¬ legt habe, damit sie dieselbe der in der Kirche vereinigten Menschheit spende. So ist die katholische Kirche eine mittlerische Macht geworden, die zwischen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/241
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/241>, abgerufen am 27.11.2024.